Was folgt als Nächstes: Lockdown oder Lockerungen? Schanigartenöffnung oder Schulschließung? Des Tunnels Ende oder die Einfahrt in eine neue Sackgasse?

Vorerst staut es sich noch mit einer klaren Antwort auf diese Fragen. Am Montag will die Regierungsspitze mit Expertinnen und Experten, Landeshauptleuten wie Vertreterinnen der Opposition darüber beraten, wie es in den kommenden Wochen weitergeht. Der Blick bleibt streng auf Ostern gerichtet. Was sich bereits abzeichnet: Es sieht nicht gut aus.

Anschober gegen Lockerung

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) erklärte am Samstag im Ö1-"Morgenjournal": "Wir haben derzeit sicher keine Phase in der es um große Lockerungen geht." Vielmehr müsse man jetzt "ganz massiv in den Regionen, die jetzt hauptbetroffen sind, danach trachten, dass wir diese Zuwächse in den Intensivabteilungen möglichst stabilisieren, um hier keine Überforderung, keine Überlastung zuzulassen", sagte Anschober weiter. Der Minister geht davon aus, dass "diese Zahlen, die wir vorlegen müssen, überzeugen müssen". Die Einsicht "handeln zu müssen" sei auch in den betroffenen Regionen da". Er plädierte für ein gemeinsames Vorgehen.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober glaubt nicht an Lockerungen.
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Schon am Freitag hatte Anschober vorgebaut: "Ja, ganz Europa ist mittlerweile in der dritten Welle, auch wir." Der Ressortchef leitete folglich ab: "Auf regionale Zuspitzungen muss man reagieren." Fakt sei nämlich, "in manchen Regionen haben wir eine Situation, die ich wirklich als bedenklich erachte, was die Situation auf intensivmedizinischen Abteilungen betrifft".

Wien verschiebt geplante OPs

Stark ausgelastet sind die Stationen etwa in der Bundeshauptstadt: In Wien werden daher elektive Eingriffe an Ordens- oder Privatspitäler ausgelagert und Termine verschoben. Laut dem Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) würde man auf diese Maßnahme zurückgreifen, sobald man sich einem Wert von 150 belegten Betten annähere. Insgesamt hat die Stadt – mit Stand Freitag – 282 Intensivbetten für Covid-Patientinnen und -Patienten vorgesehen. Davon waren 143 bereits mit Covid-Fällen belegt. Das bedeutet jedoch keinesfalls, dass die anderen Betten frei stehen, sondern lediglich, dass diese für Corona-Patientinnen und Patienten freigemacht werden könnten.

Das AKH und die Klinik Floridsdorf seien "in höherem Umfang belegt", wie es aus dem Wiener Gesundheitsverbund hieß. Die Spitäler gehören mit der Klinik Favoriten und jener in der Donaustadt zu jenen, die im Covid-Anfahrtsplan ganz oben stehen.

Vermehrte Regionalisierung

Was all das für die weitere Vorgehensweise im Bund bedeutet? Als ziemlich sicher gilt, dass die Regierung wohl weiter vermehrt auf regionale Differenzierungen setzen wird – also sowohl Lockerungen als auch Verschärfungen von den lokalen Gegebenheiten abhängig machen wird.

Auch bei den positiven Tests in Schulen gibt es große Unterschiede.
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Am Beispiel Schule illustriert: Während bei den wöchentlichen Ergebnissen der sogenannten Nasenbohrertests in Wien etwa 600 Fälle gemeldet worden sind, zählt Vorarlberg im selben Zeitraum ganze sechs Fälle. Gleichzeitig ist die Regelung des Schulbesuchs in Wien aktuell exakt jene, die in Vorarlberg greift: Abgesehen von den Volksschulklassen kommen die Schülerinnen und Schüler im Schichtbetrieb zum Unterricht. Also fällt auch im Bildungsministerium auf Nachfrage das Stichwort "regionale Differenzierung". Das mache Sinn. Oberstes Ziel bleibe natürlich, die Schulen offen zu halten. Bei der Frage nach dem Wie scheint man hier sehr kompromissbereit, auch wenn eine öffentlich bereits diskutierte Verlängerung der Osterferien nicht kommentiert wird. Dass es nach den Feiertagen wieder zu normalem Präsenzunterricht kommen könnte, hat Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) im Unterrichtsausschuss de facto ausgeschlossen.

Weitab vom Weg

Auch die Corona-Kommission lieferte zuletzt einen eher tristen Ausblick. Und erklärte, "dass das Infektionsgeschehen ausgehend von einem hohen Niveau in der Mehrheit der Bundesländer deutliche Anstiege zeigt, die sich gemäß Prognosen fortsetzen werden". Am Samstag wurden 3.344 Neuinfektionen in Österreich gemeldet. Auch die Belastung des Gesundheitssystems, also der Spitäler und Intensivstationen, sei im Vergleich zur Vorwoche gestiegen.

Mittlerweile liegt die rohe Sieben-Tage-Inzidenz nur mehr in sechs von 96 Bezirken und Regionen per Stichtag 16. März unter 100 Infektionen pro 100.0000 Einwohnerinnen und Einwohnern. In weiteren zwei Bezirken lag sie unter 50. Zur Erinnerung: Zu Jahresbeginn nannten ÖVP und Grüne noch eine Inzidenz von unter 100 beziehungsweise ein Optimum von 50 als Voraussetzung, um den harten Lockdown zu beenden. Die Kommission empfahl daher auch, bereits gesetzte Lockerungsschritte zu überprüfen "und diese bei weiterhin unkontrollierter Verbreitung auch gegebenenfalls regional auf Ebene einzelner Bundesländer oder Bezirke zurückzunehmen".

Positive Zahlen in Pflegeheimen

Eine positive Nachricht lässt sich aus den Zahlen der Kommission jedoch ableiten. Nur rund zehn Prozent der Fälle entfallen auf Personen der Altersgruppe über 65 Jahre. Das ist jene Gruppe mit dem höchsten Risiko eines schweren Verlaufs einer Corona-Infektion. 23 Prozent betreffen Menschen bis 19 Jahre, 31 Prozent der Fälle entfallen auf die Alterskohorte 20 bis 39 Jahre. 36 Prozent sind im Alter zwischen 40 und 65 Jahren.

Der Rückgang der Infektionen in den höchsten Altersgruppen ist auch auf die Impfaktion zurückzuführen: In den Alten- und Pflegeheimen sind bisher – laut Angaben der Länder – zwischen 60 (Kärnten) und über 90 Prozent (Wien) der Bewohner geimpft. Lockdown, Schutzmaßnahmen und die Impfung haben die Zahl der Neuinfektionen sowie der Todesfälle österreichweit nach unten gedrückt: Während es im Dezember 2020 noch 10.750 neu bestätigte Fälle bei Bewohnern und Mitarbeitern gab, sank diese Zahl bis Februar auf nur noch 1125 ab. Anschober, seit Freitag wieder mit dem Obersten Sanitätsrat als "wichtigstem Beratergremium" versorgt, stellt in diesem Bereich baldige Lockerungen in Aussicht.

Allerdings, so heißt es auf STANDARD-Anfrage aus dem Gesundheitsministerium, sei "noch immer nicht abschließend geklärt, ob eine Corona-Schutzimpfung auch vor der Übertragung des Corona-Virus schützt und welche Rolle hier neue Virusvarianten spielen". Aktuell prüf eine Expertengruppe, welche Maßnahmen künftig notwendig und möglich sind, um besonders gefährdete Menschen zu schützen und "zugleich ihre psychosoziale Lage zu verbessern und Sozialkontakte sowie Beziehungen zu nahestehenden Personen zu ermöglichen".

Trendwende "nicht absehbar"

Und in anderen Bereichen? Stefan Thurner vom Complexity Science Hub Vienna sagt: "Wenn wir das Risiko eingehen wollen, die Krankenhäuser wieder an den Rand der Kapazitäten zu bringen, dann können wir es so lassen, wie es ist." Seiner Ansicht nach werde es nicht die Spritze sein, "die uns in den nächsten Wochen rausreißt". So wie das Impfsystem derzeit laufe, schlussfolgert der Experte: "Wenn man sieht, wie weit wir nach bald drei Monaten sind, dann glaubt kein Mensch daran, dass das bis zum Sommer greifen wird."

Wann aufgesperrt wird, bleibt weiter offen.
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Dass man durch die Impfungen einen Schutz habe, der die steigenden Fallzahlen reduzieren könne, sei "absolut nicht absehbar". Thurner rechnet österreichweit bis Ende März mit 500 Covid-Patienten auf den Intensivstationen. Der kritische Wert liege bei etwa 700. Doch da will Anschober keinesfalls hin. Kleiner Vorgriff auf Montag: Er wolle alles Notwendige tun, "um eine Entwicklung in Richtung harter Triagen zu vermeiden", sagt der Gesundheitsminister. (Karin Krichmayr, Oona Kroisleitner, Karin Riss, 20.3.2021)