STANDARD: Es gibt bereits einen Kommunikationsstandard zwischen Fahrzeugen und ihrer Umgebung auf WLAN-Basis. VW bietet diese Technik im Golf 8 sogar serienmäßig an. Tritt die Car2X-Technologie auf Mobilfunkbasis nun als neuer Konkurrent auf?

Oliver Schmerold: Der ÖAMTC ist technologieneutral, wir suchen bei allen Entwicklungen am Markt dabei zu sein und die möglichen Auswirkungen für unsere Mitglieder und auch für unsere Dienstleistungen zu antizipieren. Mit A1 haben wir jetzt in unsrem Fahrtechnik-Zentrum Teesdorf das erste Testbett österreichweit implementiert, wo man fahraktiv probieren kann, wie die Car-to-Car-Kommunikation, aber auch die Car-to-Infrastructure-Kommunikation funktionieren kann – etwa um zu sehen, was für die Person am Lenkrad neu oder anders ist.

Oliver Schmerold, Verbandsdirektor des ÖAMTC und Marcus Grausam, CEO von A1.
Foto: A1/APA

STANDARD: Ist der Kommunikationsstandard der Mobilfunkbranche nun also das Angebot von A1, um beim Geschäftsmodell Automatisierung des Autofahrens auch dabei zu sein?

Marcus Grausam: Alle zehn Jahre kommt ein Technologiesprung im Mobilfunk, Sie kennen 2G, 3G, 4G, zuerst zum Telefonieren und SMS, dann zum Versenden von Fotos, und mit 4G hat man schon das Internet in der Tasche. 5G ist nun dazu spezifiziert, Dinge mit Dingen zu verbinden. Das Mobilfunknetz bietet nun sehr hohe Bandbreiten und sehr geringe Reaktionszeiten, um auch mobile Dinge miteinander zu verbinden.

STANDARD: Ist ein Kommunikationsstandard auf WLAN-Basis also schon Schnee von gestern?

Schmerold: Wir können die Technologie nicht bewerten. Sollte ein Hersteller bei uns Tests durchführen wollen, werden wir das natürlich ermöglichen, weil sich ein Erkenntnisgewinn auf jeden Fall ergibt. Der ÖAMTC bleibt offen.

STANDARD: In China hat sich die Politik ja schon auf die Mobilfunklösung festgelegt, in Europa und den USA ist das alles noch offen. Die Stimmen für die WLAN-Lösung sind noch immer sehr stark. Was können Sie dazu sagen?

Grausam: Stimmt, in Europa hat man sich noch nicht entschieden, VW verwendet den WLAN-Standard, Audi bevorzugt den 5G-Standard. Vielleicht steht am Ende eine Kombination aus mehreren Technologien. Es wird sinnvoll sein, einen Technologiemix anzuwenden. Mit WiFi allein werden Sie nicht auskommen. Bereits Ende 2022 werden beispielsweise Smartphones mit Chips ausgerüstet sein, die ermöglichen, dass Fußgänger von Autos erkannt werden.

STANDARD: Funktioniert V-Car2X auf Basis 5G auch, wenn man – aus welchem Grund auch immer – kein Mobilnetz zur Verfügung hat?

Grausam: Es muss auch ohne Mobilfunknetz über die Sensorik im Auto funktionieren. Das Mobilfunknetz dient zusätzlich dazu, Daten in das Auto zu bringen oder rauszubringen.

Schmerold: Es ist eine ganz entscheidende Frage von der Security her, welche Funktionen auch autonom in einem Inselbetrieb verfügbar sein müssen. Alles, was für den unmittelbaren sicheren Fahrbetrieb notwendig ist, muss natürlich auch ohne Verbindung funktionieren. In Zukunft wird auch die IT-Security bei den Typengenehmigungsverfahren eine Rolle spielen. Ein Netzausfall darf nichts an der sicheren Funktion des Fahrzeugs ändern. Viele Daten müssen ja ohnehin nicht in Echtzeit übertragen werden.

STANDARD: Was ist nun die Aufgabe des ÖAMTC im Zusammenhang mit dem neuen 5G-Netz?

Oliver Schmerold
Foto: A1/APA

Schmerold: Es ist jetzt noch nicht alles definiert, was wir machen werden und können. Das Gelände ist jetzt gut mit 5G-Zellen abgedeckt. Autohersteller testen bei uns heute schon Fahrassistenzsysteme, künftig können sie auch alles machen, wofür 5G-Netz Voraussetzung ist. Vor allem auch Schulungen, um Personal bis in den After-Sales-Bereich mit der neuen Technik vertraut zu machen.

STANDARD: Welche Auswirkungen haben die vielen neuen Funktionen auf den Energieverbrauch, nicht nur bei den Geräten im Automobil, sondern auch im Hintergrund, Stichwort Serverfarmen?

Grausam: Ja, die Datenmengen in diesem Umfeld steigen. In der Vergangenheit hat man irgendwo auf der Welt ein Rechenzentrum gebaut, jetzt sieht man aber, dass das für manche Anwendungen keinen Sinn macht. Man dezentralisiert wieder. Hier spricht man von Edge-Computing, das heißt, man bringt die Rechnerleistung und Datenspeicherung nah zum Kunden. Natürlich verbraucht das alles Strom, aber hier ist es wichtig, sich die gesamte Energiebilanz anzusehen. Wenn es damit gelingt, den Verkehrsfluss aufrechtzuerhalten und Staus zu vermeiden, dann sollte das in einer Gesamtsumme einen positiven Aspekt bringen.

STANDARD: Wie unterscheidet sich das 5G-Netz von den bisherigen Netzen von der Hardware her?

Marcus Grausam
Foto: A1/APA

Grausam: Im ersten Schritt werden an bestehenden Sendestandorten neue Antennen und neues Equipment montiert und an das Glasfasernetz angebunden. Parallel dazu braucht man mehrere kleinere Rechenzentren. Man bündelt nicht mehr alles in großen Standorten.

STANDARD: Werden die Container neben dem Sender dann immer größer?

Grausam: Sie werden nicht größer, weil das Equipment ja immer kleiner wird. In weiterer Folge verdichtet man das Netz, es folgen zusätzliche Antennen, aber nicht mehr auf großen Stahlgerüsten. Man spricht von Small Cells, sie sehen aus wie Wi-Fi-Hotspots.

STANDARD: Zurück auf den Boden der Realität: Wann wird es so weit sein, dass die Bordelektronik des Autos wenigstens die richtigen Daten über das gerade geltende Geschwindigkeitslimit verlässlich erhält?

Schmerold: Die Verkehrszeichen brauchen einen Chip, damit das vorbeifahrende Auto damit kommunizieren kann. Das ist ein Thema, wo Gesetzgeber und Straßenerhalter gefordert sind. Man darf aber nicht unterschätzen, wie viele Verkehrszeichen es in Österreich gibt. (Rudolf Skarics, 2.4.2021)