Rund drei Stunden dichtes Programm hatte die ÖVP-Akademie für ihr Online-Symposium am Donnerstag vorbereitet. (Das Foto stammt aber aus dem Wahlkampf 2019.)

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"Ich habe das Gefühl, dass heutzutage auf Tatsachen verzichtet wird, Gerüchte und Erfindungen reichen völlig aus, um damit an die Öffentlichkeit zu gehen." Mit diesen Worten leitete Präsidentin Bettina Rausch am Donnerstagvormittag ein dreistündiges Online-Symposium der Politischen Akademie der ÖVP ein.

Gerade in den Räumlichkeiten der türkisen Parteiakademie hatte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vor rund einem Jahr die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft vor Journalisten als Netzwerk roter Staatsanwälte diskreditiert; Belege für seine Anwürfe konnte er – auch im Zeugenstand – bis heute keine liefern. Auf diese Episode wollte Bettina Rausch mit ihrer kulturpessimistischen Diagnose jedoch nicht anspielen, wie ihre weiteren Ausführungen vor rund 150 Interessierten schnell zeigen sollten.

Ihr Bedauern galt vor allem jenen Fällen, in denen mächtige ÖVP-Politiker von "Fake-News", "Dirty Campaigning" und "Vorverurteilungen" betroffen waren. Einen naturgemäß unverzichtbaren Bestandteil ihrer Aufzählung bildete der schmutzige Wahlkampf des SPÖ-Beraters Tal Silberstein gegen Sebastian Kurz im Jahr 2017.

Doch auch die länger zurückliegende Fama über ein außereheliches Gspusi des niederösterreichischen Ex-Landeshauptmanns Erwin Pröll empörte die Akademiechefin, wobei sie sogleich eine für konservative Ohren schlagkräftige Widerlegung aufbot: "Erwin und Sissi sind bis heute verheiratet."

Einseitige Beispiele

Für einen anderen Fall von "Rufmord" an ÖVP-Granden verwies Rausch an den neuen Chefblogger des türkisen Onlinemediums Zur Sache Claus Reitan, der ein gesondertes Referat über Dirty Campaigning gegen den Salzburger Ex-Landeshauptmann Franz Schausberger hielt. Zum Drüberstreuen erinnerte ein schwarzer Wahlkampfmanager in einer weiteren Präsentation an die im Jahr 2009 mit Gerüchten beschmierten Plakate des damaligen oberösterreichischen ÖVP-Landeshauptmanns Josef Pühringer. Eine gewisse Selbstbezüglichkeit mag für eine Parteiakademie ja zweckmäßig sein, ein etwas weiterer Horizont bei der Beispielfindung wäre aber durchaus denkmöglich gewesen.

Der Meinungsforscher Rudolf Bretschneider hatte einen guten Draht zu Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP). Unten im Bild: Die Moderatorin des Symposiums Elisabeth Mayerhofer (Direktorin der Politischen Akademie)
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Es war schließlich dem 77-jährigen Meinungsforscher Rudolf Bretschneider vorbehalten, eine Lanze für Kurt Waldheim zu brechen: "Aus wahltaktischen Gründen" habe die SPÖ einst versucht, Waldheim "braun einzufärben", wusste Bretschneider über den Wehrmachtsoffizier und SA-Mann zu berichten, der Mitte der 1980er-Jahre auf einem ÖVP-Ticket Bundespräsident wurde. Einen "moralischen Verfall" verortete der Demoskop nicht bei Waldheim, sondern bei dessen Gegnern.

Titel irreführend

Dazwischen gab es manch erhellenden Beitrag von externen Vortragenden. Politikberater Thomas Hofer arbeitete etwa die Unterschiede zwischen Negative und Dirty Campaigning heraus. Die Philosophin Claudia Paganini hinterfragte, inwieweit Politikerinnen und Politiker im öffentlichen Raum als Privatpersonen agieren können.

Mit dem Symposiumstitel "Die Justiz ermittelt" hatte all das inhaltlich wenig zu tun. Die Namen Blümel und Löger wurden nicht explizit erwähnt. (Theo Anders, 26.3.2021)