Bereitet Sorge, dass es in der politischen wie öffentlichen Auseinandersetzung zu einer "Verschärfung im Ton kommt": Christoph Grabenwarter

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Angesichts der Attacken gegen die Justiz plädiert Christoph Grabenwarter, Präsident des Verfassungsgerichtshofes, für mehr Disziplin. Die Korruptionsjäger, die auch gegen Angehörige der Kanzlerpartei ermitteln, nimmt er in Schutz.

In der ORF-Pressestunde tat der Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Christoph Grabenwarter, am Sonntag unmissverständlich seine Erwartungshaltung an die Politik kund: Bei Kritik an der Justiz plädiert er für mehr Zurückhaltung. Denn, so Grabenwarter: "In den letzten Wochen wurde die Justiz von einzelnen Politikerinnen und Politikern heftig kritisiert." Ihm sei es daher ein wichtiges Anliegen, hier einen Kontrapunkt zu setzen. Die Justiz verdiene "jedes Vertrauen, sie habe keine einseitige politische Schlagseite", sagte der oberste Verfassungshüter.

Gegenwehr schwierig

Und er gab auch zu bedenken: Die Angehörigen der Justiz könnten sich bei Angriffen aus den Reihen der Parteien nicht so zur Wehr setzen, wie das Politiker sehr wohl tun können.

Zur Erinnerung: Weil die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in der Causa Casinos auch gegen Gernot Blümel (ÖVP) ermittelt, hat Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) unlängst angeprangert, dass offenbar von dort "fehlerhafte Fakten und Annahmen" an die Medien gelangt seien.

Konkret auf diese Attacken angesprochen, gab sich Grabenwarter am Sonntag seinerseits äußerst zurückhaltend: "Das ist eine sehr kritische Auseinandersetzung", konstatierte er, und: "Ich möchte nicht einzelne Äußerungen von Politikern kommentieren."

Grundsätzlich bereite ihm aber sehr wohl Sorge, "dass wir in der politischen Auseinandersetzung, aber auch in der öffentlichen Auseinandersetzung eine Verschärfung im Ton haben". Was die Korruptionsanklagebehörde betreffe, sei seine Wahrnehmung, dass diese sehr professionelle Arbeit verrichte.

Zum von Türkis-Grün geplanten Bundesstaatsanwalt, der künftig an der Weisungsspitze stehen soll, gab sich Grabenwarter ebenfalls reserviert. Bisher sei er immer kritisch gegenüber einer unbedachten Umorganisation der Weisungsspitze gewesen – und an für sich sei eine Weisung a priori noch nichts Schlechtes. Wichtig sei, hielt der Präsident des Höchstgerichts fest, dass eine solche transparent und gesetzeskonform sei – "und dass die Weisungsspitze dem Nationalrat verantwortlich ist".

Zum möglichen Bestellmodus für den anvisierten Bundesstaatsanwalt erklärte Grabenwarter, dass man bei der Auswahl einer adäquaten Persönlichkeit "sehr gründlich" sein müsse, und beim vorangehenden Prozess gelte es, Vertrauen herzustellen.

Als Zeitspanne für eine Funktionsperiode schlug er – analog zum Rechnungshofpräsidenten – zwölf Jahre vor, denn: "Wenn jemand in seinen Fünfzigern dazu ernannt wird, gibt es nicht die Erwartung auf eine weitere Karriere."

Abberufung bei Anklage

Zu den Ermittlungen gegen Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter, der von der Staatsanwaltschaft Wien verdächtigt wird, vom ehemaligen Chef der Strafrechts-Sektion im Justizressort, Christian Pilnacek, den Termin einer Hausdurchsuchung erfahren und an seinen Klienten, den Investor Michael Tojner, weitergegeben zu haben, erklärte Grabenwarter: Auf Basis der Informationen, die derzeit vorlägen, könne man kein Amtsenthebungsverfahren gegen Brandstetter einleiten – und überhaupt gelte für den Kollegen die Unschuldsvermutung.

Sollte gegen den ehemaligen Justizminister, einst von der ÖVP gestellt, Anklage erhoben werden, dann würde aber "mit Sicherheit Handlungsbedarf" bestehen. (Nina Weißensteiner, 21.3.2021)