Kurier.at und oe24.at verletzten mit einem Bericht über eine Wiener Staatsanwältin laut Presserat den Ehrenkodex der österreichischen Presse.

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Wien – Der Presserat hat kurier.at und oe24.at für Anfang des Vorjahrs erschienene Artikel über ein "SPÖ-Treffen" im Jahr 1997 kritisiert. Bei diesem soll es darum gegangen sein, Parteimitglieder zu ermutigen, in den Richterdienst einzutreten. Den Verstoß gegen den Ehrenkodex der österreichischen Presse ortete der Rat aufgrund der behaupteten Teilnahme der nunmehrigen Leiterin der Staatsanwaltschaft Wien, Maria-Luise Nittel.

Schwerwiegender Verstoß

Laut der am Freitag veröffentlichten Entscheidung des Senats 1, der ein selbstständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung des Justizministeriums eingeleitet hat, wird bei kurier.at ein schwerwiegender Verstoß gegen Punkt 2.1 des Ehrenkodex (Gewissenhaftigkeit und Korrektheit in Recherche und der Wiedergabe von Nachrichten) beanstandet. Bereits 2011 habe kurier.at über besagtes Treffen berichtet, woraufhin Nittel eine Gegendarstellung erwirkte. Diese hätte man bei der Recherche berücksichtigen müssen.

"Unzureichende" Änderungen

Später erfolgte Änderungen am Artikel beurteilte der Senat als "unzureichend". Es wurde zwar ein Zusatz über die Gegendarstellung inklusive Verlinkung ergänzt, allerdings sei durch die Formulierung, die Betroffene habe "behauptet", bei dem Treffen nicht anwesend gewesen zu sein, weiterhin ein "irreführender Eindruck" für die Leserinnen und Leser gegeben.

Wiederum "medienethischen Standards nicht entsprochen"

Bei oe24.at wurde wiederum "den medienethischen Standards nicht entsprochen", hielt der Senat fest. Zwar kam die SPÖ mit einer anderen Sichtweise zu Wort und wurde zudem über einen "Runden Tisch" im Bundeskanzleramt berichtet. Allerdings hätte die Recherche ebenfalls die besagte Gegendarstellung Nittels zutage fördern müssen. Der Zusatz, dass Nittel gegenüber oe24.at ihre Teilnahme am Treffen dementiere, erwecke einen "verzerrten Eindruck". So werde außer Acht gelassen, "dass die Betroffene auf rechtlichem Weg eine Gegendarstellung erwirkt hat".

Das Justizministerium hat sich bereits im Februar 2020 an den Presserat gewandt. Allerdings wurde das Verfahren bis Herbst 2020 unterbrochen, da die Angelegenheit der Aussendung des Presserats zufolge "auch gerichtsanhängig war". Update: Dieses Verfahren ist inzwischen mit einem Unterlassungsvergleich beendet, kurier.at hat den Widerruf veröffentlicht.

Die Medieninhaberin von kurier.at hat von der Möglichkeit, am Verfahren des Presserats teilzunehmen, Gebrauch gemacht, die Medieninhaberin von oe24.at hingegen nicht. Beide werden aufgefordert, die nunmehr getroffene Entscheidung freiwillig zu veröffentlichen.

"Es braucht eine scharfe Rüge"

Die Wiener Medienanwältin Maria Windhager, sie arbeitet auch für den STANDARD, hat Nittel im Gerichtsverfahren vertreten. Die Entscheidung des Presserates sei sehr wichtig, erklärt Windhager, "weil die falsche Behauptung nach meinem Eindruck sogar gezielt wiederholt wurde. Hier darf nicht einfach zur Tagesordnung übergegangen werden. Es braucht eine scharfe Rüge." (APA, red, 19.3.2021)