Drohungen funktionierten bei ihr nicht, sagt Agnès Callamard, die bald für Amnesty International arbeiten will.

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London/Istanbul – Im Mordfall Khashoggi belastete sie das saudische Königshaus schwer – nun hat UN-Sonderberichterstatterin Agnès Callamard die rüde Reaktion darauf öffentlich gemacht. Ein ranghoher Vertreter der saudischen Regierung habe bei einem Treffen im Jänner 2020 in Genf gleich zweimal damit gedroht, sie "erledigen zu lassen", wenn sie nicht vor den Vereinten Nationen zurückhalten werde, sagte Callamard dem "Guardian". Das habe ihr ein damals anwesender UN-Kollege erzählt.

Auf die Frage, wie ihre in Genf ansässigen Kollegen die Bemerkung damals verstanden hätten, antwortete Callamard: "Eine Todesdrohung. So wurde es verstanden."

Spezialkommando ließ Khashoggi töten

Jamal Khashoggi war am 2. Oktober 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul von einem Spezialkommando aus Riad getötet worden. Die Führung des islamisch-konservativen Königreichs war danach scharfer Kritik ausgesetzt. Die saudische Regierung räumte den Mord erst auf internationalen Druck hin ein.

Die Spuren führten damals bis in das engste Umfeld des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, des eigentlich starken Mann des Landes. UN-Sonderberichterstatterin Agnès Callamard kam in einem Untersuchungsbericht zu dem Schluss, dass es glaubwürdige Hinweise auf eine mögliche persönliche Verantwortung des Thronfolgers und anderer ranghoher Vertreter Saudi-Arabiens gebe. Bin Salman bestritt jedoch, die Ermordung Khashoggis angeordnet zu haben.

Drohungen bei hochrangigem Treffen

Callamard sagte dem "Guardian", die mutmaßlichen Drohungen seien bei einem hochrangigen Treffen von saudi-arabischen Diplomaten und Vertretern der Vereinten Nationen in Genf gefallen. Ihre Ermittlungsarbeit zu dem Mordfall sei kritisiert worden. Ein hochrangiger saudischer Vertreter habe gesagt, ihm hätten Personen telefonisch mitgeteilt, sie seien bereit, sich um Callamard zu kümmern. Später habe er die mutmaßliche Drohung wiederholt. Er kenne Leute, die angeboten hätten, "sich um die Angelegenheit zu kümmern, wenn Sie es nicht tun".

Drohungen funktionierten bei ihr nicht, sagte Callamard, die demnächst für Amnesty International arbeiten will. "Es hat mich nicht davon abgehalten, so zu handeln, wie ich es für richtig halte." (APA, red, 24.3.2021)