SPNÖ-Chef Franz Schnabl: "Alle haben auf Basis ihrer Informationen eine Forderung erhoben. Mikl-Leitner hat ihre nicht durchgebracht. Doskozil hat seine auch nicht durchgebracht."

Foto: regine hendrich

Zurückhaltung ist Franz Schnabls Sache nicht. Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) "hat auf ganzer Linie versagt", lässt der Chef der niederösterreichischen SPÖ und Landeshauptfrau-Stellvertreter die Öffentlichkeit nach dem Ostgipfel am Mittwoch wissen. Es brauche "keine Pandemie-Experten, um zu wissen, dass diese Maßnahmen nur die ArbeitnehmerInnen und die UnternehmerInnen ein paar Schritte näher an den wirtschaftlichen Abgrund bringen". Doch im STANDARD-Interview stellt Schnabl klar: Er ist gar nicht gegen das Schließen des Handels – der Lockdown dauert ihm sogar zu kurz.

Die heftige Kritik am Gipfelergebnis könnte die Genossen in Wien und im Burgenland überrascht haben – schließlich haben die roten Landeshauptmänner Michael Ludwig (Wien) und Hans Peter Doskozil (Burgenland) den kurzen Lockdown zu Ostern im Osten mitverhandelt.

STANDARD: Sie sagen, Johanna Mikl-Leitner habe beim Ost-Gipfel "auf ganzer Linie versagt". Ihre Parteikollegen Michael Ludwig und Hans Peter Doskozil haben das gleiche beschlossen, gilt das für sie auch?

Schnabl: Da muss man die Kirche im Dorf lassen. Die Zustimmung der Landeshauptleute ist ja formal nicht notwendig, die Bundesregierung ist zuständig. Eine zusätzliche Grenze in Österreich einzuführen macht wenig Sinn. Wenn der Handel nur in der Ostregion geschlossen wird, werden die Menschen in grenznahen Bereichen dorthin ausweichen, wo der Handel nicht zu ist. Es braucht sinnvolle Maßnahmen für das gesamte Bundesgebiet, mit Ausnahme von Vorarlberg. Die Situation ist wirklich ernst. Ich habe schon seit sehr langer Zeit die Meinung, dass diese Bundesregierung zu wenig, zu spät und zu zögerlich agiert.

STANDARD: Aber noch einmal: Wenn Mikl-Leitner versagt hat, gilt das ja auch für Ludwig und Doskozil.

Schnabl: Natürlich bestimmt der Standort den Standpunkt. Die Landeshauptfrau hat gesagt, der Handel muss offen bleiben, jetzt wird er geschlossen. Ich bin auch der Überzeugung, dass nicht der Handel isoliert betrachtet das Problem ist, sondern die Kontakthäufigkeit ganz generell. Das Ziel muss sein, die Anzahl der Kontakte runterzukriegen, damit auch die Inzidenzen und die Reproduktionsfaktoren wieder deutlich nach unten zeigen.

STANDARD: Ganz verstanden hab ich es noch immer nicht. Sie sagen: Die Bundesregierung ist zuständig. Doskozil und Ludwig haben alles richtig gemacht und Mikl-Leitner hat versagt.

Schnabl: Alle haben auf Basis ihrer Informationen eine Forderung erhoben. Mikl-Leitner hat ihre nicht durchgebracht. Doskozil hat seine auch nicht durchgebracht.

STANDARD: Pamela Rendi-Wagner hat in der "ZiB2" gesagt, dass es Michael Ludwig zu verdanken sei, dass es jetzt überhaupt diesen kleinen Lockdown gibt …

Schnabl: Das stimmt! Er ist der erste gewesen, der das Thema Osterruhe angesprochen hat. Ich glaube, dass die Osterferien mit einer Verlängerung vielleicht um zwei, drei Tage der Schulferien ein sinnvoller, geeigneter Zeitpunkt sind für einen Lockdown.

STANDARD: Sie wünschen sich eigentlichen einen schnelleren, härteren und längeren Lockdown?

Schnabl: Vier Tage werden nicht reichen. Die Regierung muss schneller handeln: Wenn ich heute eine riskante Situation habe, wieso brauche ich dann zehn Tage, um Maßnahmen umzusetzen?

STANDARD: Also längere und wirksamere Maßnahmen. Aber welche sind das, wenn Sie den Handel nicht zusperren wollen?

Schnabl: Ich sage ja nicht, dass ich den Handel nicht zusperren will. Es geht darum, die Kontaktmöglichkeiten von Person zu Person zeitlich zu begrenzen.

STANDARD: Also Sie wollen den Handel doch zusperren? Sie haben am Mittwoch noch geschrieben, das würde Arbeitnehmer und Unternehmer nur ein paar Schritte näher an den wirtschaftlichen Abgrund bringen. Was wollen Sie dann machen?

Schnabl: Ungefähr die Maßnahmen des Lockdowns vom März 2020. Handel schließen am kommenden Donnerstag – in Ordnung. Aber warum man schon am Dienstag nach Ostern aufsperren und nicht erst eine Woche später? Die vier Tage mehr oder weniger mit einer ausreichenden Entschädigung sind vertretbar. Zweitens Frage ich mich, warum nicht alle anderen Maßnahmen schon ab Palmsamstag gelten.

STANDARD: Welche Maßnahmen meinen Sie da?

Schnabl: Ab 27. März die Maßnahmen des ersten Lockdowns mit offenem Handel und im Zeitraum 1. bis 11. April dann rigoroser Lockdown wie im März. Und das abgesehen von Vorarlberg in ganz Österreich. Das Wichtigste ist zeitliche Beschränkung und Nachvollziehbarkeit – damit die Menschen wissen, woran sie sind. (Sebastian Fellner, 29.3.2021)