Jonas ist Wiener, sein Vater ist Deutscher, und nie im Leben würde jemand darüber nachdenken, ihn als "ausländisch" zu bezeichnen. Das ist gut, denn er ist selbstverständlich Österreicher. So wie viele andere Menschen in diesem Land auch. Aber sie heißen nicht Jonas und haben nicht seine Hautfarbe. Deswegen sind sie ohne Chance auf Entkommen immer wieder mit der Frage konfrontiert: "Woher kommst du?" Sie erfahren immer wieder ungefragt, dass sie "aber gut Deutsch" sprechen. Und wenn gleich rassistische Kommentare folgen sollen, werden sie mit Aussagen wie "Ich meine natürlich nicht dich, aber ..." eingeleitet.

Graffiti zum Gedenken an die Opfer des rassistisch motivierten Anschlags in Hanau 2020.
Foto: imago images/Marcel Lorenz

Die Frage nach der Herkunft muss an sich keine bösartige Intention enthalten, häufig wird argumentiert, dass sie aus Interesse oder Neugier gestellt werde. Und trotzdem insinuiert "Woher kommst du?", ob bewusst oder nicht, dass die Person nicht von "hier" komme. Selbst dann, wenn Österreich ihre einzige Heimat ist. Auch dann, wenn sie einen Großteil ihres Lebens in diesem Land verbracht hat. Immer noch dann, wenn sie kein anderes Zuhause kennt. Mit derartigen Fragen wird sie stets daran erinnert, dass sie offenbar für immer "ausländisch" sein wird. Ihr wird die Mündigkeit geraubt, über die eigene Heimat zu bestimmen, und damit ein grundlegender Teil der Identität abgesprochen. Und das häufig noch, bevor der Fragesteller die Person überhaupt kennt – rein aufgrund der Hautfarbe, des Aussehens oder des Namens. Auch wenn es unbeabsichtigt geschieht, grenzt es dennoch aus: indem es eine Unterscheidung zwischen "wir und "sie" schafft und damit rassistischen Ressentiments den Weg ebnet.

Gleichberechtigung oder "Farbenblindheit", wie sie etwa von einer Kolumnistin der NZZ zuletzt eingemahnt wurde, mag ein Ideal sein, das wir als Gesellschaft anstreben müssen. Aber dafür müssen wir alle unsere Andersbehandlung von nichtweißen Menschen überdenken. Das gilt auch für die Politik, die eigentlich eine Vorbildwirkung hat und die Bevölkerung in Krisenzeiten einen sollte. Mit Aussagen, wie dass "vor allem Personen mit Wurzeln auf dem Balkan und in der Türkei das Virus nach Österreich geschleppt" hätten, agiert ein Bundeskanzler spaltend. Er postuliert einen Unterschied zwischen Menschen mit Migrationsgeschichte und anderen – ohne Belege. Damit Integration funktionieren kann, muss auch er verstehen, dass sie keine Einbahnstraße ist. (Muzayen Al-Youssef, 21.3.2021)