Auch in Europa, so wie hier in Istanbul, erregt die Misshandlung der uigurischen Minderheit durch das chinesische Regime die Gemüter.


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Mehr als drei Jahrzehnte ist es her, dass Europa zuletzt mit ähnlicher Schärfe auf Menschenrechtsverletzungen durch das chinesische Regime reagiert hat. 1989 hatten die Außenminister des damals noch weit weniger vereinten Kontinents zum bis dato letzten Mal die härtestmöglichen Bandagen gegen China ins Feld geführt: Wirtschaftssanktionen, Einreiseverbot, Waffenembargo. Die Volksbefreiungsarmee hatte damals kurz vorher die Studierendenproteste auf dem Pekinger Platz des Himmlischen Friedens brutal niedergeschlagen. Tausende Menschen kamen dabei ums Leben.

Heute, 32 Jahre später, ist von Demokratie in China noch immer nicht viel zu spüren – ganz im Gegenteil: Vor allem die Uigurinnen und Uiguren, eine turksprachige, muslimische Minderheit im Westen des riesigen Landes, werden systematisch unterdrückt, Menschenrechtsgruppen schätzen, dass Hunderttausende in der Provinz Xinjiang in Umerziehungslager gesteckt worden sind. Dort werden sie Berichten zufolge zur Aufgabe ihrer Religion, Kultur und Sprache gezwungen und vielerorts auch misshandelt.

Das offizielle Peking, das im Zusammenhang mit der muslimischen Minderheit stets auf Terrorgefahr verweist, spricht dagegen von Fortbildungszentren, in denen man den muslimischen Extremismus an der Wurzel packen wolle.

"Architekt" der Lager

Um das Schicksal der drangsalierten Minderheit nicht ungesühnt zu lassen und um den Druck auf das KP-Regime zu erhöhen, beschlossen die Außenministerinnen und Außenminister der 27 EU-Staaten am Montag erstmals seit 1989 Sanktionen wegen Menschenrechtsverletzungen gegen China, konkret: gegen vier aus EU-Sicht für die Unterdrückung der Minderheit verantwortliche Parteikader sowie gegen das sogenannte "Xinjiang-Produktions- und -Aufbaukorps", ein in der Provinz allmächtiges Wirtschaftshybrid, das mithilfe bewaffneter Milizen die systematische Unterdrückung der Uigurinnen und Uiguren exekutiert.

Unter den Adressaten der neuen Sanktionen befindet sich laut dem EU-Amtsblatt Official Journal auch Zhu Hailun, stellvertretender Parteisekretär in Xinjiang. Er gilt dem Westen als Architekt der Internierungslager. Sein Vermögen sowie jenes von drei anderen hochrangigen KP-Kadern und des Xinjiang-Produktions- und -Aufbaukorps wird eingefroren, niemand mehr in der EU darf dem Quartett sowie dem Unternehmen Geld zukommen lassen. Und auch mit einem Einreisebann in die EU werden die Beschuldigten versehen, heißt es im EU-Amtsblatt.

Sanktionen aus Peking

Es sollte nicht lange dauern, bis Peking auf die Breitseite aus Europa reagierte – und seinerseits Sanktionen verhängte. Die EU solle ihren "schweren Fehler" schleunigst "korrigieren" und sich nicht in "interne Angelegenheiten" Chinas einmischen, ließ das chinesische Außenministerium binnen einer Stunde verlauten. Zehn Personen sowie vier Körperschaften, die der "Souveränität Chinas Schaden zugefügt" hätten, stünden fortan auf der Sanktionsliste Pekings, hieß es.

Unter den betroffenen EU-Abgeordneten sind die Deutschen Reinhard Bütikofer (Grüne) und Michael Gahler (CDU). Auch nationale Parlamentsabgeordnete in den Niederlanden, Belgien und Litauen, das Mercator Institute for China Studies in Berlin und die Alliance of Democracies Foundation in Dänemark werden sanktioniert. Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg hält die neuen Sanktionen gegen chinesische Beamte wegen des Umgangs mit der uigurischen Minderheit hingegen für ein "wichtiges Signal". Man habe so ein flexibles Werkzeug zur Hand, um schnell auf Menschenrechtsverletzungen reagieren zu können, sagte er.

Auch Myanmar im Fokus

Doch nahmen die EU-Außenministerinnen und -minister auf ihrer Tagung am Montag, der auch US-Außenminister Antony Blinken einen Antrittsbesuch abstattete, neben China auch andere Länder ins Visier. Der Chef der myanmarischen Militärjunta, Min Aung Hlaing, und zehn weitere Verantwortliche für den Militärputsch im Februar wurden mit ähnlichen Sanktionen belegt wie jene, die gegen die Chinesen verhängt wurden.

Und auch die Suche nach einem neuen Umgang mit der Türkei und ihren umstrittenen Erdgaserkundungen im östlichen Mittelmeer sowie ihrem Austritt aus der Istanbul-Konvention für Frauenrechte stand auf dem Programm. (Florian Niederndorfer, 22.3.2021)