Die Corona-Pandemie hat die Arbeitswelt auf den Kopf gestellt. Millionen Arbeitnehmer arbeiten zu Hause, Unternehmen ziehen aus Bürogebäuden aus, Austausch mit Kollegen findet vor allem digital über Videokonferenzen statt. Während konservativ geprägte Führungskräfte aus falsch verstandenem Arbeitsethos an der Präsenzkultur festhalten, hat Facebook seine 45.000 Angestellten im März 2020 ins Homeoffice geschickt (mit Ausnahme der Vertragsarbeiter). Obendrauf gab es für jeden Mitarbeiter einen Bonus von 1000 Dollar für technisches Equipment. Facebook-Chef Mark Zuckerberg rechnet damit, dass bis 2030 die Hälfte seiner Mitarbeiter im Homeoffice arbeiten wird.

Passt der Stuhl, passt das Licht? Wird brav gearbeitet? Chief Remote Officers sollen das sicherstellen
und neue soziale Räume mit den zu Hause Arbeitenden befüllen.
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Doch mit der Heimarbeit entstehen auch neue Verantwortungsbereiche. Wer sorgt dafür, dass die Mitarbeiter im Homeoffice ergonomische Bürostühle haben? Wer stellt sicher, dass regelmäßig Pausen gemacht werden? Wie können Mitarbeiter motiviert werden? Wie werden Angestellte befördert? Wie sieht ein Beschwerdemanagement aus?

Damit die Telearbeit besser koordiniert werden kann, hat Facebook im vergangenen Jahr die Stelle eines Director of Remote Work ausgeschrieben: einen Vorstand, der für die Arbeitsprozesse im Homeoffice verantwortlich ist. Telearbeit soll Chefsache werden.

Workflow steuern

Der Job ist nicht neu. Das Open-Source-Softwareunternehmen Gitlab hat bereits seit 2011 einen Head of Remote in seinem Team. Zum Aufgabenprofil gehört es, den Workflow in den verschiedenen Zeitzonen zu steuern und Arbeitsabläufe zu koordinieren (etwa Videocalls).

Gitlab hat die Homeoffice-Kultur lange vor Corona etabliert: Die rund 1300 Softwareingenieure schrauben von ihrer heimischen Werkbank aus in über 60 Ländern an Codes, auch der Vorstand arbeitet von zu Hause aus; Büroräume gibt es keine, Meetings finden ebenso virtuell statt wie Bewerbungsgespräche. So kommt es, dass sich manche Programmierer noch nie im realen Leben begegnet sind. Statt auf starre Arbeits- und Präsenzzeiten setzt Gitlab auf "asynchrone Kommunikation": Das Management formuliert bestimmte Zielvorgaben, die Teammitglieder arbeiten dann über Tools wie Slack oder Google Docs gemeinsam an Projekten – überall auf der Welt, rund um die Uhr.

Andere Unternehmen folgen dem Beispiel. So hat die Frage-und-Antwort-Plattform Quora jüngst einen Head of Remote angeheuert. Das Unternehmen aus Mountain View im Silicon Valley will künftig eine "Remote first"-Arbeitsumgebung schaffen. Braucht jetzt jedes Unternehmen einen Heimbüro-Koordinator?

Neuinterpretation organisatorischer Kernprozesse

Der Management-Professor Prithwiraj Choudhury, der an der Harvard Business School lehrt, ist Spezialist für zukünftige Arbeitsformen. Er hat die "Work from any where"-Kultur und die Produktivitätseffekte geografischer Mobilität in zahlreichen Studien untersucht. "Die Covid-19-Pandemie hat den Trend verstärkt, dass Organisationen auf der ganzen Welt Remote-Work-Praktiken als dauerhafte Arbeitsform eingeführt haben. Der Übergang ist eine Transformation, die eine Neuinterpretation organisatorischer Kernprozesse wie Kommunikation, Wissenscodierung, soziale Interaktionen, Messung der Produktivität sowie Datensicherheit nach sich zieht. Der Head of Remote kann diese organisatorische Transformation begleiten."

Unternehmen müssten zudem digitale soziale Interaktionen daher über "virtuelle Wasserspender" orchestrieren, so Management Experte Choudhury. Lösungen dafür gibt es bereits. So lassen sich beispielsweise mit "Donut", einer App für die Bürosoftware Slack, virtuelle Kaffeepausen organisieren. Das Programm bringt zufällig ausgewählte Teammitglieder in einem Chat zusammen. So können Begegnungen, die sonst im Fahrstuhl oder in der Kantine stattfinden, im virtuellen Raum simuliert werden. Viel zu tun für den Head of Remote. (Adrian Lobe, 2.4.2021)