Ein Besuch des Spiels lohnt sich auch in dieser frühen Phase.

Foto: The Ace Team

Die Walze ist turmhoch und erstreckt sich von Horizont zu Horizont, ein Ende ist nicht abzusehen. In ihrem Schatten wirken Bäume und Felsen winzig, und die seltsamen Tiere, die dort herumwuseln, ebenso. Wenn sich das monströse Riesending in Bewegung setzt, zermalmt es alles, was nicht rechtzeitig flüchten kann. Da gilt es, flink und anpassungsfähig zu sein – so wie die Trebhums. Die bizarren kleinen Geschöpfe bestehen nur aus einem riesigen Kopf mit beweglichem Rüssel und zwei Watschelbeinen, doch sie haben eine besondere Fähigkeit: Je nachdem, was sie sich einverleiben, passen sie sich an ihre Umwelt an.

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Frisst ein Trebhum den Samen eines Wollbaums, wächst ihm ein wärmendes Fell, auf den Genuss von Grashüpfer-Eiern hin verlängern sich die Beine für kräftiges Springen. Am liebsten sind die kleinen Überlebenskünstler aber im Rudel unterwegs, dafür sammeln sie verlorene Artgenossen oder brüten verlorengegangene Trebhum-Eier unter wärmenden Feuerblumen aus. Doch auch gemeinsam ist das Leben gefährlich, denn riesige rosa Monster, die fast nur aus einem Maul mit Zähnen bestehen, geheimnisvolle mechanoide Mutanten und unzählige andere bizarre Lebewesen sind ihnen feindlich gesinnt. Dabei sollten die anderen Tiere dieses schrägen Planeten den kleinen Trebhums dankbar sein, denn nur sie schaffen es, die tödliche riesige Walze zumindest kurzzeitig durch das Aktivieren riesiger Türme aufzuhalten.

Bizarr mit Tradition

Klingt bizarr? Nicht weniger als das darf man sich von The Eternal Cylinder erwarten, denn seine Macher sind für surreale Absonderlichkeiten berühmt. Die drei Brüder Andres, Carlos und Edmundo Bordeu aus der chilenischen Hauptstadt Santiago sind Indie-Fans unter dem Namen ACE Team seit ihrem 2009 erschienenen Debütspiel Zeno Clash bekannt. In dem prügelte man sich aus der Ich-Perspektive durch eine Welt, wie sie sich Hieronymus Bosch und Jim Henson nicht schräger hätten ausdenken können. Die erfolgreiche Rock of Ages-Reihe des Studios wiederum verband originelles Gameplay mit der Ästhetik von Terry Gilliams’ berühmten Monty-Python-Animationen und abgedrehtem Humor.

Seit fünf Jahren arbeitet ACE Team mit vergrößerter Mannschaft nun an The Eternal Cylinder, es soll das bislang größte Spiel der Chilenen werden. Das Spiel sei eigentlich als persönliches kreatives Projekt gestartet und dann im Lauf der Jahre gewachsen, verriet Carlos Bordeu in einem aktuellen Interview. Eine öffentliche, recht umfangreiche Betaversion sorgt schon seit einigen Wochen für Begeisterung: Ein Spiel wie dieses, so der Tenor des Feedbacks, dem sich der Autor dieser Zeilen anschließt, hat man noch nie gesehen.

"The Eternal Cylinder" ist eine Mischung aus Survival-Spiel, Open-World-Abenteuer und einzigartigem Experimentierkasten.
Foto: The Ace Team

Alien-Wundertüte mit 1.000 Geheimnissen

The Eternal Cylinder ist eine Mischung aus Survival-Spiel, Open-World-Abenteuer und einzigartigem Experimentierkasten mit den Mutationen der kleinen Spielfiguren. Die riesige Walze, die alles in ihrem Weg plattdrückt, ist das wohl sofort eindrücklichste Spielelement. Zwar lässt sich die geheimnisvolle zerstörerische Maschine durch Aktivieren von rückhaltenden Türmen stoppen, allerdings beginnt sie bei Überschreiten einer markierten Zone erneut ihr apokalyptisches Werk.

Daraus ergibt sich ein interessanter Rhythmus: Ist die endlose Walze einmal gestoppt, kann ein meist relativ breites Band der Spielwelt frei erforscht und nach Ressourcen oder neuen Familienmitgliedern abgesucht werden. Sobald die jeweilige Region abgegrast ist oder aber man die Flucht vor aggressiven Bewohnern ergreifen muss, setzt das Überschreiten der Grenze die Walze wieder in Gang, und es gilt, möglichst rasch den nächsten Turm zu finden und zu aktivieren, der das Weiterrollen wieder für einige Zeit blockiert. Die Trebhums, zwischen denen man jederzeit wechseln kann und die man zu Spezialisten für alle möglichen Aufgaben mutieren lassen kann, darf man übrigens individuell benennen.

Die Landschaften sind unglaublich kreativ gestaltet.
Foto: The Ace Team

Experiment öffentliche Beta

Während andere Studios ihre in Entwicklung stehenden Spiele als Early-Access-Versionen veröffentlichen und so gewissermaßen das zahlende Publikum als Feedback-Geber einspannen, hat The Eternal Cylinder seit einigen Wochen eine kostenlose, für jedermann öffentlich zugängliche Open Beta. Nach Registrierung auf der Website bekommen Interessierte kurz darauf einen Key für den Epic Games Store zugeschickt und dürfen ins seltsame Abenteuer starten – kostenlos.

Eigentlich hätte die offene Beta schon diese Woche enden sollen, doch die Entwickler haben sich überraschend zur Verlängerung bis 8. April entschlossen. Über 40.000 Spieler und Spielerinnen haben sich bislang bereits von der erstaunlich fertig wirkenden Version dieses Spiels bezaubern lassen. Das für die Entwickler wertvolle Feedback darf per simplem Druck auf die F8-Taste abgegeben werden. Die Beta umfasst das erste von geplanten vier Kapiteln des Spiels, drei Stunden Spieldauer sind das Minimum von Anfang bis Ende dieser Vorabversion; wer jede Ecke erforscht, ist bedeutend länger beschäftigt. Das entspricht in etwa einem Fünftel des geplanten fertigen Spiels, das noch viel Neues bieten soll, unter anderem drei weitere Biome mit ganz anderen Kreaturen und Mutationen sowie einem starken Fokus auf Story – auch nicht alltäglich für ein Survival-Spiel.

Zahlt sich der Besuch eines Spiels in einer derart frühen Phase aus? Im Fall von The Eternal Cylinder lautet die Antwort eindeutig: ja. Schon der erste Kurzbesuch ist höchst unterhaltsam, und die Beta übertrifft den Fertigstellungsgrad zahlreicher Vollpreisspiele weitaus größerer Teams. Ein Release-Termin steht noch nicht fest, soll aber noch in diesem Jahr erfolgen.

Die öffentliche Beta von The Eternal Cylinder für Windows ist nach Registrierung auf der Website bis 8. April kostenlos zugänglich. (Rainer Sigl, 27.3.2021)