Harte Bandagen im Autohandel sind üblich. Die französische PSA-Group mit Peugeot, Citroen, DS und Opel blitzte vor dem Höchstgericht ab.

Foto: EPA / Christophe Petit Tesson

Wien – Dieses Urteil hat der Fahrzeughandel in Österreich ersehnt: Der Oberste Gerichtshof als Kartellobergericht hat Peugeot Austria dazu verdonnert, den Missbrauch seiner Marktmacht gegenüber seinen Fahrzeughändlern binnen drei Monaten abzustellen. Das geht aus dem Spruch des Höchstgerichts hervor, der dem STANDARD vorliegt.

Das Urteil (16 Ok 4/20d) ist rechtskräftig. Demnach hat Peugeot Austria als Generalimporteur seine Marktmacht jahrelang überzogen. Geklagt hatte der oberösterreichische Peugeot-Händler Büchl GmbH, um sich gegen zunehmend erdrückende Vorgaben und Kostenüberwälzungen seines Fahrzeuglieferanten und Vertragspartners zu wehren.

Signalwirkung

Die Signalwirkung ist erheblich. Denn das Erkenntnis gelte explizit nicht nur für den oberösterreichischen Peugeot-Händler, sondern für alle Handelsbetriebe und Fahrzeugmarken hierzulande, sagt der auf Kartellrecht spezialisierte Rechtsanwalt Peter Thyri, der Büchl rechtsfreundlich vertreten hat. Wiewohl Hersteller und Importeure anderer Automarken die Bedeutung auf Peugeot Österreich begrenzt sehen: Der Spruch wird in der gesamten Branche Wirkung entfalten, denn Absatz- und Margenvorgaben sowie Vertragsschablonen anderer Konzerne sind jenen des Peugeot-Vertriebs vielfach sehr ähnlich. Zudem wurde im Einklang mit der deutschen und europäischen Judikatur geurteilt.

EU-Binnenmarkt differenziert

Auch Rechtsanwalt Johannes Öhlböck sieht im Urteil eine Bedeutung für die gesamte Branche. Es bestätige die marktbeherrschende Stellung des Importeurs im Verhältnis zum Kfz-Betrieb, also Handel und Werkstätte. Einen Präzedenzfall für den gesamten Binnenmarkt sieht Öhlböck allerdings nicht automatisch. Denn das österreichische Kartellrecht habe Eigenheiten. So gilt auch ein Unternehmer als marktbeherrschend, der eine im Verhältnis zu seinen Abnehmern (oder Lieferanten) eine überragende Marktstellung hat. oder ein Handelsunternehmen von einem bestimmten Warensortiment (Markenartikel) abhängig ist. Entscheidend für die Beurteilung seien die Ausweichmöglichkeiten und Alternativen sowie die Abhängigkeit.

Verkaufsziel und Zufriedenheit

Im Detail ist es Peugeot fortan verboten, die im Neuwagenvertrieb bei Erreichung der Absatzziele üblichen Prämienzahlungen an den Händler an Kundenzufriedenheitsumfragen zu koppeln. Auch die Überwälzung von Kosten etwa aus konzernweiten Audit-Systemen für das Neuwagen- und Werkstättengeschäft ist laut OGH nicht zulässig. Selbiges gilt auch für "Mystery Shopping", also versteckte Tests, mit denen anonym überprüft wird, ob der Handelspartner die Vorgaben des Importeurs auch tatsächlich einhält.

Neue Regeln bis 22. Juni

Bei Peugeot Austria reagiert man zugeknöpft. Zu Details oder Auswirkungen gab es keinen Kommentar. Ein Sprecher teilte mit: Man nehme den letztinstanzlichen Beschluss zur Kenntnis und werde ihn nun genau analysieren. Bis 22. Juni würden für die geforderten Punkte entsprechende Lösungen erarbeitet und umgesetzt.

Zu hoch geschraubte Verkaufsziele

Der Vergangenheit angehören dürften auch die von Händlern beklagten überhöhten Verkaufsziele seitens PSA, denn Peugeot wurde vom Gericht auferlegt, die Handelsspanne zu reduzieren, wenn die Händler diese von PSA bewusst überhöhten Verkaufsziele nicht erreichen und den Verkaufspartnern durch PSA-eigene Betriebe mittels gestützten Verkaufspreisen am Endkundenmarkt Konkurrenz gemacht wird.

Abzustellen sind binnen drei Monaten des weiteren übermäßig aufwendige Kontrollen im Werkstättenbetrieb und die Praxis, wonach zu gering vergütet wurde. Letzteres führte im Endeffekt dazu, dass Reparaturen innerhalb der Garantie- und Gewährleistungsfrist unrentabel wurden, weil der Hersteller den Aufwand nicht vollständig ersetzte.

Erfolg nicht auf allen Linien

Die streitbaren Peugeot-Händler haben sich allerdings nicht auf allen Linien durchgesetzt. Die Vorgaben für Design und Ausstattung der Verkaufslokale etwa "müssen wir akzeptieren", sagt ein mit der Materie vertrauter Peugeot-Händler. Das gilt auch für die nach Ansicht der Händler überhöhten Preise für Testfahrzeuge. Die Überwälzung von Schulungskosten hingegen hat der OGH eingeschränkt.

Freiheit der Preissetzung

Bei der Freiheit der Preissetzung, die einem Handelsbetrieb in Österreich grundsätzlich gewährt wird, bohrt das Gericht hingegen nach. Dem Erstgericht wurde eine Verfahrensergänzung aufgetragen. Im Kern geht es dabei um die vom Importeur festgesetzten Aktionspreise. Sie würden über den Kopf des Händlers hinweg festgesetzt und schränkten, da sie dem Endkunden de facto gewährt werden müssten, die Freiheit der Preissetzung bisweilen erheblich ein, sagt Thyri, die Händlerspanne werde dramatisch reduziert. Ob und wie weit dies zulässig ist, darüber muss das Kartellgericht entscheiden.

Für erlittenen Schaden entschädigt wird im Übrigen kein betroffener Händler automatisch. Aber mit dem OGH-Erkenntnis hat jeder einzelne Händler einen Exekutionstitel in Händen, sagt Anwalt Öhlböck. Aber jeder einzelne müsse den Schaden beim Importeur geltend machen. (Luise Ungerboeck, 24.3.2021)