Der Pharmakonzern hat bisher nur rund 30 Millionen von ursprünglich vereinbarten 100 Millionen Dosen an EU-Länder ausgeliefert.

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Rom – Dass sich in der Abfüllfabrik von Anagni etwas finden würde, hatten sich die italienischen Justizbehörden schon gedacht, als sie am Samstag die Hallen der Firma Catalent durchsuchten. Das Unternehmen, 30 Kilometer südlich von Rom, füllt unter anderem für den Pharmakonzern Astra Zeneca Ampullen mit dessen Impfstoff ab – und lagert diesen offenbar dann auch. Das zumindest zeigten die Untersuchungen. 29 Millionen Dosen des Vakzins wurden entdeckt. Die Firma hatte die EU laut Berichten nicht über die Existenz der Dosen informiert.

Dass die Fabrik ins Auge der Ermittler gefallen ist, hat auch mit den Bemühungen von EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton zu tun. Er ist in der Union seit Wochen auch mit der Führung einer Impf-Taskforce beauftragt, die unter anderem der Frage nachgehen soll, was mit jenem Vakzin passiert ist, das sich die EU vertraglich gesichert hat, das aber trotzdem nicht im Verlauf des ersten Quartals angekommen ist. Vor allem Astra Zeneca, das für den Zeitraum ja 100 Millionen Dosen zugesichert hatte, fällt durch Ausfälle auf.

Was mit den 29 Millionen nun gefundenen Dosen passieren sollte, war zunächst nicht ganz klar. Die italienische Zeitung "La Stampa", die gemeinsam mit dem französischen Radiosender Europe 1 zuerst über den Fund berichtet hatte, spekuliert folgendermaßen: Die Impfdosen seien für Großbritannien gedacht gewesen. Sie seien nach der Ankündigung der EU von Ende Jänner, Exporte stärker zu kontrollieren, aber nicht dorthin gebracht worden.

Astra Zeneca dementiert

Astra Zeneca wies die Vorwürfe zurück. Der Impfstoff sei nach Italien zur Abfüllung gebracht worden, dort solle auch die Qualitätskontrolle durchgeführt werden. 16 Millionen der Impfdosen seien für Europa bestimmt gewesen, zehn Millionen davon sollten bereits nächste Woche an EU-Länder verteilt werden. Die restlichen 13 Millionen wären für das internationale Impfprogramm Covax gedacht, das von der EU unterstützt wird. Dieser Impfstoff sei außerhalb Europas produziert worden. Wo die übrigen 16 Millionen Impfdosen produziert wurden, erklärte Astra Zeneca nicht.

Zuvor hatte es in Berichten noch geheißen: Zumindest einige der Vakzine würden aus der niederländischen Fabrik Halix stammen, die eigentlich gemeinsam mit einer zweiten Anlage im belgischen Seneffe für die EU produzieren sollte. Jedoch ist die Anlage, obwohl dort längst gearbeitet wird, immer noch nicht von der Arzneimittelbehörde EMA zugelassen. Die EMA und Astra Zeneca geben einander gegenseitig die Schuld.

Unklar ist, wieso Astra Zeneca Impfstoff in dieser Menge in einer Fabrik lagert, ohne die EU zu informieren. Immerhin geht die Kommission seit Wochen unter Hochdruck der Frage nach, wie viel Vakzin von Halix bereits produziert wurde. Die deutsche Regierung ließ wissen, die 29 Millionen Dosen sollten an die EU gehen. Für die Union wäre dies eine massive Erhöhung ihres Vorrats. Die gesamte bisher im ersten Quartal für die EU angekündigte Menge des Astra-Zeneca-Vakzins entspricht auch nur rund 30 Millionen Dosen.

Allerdings würden die zehn Millionen Dosen auch eine andere Diskrepanz erklären: Geplant ist im ersten Quartal derzeit laut EU eine Liefermenge von 30 Millionen Dosen, bisher in die Länder verteilt wurden laut dem Dashboard der europäischen Gesundheitsagentur ECDC aber nur 17 Millionen Dosen.

PR-Desaster

Für Astra Zeneca ist es jedenfalls das nächste PR-Desaster. Ein weiteres hatte es erst kürzlich gegeben: Die Firma hatte Montag in einer Presseerklärung behauptet, dass die Daten einer großen US-Studie einen 79-prozentigen Schutz vor symptomatischen Infektionen zeigen würde – mehr als bisher vermutet. Doch konkrete Zahlen legte sie nicht vor.

Die US-amerikanischen National Institutes of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) wies auf Basis vom Data and Safety Monitoring Board, das Studien überwacht, die Angabe als veraltet zurück; auch Anthony Fauci zeigte sich über die Angaben wörtlich "fassungslos". Tatsächlich zeigten neuere Analysen eine Wirksamkeit von "nur" 69 bis 74 Prozent. (Manuel Escher, Klaus Taschwer, 24.3.2021)