Die Aussichten für die Mitarbeiter im MAN-Werk in Steyr sind bitter: Klappt der Deal mit Siegfried Wolf, dann verliert ein Teil ihre Jobs. Klappt es nicht, sind alle weg.

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Wien/Steyr/München – Im MAN-Werk in Steyr in Oberösterreich stehen die Zeichen auf Showdown. Der Aufsichtsrat der Nutzfahrzeugsparte des Volkswagen-Konzerns tagt am Freitag in München und wird die Schließung der Niederlassung in Steyr besiegeln. Das erfuhr DER STANDARD am Donnerstagabend aus Konzernkreisen.

Der Verkauf des Werks mit seinen 2.300 Beschäftigten an Ex-Magna-Chef Siegfried Wolf stehe nicht auf der Agenda, heißt es. Im Übrigen äußere man sich nicht zu Aufsichtsratssitzungen und deren Inhalten, teilte MAN auf Anfrage mit.

Dennoch könnte es noch einen Ausweg geben. Wolfs WSA Beteiligungsgesellschaft ist demnach der einzige Bieter mit Industrialisierungskonzept und somit der einzige ernstzunehmende Interessent für das Werk, in dem Komponenten und Spezialkunststoffgehäuse für MAN-Lastkraftwagen hergestellt werden, aber auch mit Elektro-Lkws experimentiert wird.

"Tragfähiges Angebot"

Die Gespräche des Vorstands der MAN Truck & Bus SE mit dem Betriebsausschuss der MAN Truck & Bus Österreich GesmbH und der WSA "verliefen bisher sehr konstruktiv, und wir sind davon überzeugt, dass die WSA Beteiligungs GmbH ein tragfähiges Angebot zur Zukunftssicherung des Standorts vorgelegt hat". Man hoffe, "eine baldige Einigung erzielen zu können", heißt es in der Mitteilung aus München.

In trockenen Tüchern ist der Verkauf an die "rein österreichische" WSA damit noch nicht. Die Voraussetzungen dafür sollen wohl bis Ende März vorliegen, er hängt aber von einigen anderen Faktoren ab, deren wichtigste die Zustimmung der Belegschaft darstellt.

Versammlung am 26. März

Diese soll erst nach einer auf 26. März verschobenen Vollversammlung der Arbeitnehmer in einer geheimen Urabstimmung abgefragt werden. Bei dieser Betriebsversammlung werde Wolf sein industrielles Konzept für den Standort darlegen. Selbiges sieht die Wiederbelebung der Marke Steyr vor, unter der vier Fahrzeugtypen (vom Kastenwagen über kleine Elektrobusse bis zu Lkws) für den Weltmarkt produziert und elektronisch vollausgerüstete Fahrerkabinen ebenso nach Russland exportiert werden sollen wie Chassis, Komponenten und Elektrobusse.

Haircut

Die Latte für die Belegschaft liegt freilich hoch: Sie stimmt letztlich über eine deutliche Kürzung der Stammbelegschaft (von 1.900 auf 1.250 bis 1.300 Mitarbeiter, die 400 Zeitarbeitskräfte nicht inkludiert) sowie der Löhne und Gehälter ab. Der sogenannte Akkordlohn soll komplett gestrichen, zumindest aber halbiert werden, was einen Einkommensverlust von 15 bis 30 Prozent bedeuten würde.

Von "fast erpresserischen Methoden" sprach prompt MAN-Steyr-Arbeiterbetriebsrat Erich Schwarz. Die Dringlichkeit dieser "Friss oder stirb"-Mentalität sehe er nicht.

Wenig überraschend hoffen die Belegschaftsvertreter noch immer auf ein konkretes Angebot der Interessentengruppe rund um den Linzer Unternehmer Karl Egger (Ke Kelit), für das Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) und ihm nahestehende Anwälte lobbyieren.

Russland-Sanktionen

Im Lichte der Russland-Sanktionen scheinen der Deal mit Wolf und die ambitionierten Pläne nicht unproblematisch, soll Steyr nach Wolfs Plänen doch enge Bande zum russischen Fahrzeughersteller Gaz knüpfen, an dem der Österreicher mit zehn Prozent beteiligt ist. Gaz wiederum gehört zu Russian Machines, die Teil des Imperiums von Oleg Deripaska ist. Deripaska und Gaz stehen auf der US-Sanktionsliste.

Genau diese Karte spielt jetzt ein gegnerisches Konsortium, das schon länger die Fühler nach der Steyr-Produktionsstätte ausgestreckt hat. Es handelt sich dabei um oberösterreichische Industrielle rund um Ke-Kelit-Unternehmer Egger, die über die LGG Industriebeteiligungen operieren und für die der Wiener Anwalt Gerald Ganzger von der Kanzlei Lansky & Ganzger als Sprecher fungiert. Die jüngsten Spannungen zwischen US-Präsident Joe Biden und Russland sollten zu einer Neubewertung des Wolf-Angebots führen, meint Ganzger. Dieses sei von der Zusammenarbeit mit Deripaskas Gaz abhängig, lautet sein Argument.

"Green Mobility"

Das um Egger gebildete Konsortium, das sich "Green Mobility" nennt, habe auch internationale Automobilproduzenten an Bord, die freilich nicht genannt werden, sagt Ganzger. "Damit sind wir deutlich krisenfester und diversifizierter als das nur von Russland abhängige Konzept, das derzeit verhandelt wird." Allerdings gibt es ein möglicherweise entscheidendes Problem: MAN hat der Egger-Gruppe bisher die kalte Schulter gezeigt, weshalb sie den Konzern nun zur "raschen Aufnahme von Gesprächen" auffordert. Struktur und Zusammensetzung des Konsortiums seien weit fortgeschritten, meint Ganzger. Derzeit werde mit der tschechischen Tatra-Gruppe und südostasiatischen Automobilherstellern über eine Zusammenarbeit gesprochen.

Wolf, der frühere Chef des Autozulieferers Magna-Steyr mit besten Verbindungen zum Porsche-Clan – er gehört seit 2019 dem Aufsichtsrat der Porsche SE an –, will das von Traton/MAN aus Kostengründen verstoßene Werk in Steyr auf neue Beine stellen, schildern Auskenner die Pläne. Grundbedingung für künftige Exporte made in Steyr: Mindestens 40 Prozent der Ware muss "local content", also aus Österreich sein. Von einem Zukunftskonzept mit Schwerpunkt Elektromobilität, Engineering, Forschung & Entwicklung und einem Wasserstoffkompetenzzentrum ist die Rede, alles unter dem Motto "weg von der verlängerten Werkbank". (Luise Ungerboeck, Andreas Schnauder, 19.3.2020)