Demonstrationen gegen antiasiatischen Rassismus diese Woche in den USA. Auch am 21. März, dem Internationalen Tag gegen Rassismus, werden Proteste erwartet.

Foto: APA / AFP / Jason Redmond

Dienstag, später Nachmittag in Cherokee County, rund 60 Kilometer nördlich von Georgias Hauptstadt Atlanta: Ein 21-jähriger US-Amerikaner erschießt acht Menschen in drei Massagesalons. Sechs der Opfer sind Frauen asiatischer Herkunft. Die Morde versetzen die asiatische Community in den Vereinigten Staaten in Alarmbereitschaft.

Und das kommt nicht von ungefähr. Vor allem während der Corona-Pandemie wurden in den USA Asian-Americans zunehmend zur Zielscheibe für rassistische Angriffe. Aufgrund ihrer vermeintlichen Herkunft werden sie als potenziell ansteckend gesehen, angefeindet oder angegriffen.

Seit Anfang 2020 sind laut einer Studie des Center for the Study of Hate and Extremism (CSUSB) in US-Metropolen mehr als doppelt so viele Verbrechen gegen asiatisch gelesene bzw. wahrgenommene Menschen gemeldet worden wie im Jahr 2019. In Großstädten wie Los Angeles oder New York registrierten die Justizbehörden sogar einen Anstieg von rassistischen Übergriffen um rund 150 Prozent.

Signifikanter Anstieg

Wie das CSUSB festhält, verlief dieser signifikante Anstieg parallel mit dem Anstieg der Meldungen zum "China-Virus"– eine Wortschöpfung, mit der sich Ex-US-Präsident Donald Trump hervortat. Zwar verurteilt die aktuelle US-Führung derartige "Hate-Crimes", in denen einzelne Gruppen zu Sündenböcken gemacht werden, die Tendenz ist aber weiter steigend.

Die Organisation "Stop AAPI Hate" veröffentlichte am Dienstag einen Bericht, in dem sie von fast 3.800 Übergriffen seit Pandemiebeginn spricht, mehr als 500 davon heuer. Fast 70 Prozent der Betroffenen sind Frauen. Im Bericht liest man über Beleidigungen, niedergeschlagene Passanten und Menschen, die angespuckt werden. Was man ihnen melde, heißt es von AAPI-Juristen, sei nur ein Bruchteil dessen, was tatsächlich geschehe.

Der Hashtag #IAmNotAVirus trendet in sozialen Medien seit Monaten. Ebenso lange protestieren Menschen in den USA gegen rassistische Übergriffe auf asiatischstämmige US-Bürgerinnen und -Bürger.

Die Rolle der Medien

Das Problem beschränkt sich längst nicht nur auf die USA. Im deutsch- und französischsprachigen Raum berichten Betroffene unter den Hashtags #IchBinKeinVirus und #JeNeSuisPasUnVirus von ihren Erfahrungen. Auch in Österreich stiegen die Zahlen, vor allem zu Beginn der Pandemie: Im Rassismus-Report des Vereins Zivilcourage und Antirassismus-Arbeit (Zara) finden sich dieses Jahr Meldungen etwa von rassistischen Bemerkungen und Übergriffen im öffentlichen Raum, in Schulen und auch in klassischen sowie sozialen Medien.

"Wir haben den Zusammenhang zwischen Berichterstattung und Übergriffen vor allem in unseren gestiegenen Fallmeldungen im Februar und März 2020 gesehen," sagt Caroline Kerschbaumer, Geschäftsführerin von Zara. "Die Medien tragen eine große Verantwortung, gerade bei Themen, die so sensibel sind."

Immer wieder wurden in deutschsprachigen Medien rassistische Klischees bedient, Lebensweisen oder Essgewohnheiten mit dem Coronavirus in Zusammenhang gebracht oder zur Bebilderung der Pandemie asiatisch gelesene Personen mit Masken gezeigt – selbst wenn es um Infektionszahlen in Europa ging.

Das Netzwerk für Asiatisch-Deutsche Perspektiven Korientation e.V. dokumentiert seit Beginn der Pandemie Rassismus in Medien. Das letzte Beispiel stammt vom 25. Februar, als ein rassistischer Vorfall rund um die K-Pop-Band BTS für Aufsehen sorgte. Ein deutscher Radiomoderator verglich die Musiker mit dem Coronavirus und hoffte auf eine Impfung gegen sie.

Fehlendes Bewusstsein

Der Fokus bei Rassismuskritik an Medien und deren Berichterstattung wurde in diesem Fall oft auf die Kritikerinnen und Kritiker gelegt, der Aufschrei in der Community als überspitzt dargestellt. Auch Betroffene von Übergriffen im Alltag berichten von fehlendem Eingreifen Außenstehender. Zara meldete, dass die meisten Vorfälle von antiasiatischem Rassismus zu Beginn der Pandemie von Betroffenen selbst gemeldet wurden – was auf ein fehlendes Bewusstsein in der Mehrheitsgesellschaft hindeutet und den Druck auf die Betroffenen selbst steigen lässt.

Bei der Diskussion um den Angriff von Atlanta wurde viel über das Motiv spekuliert, ob es nun rassistisch oder sexistisch sei – oder der Täter bloß "einen schlechten Tag" hatte, wie ein Polizeisprecher tatsächlich sagte. Der Tatverdächtige gab an, Massagesalons – die von Frauen asiatischer Herkunft betrieben wurden – als "Versuchung" zu empfinden, die er habe beseitigen wollen.

Obwohl er ein rassistisches Motiv bestritt, greift er damit ein gängiges Stereotyp von Hypersexualisierung und sexueller Verfügbarkeit gegenüber (süd-)ostasiatischen Frauen in westlichen Gesellschaften auf – und macht damit deutlich: Antiasiatischer Rassismus existiert nicht erst seit Corona. (Anika Dang, Manuela Honsig-Erlenburg, Noura Maan, 21.3.2021)