Ein belastendes Arbeitsumfeld kann sich durch verschiedene Aspekte äußern. Die Betroffenen leiden meist unter Dauerstress mit allen negativen Folgen – häufig plagen sie Ängste, ein verringertes Selbstwertgefühl, Motivationslosigkeit, und die Konzentrationsfähigkeit nimmt ab. Oft kommen auch psychosomatische Beschwerden wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen oder Magen-Darm-Beschwerden hinzu.

Arbeitspsychologin Claudia Altmann erklärt, wie Vorgesetzte und Beschäftigte gegen ein toxisches Arbeitsumfeld vorgehen können.
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"Die Ursachen liegen dabei häufig in der Führungsetage", sagt Arbeitspsychologin Claudia Altmann, "zum Beispiel, wenn Vorgesetzte im Führen zu wenig geschult sind, ihre Führungsrolle nicht wahrnehmen, Konflikte scheuen oder selbst unter einer zu hohen Arbeitsbelastung leiden." Führungskräfte sind deshalb besonders gefragt, auf Belastungen im Arbeitsalltag zu achten und ihnen entgegenzuwirken. Folgende Anzeiche deuten auf eine toxische Unternehmenskultur hin:

1. Hohe Fluktuation

Ein ziemlich offensichtliches Anzeichen für eine vergiftete Unternehmenskultur ist eine hohe Fluktuation. Vor allem wenn Beschäftigte immer wieder freiwillig die Firma verlassen, sollten Arbeitgeber die Unternehmenskultur genauer unter die Lupe nehmen. Die ständige Suche nach neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist zudem mit hohem Zeit- und Kostenaufwand verbunden. Auch dem Verlust von Wissen und Talenten können Unternehmen mit einer guten Firmenkultur vorbeugen.

2. Schlechte Kommunikation

Schwierigkeiten bei der Kommunikation oder gar das Fehlen dieser deuten ebenfalls auf ein toxisches Arbeitsumfeld hin. Haben Beschäftigte nicht das Gefühl, sich mitteilen zu können, wird auch der Spielraum für Innovation geschmälert. Wenn die Möglichkeiten zum interaktiven Austausch – sowohl persönlich als auch online – nicht gefördert werden, entsteht schnell eine Silo-Mentalität zwischen den einzelnen Teams und Abteilungen.

3. Fristen werden nicht eingehalten

Aufgaben werden zwar erledigt, aber viel langsamer als sonst? Fällt dies auch noch im Vergleich zu anderen Abteilungen oder Wettbewerbern auf, sollte es Unternehmen zu denken geben. Das Nichteinhalten von Deadlines und Vereinbarungen – und zwar nicht nur gelegentlich und aus gutem Grund – ist ein weiterer Warnhinweis. Ursachen dafür können sowohl Überforderung als auch ein Motivationsverlust bedingt durch andere Belastungen sein.

4. Falsche Leistungskultur

Beschäftigt auszusehen und herumzuhetzen wird als Qualitätsmerkmal bei der Arbeit angesehen? Und zwar mehr als das tatsächliche Erreichen von Zielen? Dieses Vorgehen etabliert eine falsche Leistungskultur und kann bemühte Beschäftigte ebenfalls frustrieren. Anerkennung und Belohnung sind ein wichtiger Bestandteil der eigenen Karriere. Wenn es an Fairness oder auch nur an wahrgenommener Fairness mangelt, fühlen sich Mitarbeitende sehr wahrscheinlich nicht gewürdigt. Das führt zu Unzufriedenheit und Negativität.

5. Viele Krankenstände

Auch anhaltende Überforderung oder mangelnde Ressourcen können auf ein toxisches Arbeitsumfeld hindeuten oder dies zumindest fördern. Nehmen Belastungen im Arbeitsumfeld überhand, steigen meist auch die Krankenstände. Sind die Krankheitstage besonders hoch, dann ist dies ein sicheres Zeichen für eine ungesunde Unternehmenskultur.

6. Keine Zeit für Beziehungen

Ein weiteres Warnsignal: Der Schwerpunkt der Organisation liegt auf der Erledigung der Arbeit, persönliche Belange werden nicht berücksichtigt. Es gibt wenig oder keine Zeit für Smalltalk, Feiern, Team- oder Organisationsgespräche, die notwendig sind, um Beziehungen und Teamgeist aufzubauen. Gerade in Krisenzeiten sind Empathie und Rücksicht im Arbeitsalltag jedoch gefragter denn je.

Was dagegen hilft

Als zentrale Aufgabe für Chefinnen und Chefs sieht Altmann, auf die Ressourcen der Beschäftigten zu achten. "Das heißt sowohl auf ein angemessenes Arbeitspensum als auch Pausen und Erholungsphasen", sagt die Arbeitspsychologin. Fixe Teamsitzungen, strukturierte Abläufe, festgelegte Erreichbarkeiten und Kommunikationswege: All das stärke auch den Teamgeist. Ebenso wichtig sei ein respektvoller Umgang – gerade hier müssten Führungskräfte ein Vorbild sein. Konflikte sollten nicht unter den Tisch gekehrt, sondern offen angesprochen werden. "Teambuilding beschränkt sich nicht auf einen moderierten Tag im Jahr, sondern sollte laufend im Blick der Führungskräfte sein", sagt sie.

In der täglichen Arbeit sollte der Fokus stets auf Zielen und nicht auf Zeit und Präsenz liegen. Dabei sei es auch wesentlich, dass die Ziele auf die jeweilige Situation der Mitarbeitenden angepasst werden. "Mit Kindern im Homeschooling ist nicht dasselbe Arbeitspensum möglich wie im Büro", sagt Altmann. Führungskräfte sollten generell in regelmäßigem Austausch mit den Mitarbeitenden stehen und die Situation ihrer Angestellten kennen und darauf eingehen. "Es darf auch nicht immer nur darum gehen, Leistung zu steigern, wichtiger ist, sie zu erhalten", sagt sie. Wird gute Arbeit nicht gesehen und wertgeschätzt, führt dies zum Verlust von Motivation und Selbstwertgefühl bei den Betroffenen.

Auch Beschäftigte können gegen eine toxische Firmenkultur vorgehen: "Mitarbeitende können Belastungen an sich oder anderen wahrnehmen und mit ihrem Team beziehungsweise ihrer Führungskraft darüber sprechen. Oft geht es Kolleginnen und Kollegen ähnlich", sagt Altmann. Viele Unternehmen finanzieren ihren Angestellten mittlerweile Supervision oder Coaching. Das kann helfen, die Ursachen für die Belastungen zu erkennen und Strategien im Umgang damit zu finden. Wichtig sei in jedem Fall, nicht wegzuschauen, sondern die Probleme anzusprechen. Im Team sollte man sich gegenseitig dabei unterstützen, eine wertschätzende und klare Kommunikation einzufordern. "In manchen Fällen ist es der eigenen Gesundheit aber zuträglicher, das Unternehmen zu verlassen", rät die Psychologin. (Anika Dang, 7.4.2021)