Ratspräsident Charles Michel hofft auf eine Einigung, sicher ist diese keineswegs.

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Im Streit um eine Korrektur der Schieflage zwischen den 27 Mitgliedstaaten bei der realen Verteilung von Corona-Impfstoff zeichnete sich vor dem am Donnerstag beginnenden EU-Gipfel keine rasche Lösung ab. Der Lenkungsausschuss der Staaten versuchte, einen Kompromiss zu finden, wie die von der EU-Kommission vorgeschlagenen zehn Millionen Dosen per "Korrekturmechanismus" verteilt werden.

Alle Vorschläge wurden durchgerechnet und wieder verworfen, "die Fronten sind sehr hart", hieß es am Mittwoch in der Kommission, die sich als Vermittler versucht, "alle sind sich nur im Prinzip einig, dass es eine Korrektur geben soll". Es sollte jenen Staaten, die Ende Juni beim Impfen die größten Nachzügler sein werden, weil sie die ihnen angebotenen Optionen für Impfstoffe 2020 nicht zu hundert Prozent genutzt haben, geholfen werden.

Man streitet darum, welchen Staaten geholfen wird – und wie viel sie von Biontech/Pfizer bis Ende Juni in einer Ausnahmeaktion bekommen können. Einigt man sich auf Expertenebene nicht, müssen sich die Staats- und Regierungschefs um eine Lösung bemühen.

"EU-Basar"-Sager

Im Zentrum des Streits ist nach wie vor Österreich mit Bundeskanzler Sebastian Kurz, der die ganze Sache losgetreten, einen "EU-Basar" in Brüssel für die Ungleichverteilung verantwortlich gemacht hat. Eine Gruppe mit Dänemark, Niederlande und Deutschland, die sich neben Malta und Zypern sehr viel Impfstoff gesichert haben und abgeben müssten, trete sehr hart dagegen auf, dass Österreich mehr bekomme, hieß es in Verhandlerkreisen.

Sie wollen maximal ein Drittel dieses Korrekturkontingents an nur fünf der Nachzüglerländer abgeben: Bulgarien, Lettland, Tschechien, Slowenien und Kroatien. Die restlichen 6,6 Millionen Dosen sollen nach dem normalen vereinbarten Verteilungsschlüssel vergeben werden, wodurch die "Spitzengruppe" Vorteile hätte, weil sie von diesem Produkt besonders viel kaufte.

Österreich, das so wie auch Griechenland oder Rumänien stärker auf Astra Zeneca setzte, würde auf Druck von Dänemark und Deutschland nur wenig bis nichts zusätzlich aus dem Korrekturmechanismus erhalten. Kurz lehnt das ab. Da Einstimmigkeit nötig ist, ist eine Pattsituation eingetreten.

Zielvorgabe 58 Prozent

Im Text der vorbereiteten Gipfelerklärung wird besonders das gemeinsame Ziel betont, dass bis zum Sommer – bis 30. Juni – 70 Prozent der impffähigen EU-Bürger mindestens eine Dosis bekommen haben. Das entspricht 58 Prozent der Gesamtbevölkerung, weil nur Erwachsene ab 18 Jahren drankommen.

Das schafft zeitlichen Spielraum. Kann man sich (noch) nicht auf konkrete Ausgleichsmengen einigen, könnten die Regierungschefs vorläufig nur das Prinzip eines Korrekturmodus beschließen und mit der Verteilung aus dem Zusatztopf zuwarten. Denn: Welches Land wie weit vom Impfziel per Quartalsende entfernt ist, wird sich konkret wohl erst im Mai zeigen. Denn die Kommission erwartet, dass es ab April ohnehin zu einer deutlichen Steigerung bei der Auslieferung kommt. (Thomas Mayer, 25.3.2021)