In Frankreich dürfen sich Ehepartner laut Gerichtsurteil nicht zu lange sexuell verweigern.

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27 Jahre war die heute 66-jährige Französin verheiratet. 2015 reichte sie schließlich die Scheidung ein. Sie sei unglücklich, ihr Mann sei nie zu Hause und er habe sie regelmäßig bedroht und sei übergriffig geworden. Der Justizwachebeamte reagierte und beschuldigte die Frau, seit Jahren schon ihren sogenannten "ehelichen Pflichten" nicht nachgekommen zu sein. Sprich: Sie habe keinen Sex mehr mit ihm gewollt.

Das bestätigte die 66-Jährige, die nach einem Arbeitsunfall behindert ist, auch und verwies auf ihren Gesundheitszustand bzw. die wiederholte Gewalt ihres Mannes.

Unannehmbares Zusammenleben

Im französischen Zivilrecht steht nirgendwo explizit, dass Ehepartner miteinander schlafen müssen und eine Verweigerung des Sex quasi Ehebruch gleichkommt, doch ebenso hat ein Berufungsgericht in Versailles entschieden. Die 66-Jährige trage dementsprechend die alleinige Schuld an der Scheidung. Die Begründung dafür: Sie habe "in schwerer und wiederholter Weise ihre ehelichen Pflichten in einer Art und Weise verletzt, die ein weiteres Zusammenleben (für ihren Mann) unannehmbar gemacht hat". Überraschend hat dem Urteil vor kurzem das Kassationsgericht in Paris zugestimmt – die höchste Instanz in Frankreich.

Damit bleibt der Frau nur noch der Gang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, den sie auch mit Unterstützung seitens feministischer Organisationen antreten will. Der Vorwurf gegen die französische Rechtsprechung: "Einmischung in das Privatleben" und "Verletzung der moralischen und körperlichen Integrität".

Im Jahr 1996 gab es ein ähnliches Urteil eines Gerichts in Amiens. Damals war festgestellt worden, dass dem Mann zwar aus medizinischen Gründen über einen Zeitraum von mehreren Wochen der Sex verweigert werden dürfe. Jedoch dürfe das nicht über ein Jahr hinweg geschehen, wenn es nicht im gegenseitigen Einvernehmen stehe. (red, 22.3.2021)