Attila Hildmann auf einer Kundgebung in Berlin im Dezember 2020.

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Bekannt geworden ist Attila Hildmann ursprünglich mit veganen Kochbüchern, doch Schlagzeilen macht er seit einiger Zeit mit Politik. Er ist in den letzten Jahren zu einer der reichweitenstärksten Figuren in der deutschsprachigen Verschwörungsszene aufgestiegen. Seine Fanbasis versammelt er vor allem auf Telegram, 120.000 Mitglieder zählt sein Kanal dort.

Kaum ein Verschwörungsmythos war dort noch nicht zu lesen. Ein Themenkreis sticht aber besonders hervor. Hildmann spricht der deutschen Bundesrepublik ihre Existenzberechtigung ab. Seine Botschaft radikalisierte sich in der jüngeren Vergangenheit dabei immer stärker, was im Februar schließlich im Erlass eines Haftbefehls gegen ihn wegen Bedrohung, Beleidigung und Volksverhetzung durch die deutsche Justiz gipfelte – der allerdings immer noch nicht vollstreckt werden konnte.

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Hildmann wohl in der Türkei abgetaucht

Bald nach Erlass des Haftbefehls meldete sich Hildmann von einem zunächst unbekannten Ort. Am 25. März veröffentlichte die Generalstaatsanwaltschaft Berlin schließlich eine Stellungnahme, dass Hildmann sich nach aktuellen Erkenntnissen in der Türkei befinde und man daher nicht davon ausgeht, ihn "zeitnah" vor Gericht bringen zu können.

Der Gesuchte selbst bestätigte kurz darauf via Twitter, dass er sich in seiner – Zitat – "Blutsheimat" aufhält, "bis Deutschland wieder frei ist".

Geschichtsverdrehung

Diese Formulierung schließt nahtlos an das antisemitische Weltbild von Hildmann an, das er auch offen über seine Kanäle propagiert: Deutschland sei eine "Judenrepublik", schreibt er. Immer wieder veröffentlicht er Postings, in denen er seine Ansichten im Stile von einstiger Nazipropaganda formuliert oder auch Karikaturen teilt, wie sie einst vom Hetzblatt "Der Stürmer" veröffentlicht worden waren. Immer wieder bestückt er Fotos von ihm unliebsamen Politikern und anderen Personen mit Judensternen und fantasiert von einer "Jewish World Order", die unter dem Deckmantel einer erfundenen Pandemie errichtet werden solle.

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Das vermischt sich auf seinem Kanal mit Geschichtsverdrehung, wie sie auch gerne in Neonazi-Kreisen betrieben wird. "Juden haben die deutsche Rasse geschändet", schreibt Hildmann in einem Beitrag über die deutschen Grünen: "(…) Für diese Einzeller sind mutige Männer in Stalingrad gestorben." Nicht nur sind laut Hildmann Juden verantwortlich für beide Weltkriege, sondern auch für "76 Jahre Kulturmarxismus", inklusive "mentaler Schwächung" durch Pornofilme.

Aufruf zum bewaffneten Umsturz

Am Wochenende hat Hildmann, der ausschließlich in Großbuchstaben kommuniziert, nun auch konkret zum bewaffneten Umsturz aufgerufen. Nachdem er in der Vergangenheit immer wieder dazu riet, sich Waffen anzuschaffen und auch selbst schon in Kampfmontur in Videos auftrat, postete er: "Sobald sie die Ausgangssperre ausrufen, geht gesammelt zu Hunderttausenden nach Berlin und setzt dieses Terroristen-Pack ab! Verschwendet keine Zeit und Energie mehr mit kontrollierter Opposition und den Querdenken-Demos in irgendwelchen Kleinstädten!"

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Statements, die die deutschen Behörden wohl hellhörig machen dürften. Auch in Berlin wird derzeit darüber diskutiert, ob und wann man angesichts steigender Infektionszahl und der neuen Coronavirus-Mutationen neue Lockdown-Maßnahmen setzen sollte. Dass Online-Aufrufe zur Gewalt nicht immer im Nirgendwo verhallen, sondern mitunter tödliche Folgen haben können, haben bereits mehrere Vorfälle gezeigt – nicht zuletzt der Sturm auf das US-Kapitol durch Trump-Anhänger zu Beginn des Jahres. (gpi, 29.3.2021)