Aus Untersuchungen zu anderen Impfungen wie etwa gegen Influenza ist bekannt, dass Frauen anders reagieren als Männer.

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Die Meldungen der vergangenen Tage ließen aufhorchen. Jene schweren Fälle von sehr seltenen Hirnvenenthrombosen, die dazu geführt hatten, dass einige Länder einen zumindest kurzfristigen Impfstopp für Astra Zeneca verhängten, betrafen vor allem Frauen. In Deutschland waren bis Freitag 14 Fälle von Blutgerinnseln im Gehirn bekannt, die in zeitlichem Zusammenhang mit einer Astra-Zeneca-Impfung auftraten. Dabei handelt es sich um 13 Frauen und einen Mann im Alter von 20 bis 63 Jahren. Drei von ihnen sind gestorben, am Samstag wurde ein weiterer Todesfall gemeldet. In Österreich sorgte der Fall einer Krankenschwester aus dem Landesklinikum Zwettl, die zehn Tage nach der Impfung verstarb, für Aufsehen.

Zwar haben deutsche und österreichische Forschende vergangene Woche vermeldet, einen Zusammenhang zwischen der Immunreaktion nach einer Impfung und der äußerst seltenen Gerinnungsstörung gefunden zu haben. Die Ergebnisse müssen jedoch noch fachbegutachtet werden und werden von Fachexperten als spekulativ betrachtet. Selbst wenn sich dieser Zusammenhang erhärten sollte: Die europäische Arzneimittelagentur (EMA) empfiehlt weiterhin den Einsatz des Impfstoffs, da der Nutzen bei der Bekämpfung der Gefahren durch Covid-19 die Risiken bei weitem überwiege.

Kein erhöhtes Thromboserisiko durch Impfung

Insgesamt sind der EMA bis 17. März 18 Fälle von Hirn- oder Sinusvenenthrombosen und sieben Fälle spezieller Gerinnsel in mehreren Gefäßen gemeldet worden – bei rund 20 Millionen Impfungen mit Astra Zeneca in Großbritannien und der EU. Ein Zusammenhang zur Impfung sei nicht erwiesen, der Impfstoff sei sicher, ein Warnhinweis soll auf mögliche seltene Fälle von Hirnvenenthrombosen aufmerksam machen. Auch in einer neuen Studie mit Daten aus den USA, Peru und Chile zu Astra Zeneca konnte kein erhöhtes Thromboserisiko festgestellt werden. Die Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH) sieht in einer aktuellen Stellungnahme ebenfalls kein erhöhtes Risiko für eine seltene Blutgerinnungsstörung nach einer Impfung.

"Es ist lange bekannt, dass Thrombosen bei Frauen häufiger als bei Männern auftreten", sagt Margarethe Hochleitner, Gendermedizinerin an der Medizinischen Universität Innsbruck. Vermutet wird, dass Hormone und insbesondere Hormonschwankungen, denen Frauen in weit höherem Ausmaß ausgesetzt sind als Männer, dabei eine Rolle spielen. Auch die Einnahme der Pille erhöht das Risiko für Thrombosen – insbesondere in Kombination mit Rauchen. Auch bei Sinusvenenthrombosen ist bekannt, dass gerade jüngere Frauen betroffen sind.

Statistische Verzerrung?

Die EMA habe auch festgestellt, dass gängige Venenthrombosen, die typischerweise in den Beinen auftreten, nicht gehäuft im Zusammenhang mit der Impfung aufgetreten seien, wie Sabine Eichinger-Hasenauer von der Medizinischen Universität Wien betont. Die Hämatologin ist an der Erforschung jenes seltenen Krankheitsbilds beteiligt, bei dem Hirnvenenthrombosen in Kombination mit einer starken Verringerung der Blutplättchen auftreten, was die Wissenschafter auf eine fehlgeleitete Immunreaktion zurückführen. Ob und wie das tatsächlich mit der Impfung zusammenhängt und ob das auch bei anderen Impfstoffen der Fall sein könnte, ist derzeit nicht ausreichend belegt.

"Momentan sieht es so aus, dass eher Frauen im Alter von 20 bis 55 Jahren eine derartige seltene Komplikation entwickeln", sagt Eichinger-Hasenauer. Es könne sich aber auch um eine statistische Verzerrung handeln, da derzeit viele jüngere Menschen aus weiblich geprägten medizinischen Berufen und dem Bildungsbereich geimpft werden und Astra Zeneca zunächst nicht für Menschen über 65 Jahren empfohlen worden ist – eine Vermutung, die auch der Virologe Christian Drostenäußerte. Einig sind sich Expertinnen und Experten, dass dem Phänomen nun genau auf den Grund gegangen werden müsse.

Stärkere Immunantwort

Gut belegt ist jedenfalls, dass sich die Immunsysteme von Frauen und Männern unterscheiden. Sowohl bei jüngeren Menschen als auch bei Frauen ist die Immunabwehr grundsätzlich stärker. Frauen sind auch in höherem Alter besser gerüstet, sogar mit schweren Krankheiten zurechtzukommen, während Männer häufiger an ihnen sterben. Das liegt in der Schutzfunktion weiblicher Sexualhormone wie Östrogen begründet, hat aber auch mit immunsystemstärkenden Genen in den bei Frauen doppelt vorhandenen X-Chromosomen zu tun.

Auf der anderen Seite entwickeln Frauen durch ihre stärkere Immunantwort häufiger und stärkere Nebenwirkungen (und bilden auch mehr Antikörper), wie Untersuchungen an vielen Impfstoffen wie etwa gegen Influenza gezeigt haben. Die heftigere Reaktion führt auch dazu, dass der Frauenanteil bei Autoimmunerkrankungen bis zu 80 Prozent beträgt. Außerdem sind schwere allergische Reaktionen auf Impfungen, wie ein anaphylaktischer Schock, bei Frauen häufiger.

Unterschiedliche Dosierung für Frauen und Männer

Zu den Geschlechterunterschieden bei Nebenwirkungen der aktuellen Corona-Impfstoffe liegen allerdings so gut wie gar keine Daten vor, beklagen Wissenschafterinnen wie Margarethe Hochleitner. Erste Erhebungen nach 13,7 Millionen Impfungen wurden im Februar von der US-Behörde Center for Disease Control and Prevention (CDC) veröffentlicht. Demnach kamen rund 79 Prozent der Meldungen über (normale) Nebenwirkungen von Frauen, die 61 Prozent der Impflinge stellten. Das könnte aber abgesehen von biologischen Ursachen auch daran liegen, dass Frauen bei gleichen Symptomen eher Nebenwirkungen melden als Männer, gibt die Gendermedizinerin Hochleitner zu bedenken.

Studien in der Vergangenheit haben jedenfalls gezeigt, dass bei Frauen auch mit geringeren Impfdosen derselbe Effekt erzielt wird. "Die Pharmaunternehmen sollten verschiedene Impfdosierungen für Frauen und Männer entwickeln", sagt Hochleitner. "Das ist besonders relevant, wenn es ohnehin einen Mangel an Impfstoffen gibt."

Fest steht für die Wissenschaft, dass trotz häufiger Nebenwirkungen und äußerst seltener schwerer Fälle die Impfung auch für Frauen das kleinere Risiko darstellt. Denn wie eine eben in "Nature Medicine" publizierte Studie zeigt: Langanhaltende Symptome nach einer Covid-Erkrankung, auch bekannt unter Long Covid, sind wahrscheinlicher mit zunehmendem Alter und Body-Mass-Index – sowie bei Frauen. (Karin Krichmayr, 25.3.2021)