Mira Lu Kovacs tritt als Musikerin nun unter ihrem Klarnamen auf. Eine Ansage.

Foto: Hanna Fasching

Rosa Untergrund, darauf liegen als starker Kontrast bedrohlich drei Messer. In der Mitte, umringt von einer Perlenkette, steht der Spruch: "Radical Softness as a Weapon". 2015 kreierte Lora Mathis dieses Bild, das sich viral im Internet verbreitete – und damit auch das Konzept der Radical Softness. Es meint, mit den eigenen Gefühlen und vermeintlichen Schwächen nicht hinter dem Berg zu halten. Besonders Frauen, denen zeit ihres Lebens eingetrichtert worden war, sich männlich konnotierte Eigenschaften wie (laut)starkes, aber kaltes Auftreten zulegen zu müssen, wenn sie etwas reißen wollen, konnten viel damit anfangen. Die kleine Radical-Softness-Bewegung, die sich als durchaus politisch wahrnimmt, stellt sich die Frage, ob die Welt nicht ein besserer Ort wäre, würden sich die Harten mehr die Zarten anpassen statt umgekehrt.

Mira Lu Kovacs

Auch zu Mira Lu Kovacs, Jahrgang 1988, sprach das Konzept des radikalen Weichseins, wie wir im Pressetext zu ihrem neuen Album What Else Can Break lesen. "Die extremste Form gewisse Dinge zum Ausdruck zu bringen ist, sie leise zu tun", sagt sie dort.

Gewissermaßen handelt es sich um das Debütalbum der in den letzten Jahren überpräsenten und kollaborationsaffinen Musikerin (5K HD, My Ugly Clementine) – denn im Gegensatz zum früheren Projekt Schmieds Puls, das immer mehr als Band aufgefasst wurde als als das, was es eigentlich war, nämlich die Kopfgeburt einer Chefin, die Instrumentalisten beschäftigte, positioniert sich Kovacs nun klar als Solokünstlerin. Das ist meins, das bin ich! Kovacs will nicht mehr den Anschein erwecken, sich hinter Künstlernamen und Gruppenkonstellationen zu verstecken. Bühnen- und Privatperson rücken näher zusammen.

Bei ihr im Corona-Bedroom

Tatsächlich schafft sie es unter Verzicht auf musikalisches Pathos, wie man es ja auch schon von ihr gehört hatte, Nähe herzustellen. Man hat das Gefühl bei der Singer-Songwriterin im Corona-Bedroom zu sitzen, während sie auf der Gitarre spielt und singt, als täte sie es nur für die eine Person, die gerade zu Gast ist. Die Produktion ist zart besaitet: gelungen auf akustische Gitarrenmelodien reduziert, etwas Elektronik für die Atmosphäre, da und dort ein Bass, ein Schlagzeug. Die verwendeten Instrumente wissen sich außerdem Kovacs’ im lichten Höhenrausch befindlicher Stimme brav unterzuordnen.

Gleich der Opener Stuck, der mit seiner Melodie verdächtig an Radioheads Karma Police erinnert, packt intim zu. Statt Thom Yorke, den es nach der Verhaftung eines Mannes verlangt, erzählt Kovacs davon, nichts mit sich anzufangen zu wissen, und bringt damit ein Gefühl, das wir alle nicht zuletzt pandemiebedingt kennen, auf den Punkt.

Mira Lu Kovacs

Sehr schön kommt auch die zweite Nummer 84 daher, die mit den großartigen Zeilen "I was 84 all along / I was always old, never young" beginnt und angenehm an die filmischen Atmosphären, die die frühen Grizzly Bear so fantastisch hinbekamen, erinnert. So auch Pull Away.

Zu viele der anderen Nummern, allen voran die beiden Mid-Tempo-Stücke Want You und I’m Human, fallen dagegen eher spannungslos aus. Da fehlt es der Weichheit dann doch etwas an Radikalität. (Amira Ben Saoud, 26.3.2021)