Vom Kirchturm der Pfarre Breitenfeld in Wien-Josefstadt weht eine Regenbogenfahne als Zeichen der LGBTIQ*-Solidarität.

Foto: APA/Neubauer

Durch die katholische Kirche geht wehender Protest. Immer mehr Pfarren hissen Regenbogenfahnen, um gegen die jüngste Mitteilung der vatikanischen Glaubenskongregation, dass lesbische, schwule, bisexuelle und Transgender-Partnerschaften nicht gesegnet werden dürfen, Stellung zu beziehen.

Eine der ersten Pfarren in Österreich, die den Protest öffentlich zeigten, war die Pfarre Schwechat in Niederösterreich. Der Zuspruch ist so enorm, dass Pfarrer Werner Pirkner schon von einem "Befreiungsschlag gegen antiquierte, von oben herab diktierte Strukturen" spricht. "Die Solidaritätswelle geht durch alle Generationen", sagte der Priester, der seit fünf Jahren in Schwechat Pfarrer ist, am Freitag im Gespräch mit dem STANDARD: "Gott liebt alle Menschen, das ist meine tiefste Überzeugung, die sexuelle Orientierung spielt dabei keine Rolle. Die Kirche muss allen Menschen ein Geländer zum Anhalten bieten und darf für niemanden ein Stoppschild aufstellen."

"Unsägliche Entscheidung"

Auch die Pfarrer-Initiative, zu der rund 400 Priester und Diakone in Österreich gehören, kritisiert die Vorgabe des Vatikans. "Diese unsägliche Entscheidung verdeutlicht einmal mehr, dass der Versuch Roms nicht gelingen kann, von oben her weltweit Glaubens- und Sittenregeln zu verordnen, ohne einen Dialog mit den Kirchen vor Ort zu führen", erklärte die internationale Kirchenreformbewegung.

Auch die katholische Kirche in Hard in Vorarlberg zeigt Flagge.
Foto: Katholische Kirch Hard

Ausdrücklich willkommen

Zu den Pfarren, die ebenfalls Regenbogenflagge zeigen, gehören unter anderem die Pfarre von Hard in Vorarlberg und die Pfarre Breitenfeld in der Wiener Josefstadt. "Die Vielfalt der Menschen, die bei uns leben und sich in der Pfarre engagieren, schließt auch die Vielfalt der Geschlechtsidentitäten ein. Als Pfarre heißen wir daher LGBTIQ*-Personen ausdrücklich willkommen", heißt es in einer Stellungnahme.

Der harte Kurs des Vatikans hat Gläubige überrascht. Zwar werden Einzelsegnungen von LGBTIQ*-Personen vorgenommen, aber die Segnung von Partnerschaften sei "unerlaubt", so der offizielle Wortlaut. Die Erklärung wird nach Darstellung der Glaubenskongregation vom "aufrichtigen Wunsch" geleitet, "homosexuelle Personen anzunehmen und zu begleiten, denen Wege des Wachstums im Glauben vorgeschlagen werden", berichtete Radio Vatikan.

Bereits wenige Stunden nach der Verlautbarung vernetzten sich Montagabend Kritiker in ganz Europa. Viele Pfarrer wollen sich Segnungen nicht verbieten lassen.

Chrstopher-Street-Day

Auch in anderen Ländern wehen bereits Regenbogenfahnen von Kirchtürmen, wie etwa vom Gotteshaus St. Theodor in Köln-Höhenberg. Für den 70-jährigen Pfarrer Franz Meurer gehören homosexuelle Menschen ebenso zur Kirche wie alle anderen. Deshalb wird in seiner Pfarre auch jährlich am Christopher Street Day die Regenbogenflagge hochgezogen: "Wenn wir die gelb-weiße Flagge für den Bischof hissen, dann kann die Regenbogenflagge auch bleiben", sagt Pfarrer Meurer zum STANDARD. Immerhin seien viele Homosexuelle besonders religiös, und sein evangelischer Kollege in Köln-Ehrenfeld lebe mit seinem Partner im Pfarrhaus.

Zur Haltung des Vatikans kann Meurer nur den Kopf schütteln: "Wir haben schon genug Gedöns in Köln", sagt er mit Verweis auf das jüngste Gutachten zu den Missbrauchsfällen im Erzbistum: "Das muss erst aufgearbeitet werden."

Die Pfarre Schwechat hisste als eine der ersten Pfarren in Österreich eine Regenbogenfahne.
Foto: Pfarre Schwechat

Jungen ist Gleichberechtigung wichtig

Dass Freitagabend noch die Firmung bei ihm stattfand, zeigt für Meurer, dass "die Jugend noch mitmacht". Doch in den Vorbereitungsstunden hätten die Firmlinge dar über gesprochen, wie sie sich ihre Gemeinde vorstellen. Und da sei die Gleichberechtigung von Frauen und sexuelle Orientierungen wichtig gewesen. "Wenn wir das nicht hinbekommen, dann küss die Hände und Ende", sagt der Pfarrer: "Dann sind die Jungen weg."

In dieselbe Kerbe schlägt Stefan Sühling, Kreisdechant in Wesel im Bundesland Nordrhein-Westfalen: Er gelangte 2017 in die Nachrichten, weil er einem homosexuellen Paar den Segen erteilt hatte. Damals habe er viele positive Rückmeldungen erhalten. Das nunmehrige Schreiben aus dem Vatikan zeige ein horizontales Schisma in der Kirche. Auf der einen Seite stehe eine offizielle Po sition und auf der anderen Seite der Glaubenssinn der Gläubigen.

Pfarrer Pirkner aus Schwechat wird am Sonntag von der "Auferstehung der Kirche" predigen.(Bianca Blei, Michael Simoner, 19.3.2021)