Irgendwann kommt es bestimmt, das vielbeschworene "Leben nach Corona". Aber während die Welt noch darüber grübelt, ob wir je wieder so arbeiten, reisen und Hände schütteln werden wie früher, steht eines schon mal fest: Es wird heißer werden. Jedes Jahr um ein paar hundertstel Grad. Es wird mehr Hitzetote geben, mehr Dürren, mehr Waldbrände, Hurrikans, der Meeresspiegel wird steigen ... aber das wissen Sie alles bereits, denn es ist seit Jahrzehnten bekannt.

Die gute Nachricht ist: Viele von uns werden davon nichts mehr mitbekommen. Wenn uns die großen Auswirkungen der Klimakrise mit voller Wucht treffen, werden die meisten der heute 50-, 60-, 70-Jährigen ihr Leben bereits gelebt haben. Ihnen persönlich kann es weitgehend egal sein, ob das Meer übergeht, die Hitze in der Stadt unerträglich wird oder sie Konfliktherde überkochen lässt.

Für diese Generation gibt es eine viel größere, akute Gefahr als die Klimakrise: nämlich schwer am Coronavirus zu erkranken, ins Krankenhaus eingeliefert zu werden, vielleicht sogar zu sterben. Denn fast alle Todesfälle in Österreich und auch weltweit betreffen Menschen im Pensionsalter. Obwohl die aktuellen Mutationen auch für Jüngere vermutlich gefährlicher und die Folgen von "Long Covid" noch ungeklärt sind: Für junge Menschen gibt es nur ein eher geringes Risiko, schwer zu erkranken. Denkt man egoistisch, könnte man meinen: ein vernachlässigbares Risiko. Dass wir unser soziales Leben trotzdem einschränken, ist vor allem ein Zeichen der Solidarität gegenüber der älteren Generation. Keine Frage: Es sollte selbstverständlich sein, dass jeder mitmacht. Schwer fällt es trotzdem.

Junge Menschen tragen die Corona-Maßnahmen mit, obwohl sie kaum von schweren Verläufen betroffen sind. Ist es Zeit, jetzt Solidarität in Sachen Klimaschutz einzufordern?
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Harte Zeiten für jungen Menschen

Denn junge Menschen leiden besonders unter den Folgen des Lockdowns. Vor allem für Schülerinnen und Schüler ist Homeschooling oft eine psychische Belastung. Laut einer Studie der Donau-Uni Krems und der Medizinischen Universität Wien zeigt mehr als die Hälfte der 14- bis 20-Jährigen depressive Symptome, viele haben Schlafstörungen oder Suizidgedanken. Statt Freunde zu treffen, sitzen viele noch mehr vor dem Bildschirm. Wo geht man hin in einer Phase, in der man sich vom Elternhaus distanziert, laut Regierung aber nur dort sein soll?

Für junge Erwachsene ist die Situation nur unwesentlich einfacher. Sie stecken häufiger in unsicheren Arbeitsverhältnissen, verspüren Existenzängste und sind die Einsamkeit nicht gewohnt. Lockdown in einem zehn Quadratmeter großen WG-Zimmer ist weit weniger lustig als im Haus mit Garten oder im Quarantänehotel auf Mauritius.

Die Jahre bis 30 sind die Zeit, in der wir Freundschaften knüpfen, Beziehungen eingehen, uns ausprobieren und uns festigen. Wir gehen hinaus, feiern, bauen ein soziales und berufliches Netz auf. Doch nun sitzen wir seit einem Jahr in Jogginghose im Homeoffice oder besuchen Onlinevorlesungen, um uns am Abend als Belohnung Trash-Dokus auf Netflix reinzuziehen und am Wochenende spazieren zu gehen. So haben wir uns unsere besten Jahre nicht vorgestellt.

Keine Frage: Auch ältere Menschen leiden unter dem Lockdown. Von dem Mittvierziger, der mit den Kindern im Homeoffice verzweifelt, bis zur Achtzigjährigen, die ihren Enkel nicht sehen darf oder ihre wenigen Besuche im Altersheim einschränken muss – die Situation ist für uns alle herausfordernd. Trotzdem sind Menschen über 65 vom psychologischen Aspekt her bisher am besten – oder am wenigsten schlecht – durch den Lockdown gekommen, wie etwa eine Studie im Journal of Psychosomatic Research zeigt.

Während die Menschheit versucht, die Pandemie zu überwinden, rauchen die Schlote weiter. Die stärksten Auswirkungen der Klimakrise werden erst Jahrzehnte spürbar werden.
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Kein Kreuzfahrtverbot

Sollen die Alten deshalb auf ihre Kreuzfahrt verzichten, um ihren Kindern und Kindeskindern ein lebenswertes Klima zu hinterlassen? Müssen sie bei der nächsten Gartenparty Tofuwürstchen auf den Grill werfen oder ihren SUV gegen eine Öffi-Jahreskarte eintauschen? Gerne, aber solch eine Individualisierung geht am Kern des Problems vorbei. Es geht nicht um eine Bringschuld der älteren Generation, ihr Leben einzuschränken, um keine Vergeltungsaktion für die schweren Lockdown-Zeiten.

Rückblickend werden wir wohl sagen, dass es eine Kombination aus technologischen Durchbrüchen wie die mRNA-Impfung, staatlichen Interventionen wie Lockdowns und vielen kleinen persönlichen Entscheidungen, wie Abstand zu halten oder zu Hause zu bleiben war, die uns aus der Pandemie lotste. Auch der Klimaschutz steht auf diesen Säulen: In vielen Fällen ist die umweltschonende Alternative – Stichwort Solarenergie und Elektroautos – schon heute günstiger als konventionelle Technologien.

Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, wird es aber vor allem den Willen brauchen. In der Corona-Krise haben wir den Schutz einer Generation zur gesamtgesellschaftlichen Priorität gemacht. Wir waren vernünftig und trugen die einschneidenden Maßnahmen großteils mit, selbst wenn wir durch das Virus nicht direkt gefährdet waren. Könnte uns diese generationenübergreifende Solidarität nicht auch den Weg aus der Klimakrise weisen? Nur das es diesmal eben um den Schutz von Generation Y, Z und alle danach folgenden geht?

Runter von der Bremse!

Dazu brauchen wir zunächst eine Diskussion, die sich nicht in Veganismus und Flugscham erschöpft. Wir müssen die Klimakrise in jedem Bereich mitdenken, so wie wir jetzt Corona überall mitdenken. Die Mehrheit ist sich einig, dass wir mehr Klimaschutz brauchen, aber auch, dass zu wenig passiert.

Es sind es logischerweise oft die Älteren, die an den Hebeln der Macht sitzen und dort aktiv Klimaschutz verhindern – egal ob in Politik, Wirtschaft oder Organisationen. Genau jene müssten jetzt solidarisch sein, denn wir Jungen waren und sind es auch. Es geht nicht um persönlich konsumierten Steaks oder Flugreisen, sondern um das Commitment der älteren Generation. Wir sind in der Corona-Krise vom Party-Gas gestiegen – steigt ihr jetzt bitte von der Klimaschutzbremse! (Philip Pramer, 21.3.2021)