Viele Personen, die hier untergerbacht werden, haben eine psychische Erkrankung.

Foto: Christian Fischer

Weder die Zimmer noch die Unterkunft werden verschlossen, versichern die Verantwortlichen.

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Sozialarbeiterin Mirjam Gerstbach im Dienst mit Kollegen.

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Für das "Ein- und Ausschleusen" gelten strenge Vorschriften.

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Als Erstes schlüpft Mirjam Gerstbach mit dem rechten Fuß in den weißen Anzug. Nachdem der am ganzen Körper sitzt, folgen die blauen Plastiküberzieher auf den Füßen, Maske, Brille, zwei Paar Handschuhe und Kapuze, dazwischen mehrere Male desifinzieren. Mittlerweile hat die 26-Jährige die einzelnen Handgriffe intus.

Seit Oktober ist die Sozialarbeiterin in einem Quarantänequartier im 13. Bezirk tätig. Ein ehemaliges Gebäude des Krankenhauses Hietzing wurde umfunktioniert, sodass dort Personen unterkommen können, die in behördlich angeordnete Quarantäne müssen und keine andere Möglichkeit haben. Entweder weil sie überhaupt keine Wohnung haben, oder weil sie in einer Unterkunft wohnen, die ungeeignet ist, weil kein Platz zum Isolieren bleibt – so wie etwa in einem Asylwerberheim.

In dem vom Samariterbund und der Volkshilfe betriebenen Quartier sind derzeit zehn Personen untergebracht. Neun davon sind als Kontaktperson eingestuft, eine wurde positiv getestet, hat aber einen milden Verlauf. Sie ist allein im zweiten Stockwerk untergebracht. Auch eine Familie ist hier.

Kontaktangebot

Das Gebäude ist in die Jahre gekommen, das sieht man auch an der Einrichtung. Klo und Dusche sind am Gang. Doch in der Regel gibt es ein WC pro Person. Nachdem die Auslastung derzeit gering ist, steht auch jeder Person ein eigenes Zimmer zur Verfügung. Die bestehen aus zwei gegenüberliegenden Krankenhausbetten, dazwischen steht eine Bierbank mit Tisch. Dort essen die Isolierten – allein, schließlich soll die Infektionsgefahr minimiert werden. Kontakt gibt es vor allem zu Sanitätern, die Fieber messen, und den Sozialbetreuern. Nur auf dem Gang und im Raucherzimmer könnte man theoretisch auch auf andere treffen.

Wenn Gerstbach durch die Gänge streift, bietet sie jedem ein Gespräch an. Bis zu dem Zeitpunkt des Termins war nicht klar, ob es möglich sein wird, dass der STANDARD auch mit den Klientinnen und Klienten reden kann. Vor Ort bitten die Verantwortlichen dann um Verständnis, dass dies nicht möglich sei – denn die Stimmung sei derzeit angespannt.

Das besondere an der Unterkunft: Es gibt ein Team aus Sozialarbeitern, das die Isolierten in psychosozialer Hinsicht betreut. Es bietet Entlastung, hält Kontakt mit anderen Betreuungseinrichtungen oder führt einfach nur Gespräche. Das gibt es in der Form laut den Verantwortlichen sonst nirgendwo. In anderen Quartieren werden Sozialarbeiter wenn, dann nur fallweise hinzugezogen. Dabei häufen sich aufgrund der Lebensumstände psychische Erkrankungen bei diesen Gruppen.

Etwa 140 Personen sind derzeit insgesamt in vom Samariterbund betreuten Quartieren in Wien untergebracht. Vier derartige Quartiere gibt es in Wien, die Kapazität liege bei etwa 200 Personen, teilt das Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) mit. Es gebe jedoch Reserven, die notfalls angezapft werden könnten. Wie viele solcher Unterkünfte es bundesweit gibt, weiß man im Gesundheitsministerium nicht.

Kein erzwungener Entzug

Das Projekt in Hietzing ist wohl auch eine Lehre aus Missständen, die in der Vergangenheit in diesem Bereich publik wurden: etwa die Zustände in der Messehalle Wien, nachdem dort auf einen Schlag 300 Flüchtlinge aus ihrem Quartier in Erdberg hinverlegt wurden. Zuvor waren einige der Personen positiv getestet worden, an die 260 Personen wurden als Kontaktpersonen abgesondert. Es gab Probleme beim Abstandhalten, auch die Essensversorgung wurde kritisiert. Damals waren anfangs nur zwei Sozialarbeiter vor Ort, um auf die Bedürfnisse der zum Teil durch die Flucht traumatisierten Menschen einzugehen. Doch auch in anderen Fällen, wo ganze Massenunterkünfte unter Quarantäne gestellt wurden und sich auch Suchtkranke darunter befanden, kam es zu Problemen.

Dass es dazu nicht kommt, darauf soll in diesem Quartier ein spezielles Augenmerk gelegt werden: Denn zu einem erzwungenen Entzug soll es während des Aufenthalts nicht kommen. Wer sich noch nicht in einem Substitutionsprogramm befindet, erhält in Absprache mit der Suchthilfe entsprechende Medikation. Bier und Wein werden bei medizinischem Bedarf zudem in "sozial verträglichen Dosen" ausgeschenkt.

Kein Festhalten

Das Verständnis, hier die Quarantäne absitzen zu müssen, ist bei manchen Personen trotzdem enden wollend. Besonders gegen Ende der Quarantäne spitze sich die Situation manchmal zu, erzählt ein Betreuer. Oft landen Personen auch mehrere Male hier: Schlicht weil sie in Verhältnissen leben, die eng und dadurch risikobehaftet sind.

Im Raucherraum gibt es auch Fenster, die sich öffnen lassen. Schaut man dort raus, sieht man einen Garten. Der ist jedoch umzäunt. Auf diesem Weg kommt man also nicht nach draußen. Im Gang sitzen zudem Securitymitarbeiter einer privaten Sicherheitsfirma. Diese seien aber nur zum Schutz der Mitarbeiter da, betont der Samariterbund. Hat sich jemand in den Kopf gesetzt, das Quartier zu verlassen, dann werde die Person nicht physisch daran gehindert – auch nicht durch das Securitypersonal. Selten komme es zu derartigen Vorfällen, meist bringt die Polizei diese Personen wieder zurück. In dem Quartier in Hietzing gab es einen derartigen Zwischenfall noch nicht.

Nach einer guten Stunde ist Gerstbach mit ihrer ersten Runde fertig. Bevor sie wieder aus der "roten Zone" ausgeschleust wird, wie der Quarantänebereich unter den Mitarbeitern genannt wird, muss sie alle Gegenstände, die sie mit reingenommen hat, desinfizieren oder folieren. Sogar Zettel. Weil die Betreuer durch die Schutzausrüstung für die Quarantänierten nur sehr schwer zu erkennen sind, zeigen sie am Anfang ein Foto von sich her. Das Ziel pro Dienst: einmal Kontakt mit jedem Klienten. Wenn diese das wollen. (Vanessa Gaigg, 2.4.2021)