Im Moment geht es bergab für die 2300 Beschäftigten bei MAN in Steyr Oberösterreich. Aber das könnte sich mit einem neuen Eigner ändern.

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Wien – Die MAN-Mutter in München hat am Freitag wie angekündigt das Schicksal des Lkw-Werks in Steyr besiegelt. Soll der ausgeklügelte Plan des deutschen Mutterkonzerns aufgehen, ist nun Investor Siegfried Wolf am Zug. Der frühere Magna-Chef und jetzige geschäftsführende Gesellschafter des russischen Autokonzerns GAZ muss die Stammbelegschaft mit 1900 Mitarbeitern dazu bringen, Gehaltskürzungen zuzustimmen.

Dann kann der seit September verhandelte Verkauf des Werks Steyr an Wolfs WSA Beteiligungsgesellschaft über die Bühne gehen – oder das Werk wird Ende 2022 dicht gemacht. Das wurde dem STANDARD in München erneut bestätigt.

Widerstand

Um den augenscheinlich wachsenden Widerstand gegen den früheren Magna-Chef zu schwächen, wurden am Freitag erste Zugeständnisse ventiliert: Alle MAN-Mitarbeiter bekommen bis zu 10.000 Euro Prämie – egal ob sie nach Abarbeiten der Fahrzeugproduktion für MAN Ende 2022 an Bord bleiben oder nicht. Die 1250, die bleiben dürfen, verdienen künftig netto um 15 Prozent weniger und bekommen von Wolfs WSA als Karotte eine jährliche Gewinnprämie in Aussicht gestellt – sofern das Werk unter der revitalisierten Marke Steyr in der Gewinnzone fährt. Für Mitarbeiter, deren Arbeitsplatz gestrichen wird, gibt es, wie berichtet, darüber hinaus Sozialplan und Altersteilzeitregelungen.

Standortgarantie bis 2030

Die Strategie dahinter: Die MAN-Beschäftigten sollen von der Idee abgebracht werden, die von MAN bis 2030 gewährte Standortgarantie einzuklagen. Wie hart selbige tatsächlich ist, darüber gehen die juristischen Meinungen auseinander. Als sicher gilt, dass sie in Österreich von jedem einzelnen Gekündigten vor dem Arbeits- und Sozialgericht eingeklagt werden muss. Das schreckt mit Sicherheit ab, denn bis das ausjudiziert ist, vergehen Jahre, und das ist ohne neuen Job wohl riskant für Arbeitnehmer.

Grünes Konsortium

Auch deshalb setzt die Belegschaft rund um Arbeiterbetriebsratschef Erich Schwarz auf das zweite Konsortium, von dessen Plänen MAN bisher lediglich über die in Medien bekundeten Absichten informiert sein will, große Hoffnungen. Man sei jetzt für Gespräche zur Übernahme von MAN Steyr bereit, rührte der Sprecher des Konsortiums, der Anwalt Gerald Ganzger, die Werbetrommel.

Dem Vehikel LGG Industriebeteiligung gehören neben Ganzgers Kanzleipartner Gabriel Lansky und Unternehmer Gerald Gerstbauer nationale und internationale Partner an. LGG verhandle einerseits mit der tschechischen Tatra (die ihrerseits vergeblich versuchte, mit MAN zu verhandeln) als auch mit nicht näher genannten Automobilproduzenten aus Südostasien. Als Berater fungiert Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ).

Abhängigkeit von Russland

Details zu dem von Ganzger als "krisenfester und diversifizierter als das von Russland abhängig" bezeichneten Konzepts war nicht zu erfahren. Nur so viel: Die Stammbelegschaft bliebe erhalten, und es sollen künftig 10.000 Lkws in der "Truck-Montage Großserie inklusive eMobility und Hydrogen-Antriebe" gefertigt werden. Von den 1330 Beschäftigten in der Lkw- und Führerhausmontage könnten 665 in die Truckmontage wechseln. In der Lackiererei sind gar 290 neue Jobs im Gespräch. Das Potenzial bis 2030 sehen die Interessenten bei 10.000 Jobs.

Vorausgesetzt, die Führung der MAN SE in München nimmt mit dem aus Betriebsräten und IG Metall bestehenden Betriebsausschuss der MAN Truck & Bus Österreich GesmbH Gespräche mit dem Green-Mobility-Konsortium überhaupt Gespräche aus. Bis dato hält man nämlich nur das mit Wolfs WSA verhandelte Konzept "zur Zukunftssicherung des Standorts" für vielversprechend. "Wir hoffen, eine baldige Einigung erzielen zu können", teilte MAN mit. Weitere Industriealisierungskonzepte, die über Bekundungen in der Presse hinausgehen, gebe es nicht, heißt es in Unternehmenskreisen.

Neue Interessenten

Dieses Green-Mobility-Konzept könnte übrigens Zulauf bekommen: Die Hamburg Innovation Holding (HIH) mit hundert Millionen Euro von Fonds und Investoren an der Hand sucht das Gespräch, sagt Axel Bauer von HIH. Er sei von MAN bis dato nur abgewimmelt worden, beklagt Bauer im Gespräch mit dem STANDARD. Viel deute darauf hin, dass das ein abgekartetes Spiel sei.

Das lässt man in MAN-Kreisen nicht gelten. Ein Verkauf an ein Konsortium, das weder vielversprechende Produkte habe noch Partnerfirmen, die man kenne, sei nicht verantwortungsvoll. Bei Wolf hingegen sei Kompetenz gebündelt und GAZ werde nur einer von mehreren Partnern der neuen Steyr sein.

US-Sanktionen

Wie auch der Betriebsrat sehen LGG und HIH insbesondere Wolfs Verbindungen zum russischen Autobauer GAZ Group von Oleg Deripaska kritisch hinsichtlich der Russland-Sanktionen, was man im Dunstkreis von Wolfs WSA Beteiligungsgesellschaft prompt zurückweist. Man sei rein österreichisch und wolle die neue Steyr zu einem Produzenten von vier Fahrzeugtypen (von Kastenwagen über Elektrobusse bis Lkws), Komponenten und Fahrerkabinen samt Engineering, Forschung und Entwicklung, Wasserstoff und E-Mobilität aufbauen, der in 44 Länder exportiert. Dafür müssen 40 Prozent made in Steyr sein, sonst droht ein Konflikt mit den Amerikanern, die Oligarchen wie Deripaska mit Sanktionen belegt haben.

Volkswagen-Partner

Für Wolfs Konzept spricht aus Sicht von MAN, des Nutzfahrzeugherstellers des Volkswagen-Konzerns, dass GAZ der russische Partner von Volkswagen ist.

Die Belegschaftsversammlung, in der Wolf sein Konzept präsentiert, ist am 26. März geplant, danach soll eine geheime Urabstimmung stattfinden. Auf die drängt Wolf, weil er gegen den Willen der Belegschaft kein neues Projekt beginnen wolle. (Luise Ungerboeck, 19.3.2021)