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In Niederösterreich sind Zweitwohnsitzer wahlberechtigt – wenn der Bürgermeister findet, dass sie in der Gemeinde ausreichend verwurzelt sind.

Foto: dpa-Zentralbild/Robert Michael

St. Pölten – Es scheint tatsächlich die unendliche Geschichte in der niederösterreichischen Landespolitik zu sein: Die Querelen um das Wahlrecht für Bürgerinnen und Bürger mit Nebenwohnsitz. Eine von der mit absoluter Mehrheit regierenden Volkspartei angekündigte Reform wurde nie umgesetzt – nun melden sich die Grünen mit einem neuen Vorstoß zu Wort.

Worum geht's? Vor dem Jahr 2017 durften in Niederösterreich alle Zweitwohnsitzer wählen. Das führte zu etlichen Problemen mit Personen, die sich in einer Gemeinde offenbar nur für die Stimmabgabe gemeldet hatten. Mit einer Reform versuchte das Land das Thema einzufangen: Künftig sollten nur noch jene Zweitwohnsitzer wahlberechtigt sein, die mit der Gemeinde wirtschaftlich, beruflich oder gesellschaftlich verbunden sind.

ÖVP versprach Rechtssicherheit

Das mussten diese auch in einem Formular begründen – die Entscheidung über Streichung oder Verbleib in der Wählerevidenz fällte aber die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister. Die Folge: Chaotische Zustände bei der Landtagswahl 2018. Während einige Ortschefs viele Zweitwohnsitzer von der Wählerliste strichen, behielten andere alle in der Evidenz. Es entstand ein Anschein von Willkür, schließlich konnten sich die Bürgermeister alleine aussuchen, wer sie wählen durfte und wer nicht – DER STANDARD berichtete.

Die ÖVP verteidigte die Regelung damals, nach der Wahl gestand sie aber Reformbedarf ein und versprach, Rechtssicherheit zu schaffen. Vorbild sollte das Modell des einzigen anderen Bundeslands sein, in dem Nebenwohnsitzer wahlberechtigt sind: des Burgenlands. Dort müssen Nebenwohnsitzer einen Fragebogen ausfüllen, der ihre Verankerung in der Kommune belegen soll. Bis zur Gemeinderatswahl 2020, so die niederösterreichische Volkspartei, würden die neuen Regeln umgesetzt werden.

Reform gescheitert

Doch das ist nicht passiert, auch 2020 galten die umstrittenen Regelungen: Denn die Volkspartei hat für die Wahlrechtsreform nicht die notwendige Zweidrittelmehrheit im Landtag gefunden. Nur für einen kosmetischen Minimalkompromiss hat es gereicht: Die wirtschaftliche, berufliche oder gesellschaftliche Verankerung ist nun auch im Landesbürgerevidenzgesetz verankert.

Grüne wollen frühen Stichtag

Den Grünen reicht das nicht. "Wir fordern die ÖVP auf, das zu tun, was sie versprochen haben", sagt Landessprecherin Helga Krismer zum STANDARD. Sie bringt einen neuen Vorschlag in die Debatte ein: Statt der aufwendigen Prüfung verschiedener Kriterien soll der Stichtag für Zweitwohnsitzer einfach nach hinten verlegt werden. Zur Wahl sollen dann nur jene Bürgerinnen und Bürger mit Nebenwohnsitz zugelassen sein, die schon ein Jahr vor dem Wahltag in der Gemeinde gemeldet sind. Und bei Landtagswahlen sollen überhaupt nur Hauptwohnsitzer stimmberechtigt sein. Das würde zumindest kurzfristigen Wahltourismus unterbinden.

Die Chancen auf Umsetzung stehen schlecht. Im Landtag wurde Krismers Antrag nicht einmal zur Diskussion zugelassen. Und aus dem ÖVP-Klub heißt es zum STANDARD, beim Wahlrecht sei ohnehin alles in Ordnung: Die (anfangs erwähnte, kosmetische) Änderung im Landesbürgerevidenzgesetz entspreche "auch dem Arbeitsübereinkommen mit den anderen Regierungsparteien, womit das System des Wahlrechts für Zweitwohnsitzer außer Streit gestellt wurde". Der grüne Vorschlag mit dem vorverlegten Stichtag sei "verfassungsrechtlich nicht möglich". (Sebastian Fellner, 25.3.2021)