"Wiener Zeitung" im März 2021: Regierung drückte beim geplanten Ende der Pflichtinserate nur auf die Pause-Taste, sagt ihr Chefredakteur.

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Nur die "Pausetaste" hat die Regierung gedrückt, aber das existenzbedrohende Ende der Pflichtinserate ist keineswegs abgesagt: So beschreibt Chefredakteur Walter Hämmerle die Lage der republikseigenen Zeitung am Mittwoch in einer Diskussion des Presseclubs Concordia.

"Sofortiger Tod"

"Die Überlebensfrage für die Wiener Zeitung steht im Regierungsübereinkommen" auch von ÖVP und Grünen, erinnert Hämmerle an das Problem: Vereinbart ist die Abschaffung der Pflichtveröffentlichungen im gedruckten Amtsblatt der "Wiener Zeitung". Und die führt in der derzeitigen Finanzierung, die größtenteils auf diesen Pflichtveröffentlichungen fußt, "zum sofortigen Tod: Die gesamte Finanzierungsgrundlage würde damit auf einen Schlag wegbrechen."

Die Pflichtveröffentlichungen von Unternehmen künftig digital abzuwickeln, sei "richtig und wichtig", sagt Hämmerle, eine logische Dienstleistung für die Wirtschaft. Aber wenn die "Wiener Zeitung" sie übernimmt, wäre das nach dem EU-Beihilfenrecht wohl eine neue Beihilfe – die bisherigen Veröffentlichungspflichten gab es schon vor dem EU-Beitritt 1995, die Union hat sie mit der Aufnahme Österreichs akzeptiert.

Hämmerle schließt daraus: "Ohne politischen Willen gibt es keine Zukunft für die ,Wiener Zeitung' als Qualitätstageszeitung der Republik", weil "keine ökonomische Existenzgrundlage" gegeben ist.

Kulturgut und Boulevard-Goodies

Ein Kulturgut würde damit verloren gehen, die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt, warnte Ulla Kramar-Schmid (ORF) in der Debatte. Kommunikationswissenschafter Fritz Hausjell und Alexandra Föderl-Schmid, stellvertretende Chefredakteurin der "Süddeutschen Zeitung", appellierten an die türkis-grüne Regierung, Medienfördermodelle für diese Qualitätszeitung zu schaffen, statt über gewaltige öffentliche Werbevolumina (223 Millionen Euro im Jahr 2020) "den Boulevard zu füttern" (Föderl-Schmid).

Hämmerle hofft auf "öffentliche Strukturen, damit Qualitätsjournalismus nicht nur überleben, sondern blühen und bestehen kann", räumt aber ein, dass das "für eine liberale Öffentlichkeit eine prekäre Balance" bedeutet.

Mäzene und Genossen

Fehle der politische Wille für den Erhalt der "Wiener Zeitung" als Qualitätstageszeitung, dann hofft er als eine Art Plan B auf "Mäzenatentum und eine zivilgesellschaftliche Bewegung" für ihren Erhalt.

Föderl-Schmid schlägt – neben Medienförderung nach klaren Qualitätskriterien – ein Genossenschaftsmodell für die "Wiener Zeitung" vor, wie es die linksalternative Berliner "taz" trägt. Die Republik könnte durchaus ein "großer Genossenschafter" sein. Aber jeder und jede auch nur gelegentliche Nutzer bzw. Nutzerin müsste sich fragen: "Was ist uns die ,Wiener Zeitung' wert?"

"Dann ist es vorbei"

Das jähe Ende der Rechercheplattform Addendum 2020, weil der Red-Bull-Boss und Financier die Lust daran verloren hat, nimmt Föderl-Schmid als warnendes Beispiel für Medienmäzene. Und Hämmerle räumt ein, dass diese "zumindest in diesem Land" gemeinhin "politische oder hardcore-ökonomische Interessen" verfolgten. Aber: "Das könnte eine Übergangsphase sein, um das Kulturgut 'Wiener Zeitung' in eine übernächste Phase zu bringen." Denn, so warnt Hämmerle: "Wenn man sie jetzt herunterfährt, dann ist es vorbei." (fid, 24.3.2021)