Wien – Mit ihrem Streik haben Fridays for Future die eigene Vision aufgezeigt: Am Freitag war für mehrere Stunden die Wiener Ringstraße gesperrt, anstatt Autogehupe waren Sprechchöre zu hören: "Lasst uns die Veränderung sein!", rief eine junge Frau in ein Mikro. "Wir haben den Ring zurückgewonnen", erwiderte ein Mann Anfang 20. Zum mittlerweile siebenten Mal hatte die Klimaschutzbewegung zum Streik aufgerufen. Demonstriert wurde nicht nur in Österreich, sondern auf der ganzen Welt.

Nach Monaten der Online-Proteste geht es für die Klimabewegung weltweit wieder auf die Straße. Leider, betonen die Aktivistinnen und Aktivisten. Verena Mischitz hat mit ihnen gesprochen
DER STANDARD

In Wien zogen sich die Aktivisten wie ein Band durch die Stadt: Mit einer dünnen Schnur verbunden und mit Plakaten ausgestattet, bildeten tausende Menschen eine Menschenkette von der Hauptuniversität bis zum Stubentor. Im Gegensatz zu den Samstagsdemonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen herrschte beim Klimastreik Disziplin: FFP2-Masken waren überall zu sehen; wie auch einige Ordner, die bei Menschenansammlungen immer wieder zum Abstandhalten aufforderten.

Die Organisatoren sprachen in Wien von "mehreren Tausend". Im Vorfeld hatte die Organisation vorgerechnet, dass man jedenfalls 1.000 Teilnehmende brauche, um eine Menschenkette auf der rund drei Kilometer langen Strecke von Schotten- bis Stubentor mit Sicherheitsabstand zu bilden. Das wurde jedenfalls erreicht, der Abstand zwischen den Personen aber nicht an jeder Stelle eingehalten, über ein kurzes Stück bei der Oper war die Kette gar zweireihig.

Die Aktivistinnen und Aktivisten brachten selbstbemalte Schilder.
Foto: ook

"Ich finde es schade, dass die Regierung nicht genug macht und dass wir darum auf die Straße müssen", sagte Natascha. Das sei ein "trauriger Anlass" für die 18-jährige Schülerin. Was sich ändern muss? Die Fleischindustrie müsse weg, Kurzstreckenflüge verboten werden. Dafür sollen Züge und Öffis generell billiger werden. Und, das stand groß auf dem von ihr mitgebrachten Schild: "Mehr Bäume, weniger Arschlöcher".

Gefordert wurden nicht nur mehr Bäume.
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Ihre ältere Schwester Larissa schlug mit ihrem selbstbemalten Taferl in eine ähnliche Kerbe, auch wenn dieses freundlicher formuliert war: "Ohne Bäume keine Träume", war darauf zu lesen. "Jeder Tag, an dem nichts passiert, ist ein Tag zu viel", sagte die 21-Jährige.

Es sei an der Zeit, dass gehandelt wird, und je mehr Menschen sich zum Protest versammeln würden, desto mehr Druck werde erzeugt. Die Menschenkette empfindet die junge Frau als "die perfekte Umsetzung des Streiks in der aktuellen Corona-Situation". Die Jus-Studentin setzt sich für eine ökosoziale Steuerreform ein. Sie will "ein Steuerreformpaket, das Klimaschädliches höher besteuert und Klimafreundliches weniger". Dabei brauche es aber auch Mechanismen, damit diejenigen, die wenig haben, nicht verstärkt von den Maßnahmen betroffen sind.

Kritik an ÖVP

Mit Livemusik und Tanzeinlagen forderten die Aktivisten die Regierung zum Handeln auf. Kritik seitens der Bewegung gab es vor allem an der ÖVP: "Die Kanzlerpartei muss Verantwortung für das Wohl der Menschen in Österreich übernehmen, statt auf die fossilen Lobbys zu hören", sagte Moritz Blei, einer der Organisatoren der Demo. Aber auch die Grünen dürften sich nicht länger ducken.

In Wien zog sich die Kette vom Schottentor bis zum Stubentor.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Nicht nur junge Menschen reihten sich entlang der Wiener Ringstraße, auch ältere Generationen waren vertreten. Zum Beispiel Roman, der Vater einer Klimaschutzaktivistin. Er habe sich den Freitag extra freigenommen, wie er erzählt. Das Thema sei ihm ein Anliegen, schließlich habe ihn seine Tochter überzeugt, beim Streik mitzumachen. "Wenn man was verändern will, muss man was tun", sagt der Techniker. Aufgrund seines Berufs wisse er, was möglich ist, "und sehe auch, was nicht gemacht wird".

Prominente Gäste

Unter die Demonstrierenden mischte sich auch die grüne Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. Sie wolle sich bedanken, sagte sie zu den Aktivisten. "Wir brauchen den Rückenwind, die letzten 30 Jahre sind wir am Stand getreten." Auch wenn einige der Plakate auf der Demo der Regierung zu langsames Handeln vorwerfen, sei sie froh, dass die Bewegung nicht lockerlasse: "Ich finde es gut, wichtig und richtig." Das noch säumige Klimaschutzgesetz sei "beinahe fertig", versicherte sie einem Aktivisten neben ihr. Auch die Ökosteuerreform solle noch heuer umgesetzt werden.

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler schaute auch bei der Demo vorbei.

Nicht nur die grüne Politikerin ließ sich auf der Demonstration blicken, auch viele Umweltschutzorganisationen, Gewerkschaften, Glaubenseinrichtungen, Wissenschafter und die Arbeiterkammer stellten sich hinter die Klimaschützer.

Die Aktivistinnen und Aktivisten forderten unter anderem eine CO2-Steuer.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

"Ich bin positiv überrascht, dass so viele hier sind", sagt eine junge Frau mit Schild in der Hand. Sie sei froh, endlich wieder auf die Straße gehen zu können. Derzeit werde laut Fridays for Future an einem Prozess gearbeitet, wie die Klimaschutzbewegung wieder mehr Platz in der Öffentlichkeit einnehmen könne. "Wöchentlich können wir derzeit aber nicht auf die Straße gehen, weil das die Corona-Situation nicht erlaubt", heißt es seitens der Klimabewegung.

Österreichweiter Protest

In Linz wurde bei einer Kundgebung auf dem Hauptplatz für das 1-2-3-Ticket demonstriert, in Innsbruck gab es eine Fahrraddemo und in Kufstein eine 24-Stunden-Mahnwache. In Salzburg wurde wie in der Bundeshauptstadt eine Menschenkette gebildet. 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen in Graz. (lauf, ook, 19.3.2021)