Objekt von Bri Williams als Zeichen einer brutalen Welt.

Foto: Eva Wurdinger

Willkommen im Jenseits! Verwelkte Blumensträuße rotten in ihrem Saft dahin, die in Vitrinen gestellten Arrangements sind bereits vom Schimmelflaum befallen. Flussverläufe plätschern ungestört auf Videoscreens, Spinnennetze und Blüten dösen auf Naturfotografien vor sich hin. Ist die Katastrophe schon vorbei, steht sie uns noch bevor?

Betritt man den Kunstraum Niederösterreich in der Wiener Innenstadt, betritt man einen unwirklichen Ort. Ganz offen wird hier mit dem Gedanken gespielt: Geht die Welt zugrunde? Und wenn ja, wäre das so schlimm?

Ausgehend von Denkern und Theoretikerinnen der Black Radical Tradition wie Denise Ferreira da Silva oder Fred Moten tastet sich die Gruppenschau Life constantly escapes an alternative Realitäten heran. Dabei sollen dichotome Kategorien hinterfragt und die moderne Logik aufgebrochen werden: Was passiert eigentlich, wenn wir uns jenen Strukturen verweigern?

Relikte erinnern an Zivilisation

Dies wollte die Gastkuratorin Andrea Popelka im Ausstellungsraum versuchen, sie experimentiert mit dem Gedanken, dass die gezeigten Kunstwerke nicht singulär gesehen werden, sondern in ständiger Korrespondenz. Sie stehen nicht für sich, sondern gehen ineinander über – und erzeugen so eine Imagination einer anderen Welt.

In dieser ist die Soundinstallation von Ahya Simone zentral, bei der Klangkompositionen mit Harfenmusik durch einen Bewegungsmelder ausgelöst werden. Diesen einmal betätigt, begleitet einen die Symphonie durch die menschenleere Landschaft. Nur ein paar Relikte erinnern an die Zivilisation: aufgespannte Segel mit zu Boden gefallenen Ketten oder aus Alufolie gefaltete Flugzeuge. Sind sie eigentlich alle abgestürzt? Wie silberne Leichname liegen sie im Raum verteilt und erinnern an Tage des ungehemmten Jetsets.

Sonnenuntergang als Lichtblick

Zum anderen sind da noch Fragmente einer unfertigen Trilogie der Science-Fiction-Autorin Octavia E. Butler. Vor ihrem Tod konnte sie diese nicht mehr zu Ende bringen, den dystopischen Ort nicht fertig entwerfen. Ihre Hinterlassenschaft hat nun ihren Platz gefunden.

Dass diese Welt nicht nur eine friedliche ist, sondern auch ihre brutalen Seiten hat, bringen die Objekte von Bri Williams am stärksten zum Ausdruck: Aus Wachs, Seife oder Harz gegossen, scheinen sie zart, doch ihr Inneres besteht aus zerbrochenen Spiegelsplittern oder rostigen Eisenbahnnägeln.

Wie der letzte Mensch wandelt man umher, die Harfe spielt, der Fluss rauscht – alles wird eins. Durch ein in die Wand geschlagenes Loch blickt man direkt auf einen Sonnenuntergang.

Vielleicht wird es ja gar nicht so schlimm. (Katharina Rustler, 23.3.2021)