Eine ältere Dänin wird gegen Covid-19 geimpft. Gerade ältere Personen dürften durch Impfungen viel besser gegen Sars-CoV-2 immunisiert sein als durch überstandene Infektionen.

APA / AFP / HENNING BAGGER

Aus Tschechien kamen zuletzt mehrere schlechte Nachrichten. Unser nördliches Nachbarland, das gut durch die erste Welle im Frühjahr 2020 kam, schlitterte im Herbst 2020 in die erste von mittlerweile drei Wellen mit verheerenden Folgen. Von etwas mehr als 10,7 Millionen Einwohnern sind bereits mehr als 25.000 an Covid-19 gestorben. Das macht Tschechien zum Land mit der höchsten Pro-Kopf-Todesrate weltweit, die aktuell bereits fast 0,24 Prozent beträgt.

Damit werden im Übrigen umstrittenen Berechnungen zum Sterberisiko von Sars-Cov-2 (IFR, infection fatality rate) des renommierten Gesundheitswissenschafters John Ioannidis noch problematischer, als sie es schon waren. Ioannidis ermittelte nämlich für Sars-CoV-2 eine IFR von 0,23 bzw. 0,27 – ein Wert, der immer wieder gerne von Corona-Verharmlosern ins Treffen geführt wird. (Zum Vergleich: Das Robert Koch Institut geht für Deutschland von einer IFR von 1,14 Prozent aus.) Ioannidis’ Wert würde bedeuten, dass in Tschechien längst Herdenimmunität bestehen müsste, da bereits rund 100 Prozent mit Sars-CoV-2 infiziert gewesen sein sollten.

1.400 Reinfektionen in Tschechien

Doch nicht nur die Zahl der Infektionen und Covid-19-Toten ist in Tschechien nach wie vor extrem hoch (bestätigt sind bis jetzt rund 1,5 Millionen): Auch die Zahl der Reinfektionen mit dem Coronavirus zuletzt sprunghaft gestiegen. Wie die Gesundheitsbehörde diese Woche mitteilte, wurden bis Ende Februar 1.400 Fälle registriert, bei denen sich Menschen bereits zum wiederholten Male mit dem Virus angesteckt haben. Bis Ende Jänner seien nur 158 solcher Fälle bekannt gewesen.

Doch woran liegt das? Wie gut schützen überstandene Infektionen vor einer neuerlichen Infektion? Und könnte das auch Auswirkungen auf den Impfplan haben, indem man Infizierte später oder gar nicht impft?

Österreichische und dänische Daten

Zur Frage der Reinfektionen erschien im Februar eine Studie aus Österreich, die erste Aufschlüsse – und auch Zuversicht – gab: Das Forscherteam um Stefan Pilz (Med-Uni Graz) und Franz Allerberger (Ages), dem übrigens auch John Ionannidis angehörte, ermittelte in seiner Studie im "European Journal of Clinical Investigation" einen Infektionsschutz , der in etwa so hoch ist wie nach den mRNA-Impfungen. Konkret kam es bei 14.840 bestätigten Infizierten im Frühjahr zu 40 Reinfektionen. Daraus ermittelten die Forscher ein um 91 Prozent niedrigeres Risiko, sich mit Sars-CoV-2 zu infizieren.

Eine neue dänische Studie, die kürzlich im Fachblatt "The Lancet" erschien, kommt nun mit einer ganz ähnlichen Methode auf deutlich schlechtere Zahlen. Das Forscherteam um Christian Holm Hansen (Statens Serum Institut in Kopenhagen und London School of Hygiene & Tropical Medicine) wertete dafür Daten von 525.339 Personen aus, die in der ersten Welle im Frühjahr getestet wurden, 11.068 (2,11 Prozent) davon positiv.

Schlechter Schutz für Ältere

Von diesen Positiven wurden 72 (0,65 Prozent) während der zweiten Welle im Herbst erneut positiv getestet. Im Vergleich dazu lieferten 16.819 (3,27 Prozent) von 514.271 der ursprünglich Negativen positive Testergebnisse. Damit errechnen die Autoren einen Schutz vor einer erneuten Infektion von "nur" 80,5 Prozent. In einer Detailanalyse berechnen die Autoren bei Menschen ab 65 einen besonders schlechten Schutz von nur 47,1 Prozent (freilich mit einer relativ hohen Schwankungsbreite). Zwischen den Geschlechtern fanden die Autoren keinen Unterschied, auch keinen zeitlich abklingenden Schutz in diesem Zeitraum.

Nach Ansicht der Forscher zeigen diese Ergebnisse, dass alle Maßnahmen zum Schutz insbesondere älterer Menschen auch für diejenigen wichtig sind, die bereits Covid-19 hatten. Die neue Untersuchung legt außerdem nahe, dass auch Menschen, die sich bereits mit dem Coronavirus angesteckt haben, geimpft werden sollten, denn man könne sich nicht auf den natürlichen Schutz verlassen – vor allem nicht bei älteren Personen.

Offene Frage der Virusvarianten

Zudem liefert die Studie noch keine Aufschlüsse darüber, ob und wie sehr sich die Wahrscheinlichkeit von Reinfektionen durch Virusvarianten wie B.1.1.7, die mittlerweile auch in Dänemark mehr als 90 Prozent aller Neuinfektionen ausmacht, erhöht hat. (Vermutlich ist die hohe Zahl der Reinfektionen in Tschechien genau damit erklärbar, denn auch dort hat sich in den letzten Wochen B.1.1.7 mit dramatischen Folgen durchgesetzt.)

In noch viel stärkerem Maß dürfte dieser Verdacht für die "südafrikanische" und die "brasilianische" Variante (B.1.351 bzw. P.1) gelten, die mit der Mutation E484K eine spezifische Veränderung in sich tragen, die für sogenannte "Immunvermeidung" sorgt und den Schutz vor Reinfektionen herabsetzt herabsetzt. Entsprechend werden die dramatischen Infektions- und Todeszahlen in Brasilien auch mit Reinfektionen durch P.1 erklärt.

"Relativ alarmierend"

Für die Forscher Rosemary Boyton und Daniel Altmann (Imperial College London), die nicht an der dänischen Studie beteiligt waren, sind deren neuen Erkenntnisse "relativ alarmierend", wie sie in ihrem Kommentar in "The Lancet" wörtlich schreiben.: "All diese Daten sind eine Bestätigung dafür, dass im Fall von Sars-CoV-2 die Hoffnung auf eine schützende Immunität durch natürliche Infektion möglicherweise nicht in Reichweite ist und dass nur ein globales Impfprogramm mit hochwirksamen Impfstoffen die dauerhafte Lösung sein kann." (Klaus Taschwer, 26.3.2021)