Die extremistische Organisation Al-Sunna wa Jama’a hält die kleine Hafenstadt Palma, hier im Bild, seit mehreren Tagen besetzt.

Foto: AFP / John Wessels

Es war der bisher waghalsigste Angriff mosambikanischer Rebellen auf Einrichtungen zur Erdgasgewinnung im Norden des südostafrikanischen Landes. Auch fünf Tage danach ist ein Ende der Besetzung des Hafenstädtchens Palma durch die extremistische Organisation Al-Sunna wa Jama’a nicht abzusehen. Bereits jetzt sind den Kämpfen in Palma Dutzende von Menschen zum Opfer gefallen, Zigtausende mussten fliehen, von Hunderten fehlt jede Spur.

Kampf um Einnahmen aus Erdgasfeld

Der Angriff auf Palma wird als "Wendepunkt" in der seit Jahren lodernden Kontroverse gesehen: Der Streit um die Einnahmen aus einem der größten Erdgasfelder der Welt sei jetzt endgültig ins internationale Bewusstsein gerückt, heißt es.

Hunderte bewaffnete Rebellen hatten vergangene Woche das Hafenstädtchen Palma angegriffen: Dieses liegt nur wenige Kilometer von der Afungi-Halbinsel entfernt, wo derzeit Einrichtungen zur Gewinnung von Erdgas im Wert von 20 Milliarden US-Dollar entstehen. Während die Halbinsel selbst von mehr als 1.000 mosambikanischen Soldaten bewacht wird, stießen die Rebellen in Palma nur kurz auf Widerstand: Die wenigen in Pemba stationierten Soldaten flohen bereits beim ersten Kontakt mit den Angreifern.

Mensche per Hubschrauber gerettet

"Es herrschte totales Chaos", sagt Lionel Dyck, der Gründer einer privaten südafrikanischen Sicherheitsfirma, die von Mosambiks Regierung zum Kampf gegen die Rebellen angeheuert worden war. "Die Straßen und Strände der Stadt waren von Toten gesäumt, die teilweise enthauptet worden waren", sagt Dyck.

Mit ihren kleinen Helikoptern habe die Dyck Advisory Group mehr als 120 Menschen aus der Gefahrenzone gerettet: Doch die Bemühungen der Söldnertruppe wurden immer wieder von Treibstoffmangel und der Dunkelheit unterbrochen. Am Freitagabend versuchte ein Konvoi von 17 Fahrzeugen, das Amarula-Hotel zu verlassen, geriet jedoch in einen Rebellenhinterhalt, aus dem nur sieben Fahrzeuge entkommen konnten. Was mit den Insassen der restlichen zehn Wagen passierte, ist nicht bekannt. Unter den Toten und Vermissten sollen sich mindestens 50 Ausländer befinden, teilte ein Diplomat in der Hauptstadt Maputo mit.

In der Nacht auf Samstag gelang es mehreren Hundert Menschen, sich zum Strand durchzuschlagen: Dort war inzwischen eine Flotte von zehn Schiffen eingetroffen, deren Kapitäne von den Vorgängen in Palma erfahren hatten. Mehr als 1.000 Flüchtlingen gelang es, an Bord eines der Schiffe zu gelangen.

Förderstopp

Kämpfer der im Volksmund al-Shabab ("die Jungs") genannten Extremistengruppe haben in den vergangenen drei Jahren zahlreiche Dörfer und auch Städte überfallen – niemals aber so nahe der Halbinsel Afungi. Der französische Mineralölkonzern Total hatte erst vor wenigen Tagen die Bauarbeiten in Afungi wiederaufgenommen, die vor drei Monaten aus Sicherheitsgründen eingestellt worden waren. Sie wurden inzwischen wieder gestoppt. Total ist der Mehrheitsführer eines Konsortiums ausländischer Mineralölkonzerne, die derzeit das über zwei Billionen Kubikmeter große Erdgasfeld vor der mosambikanischen Küste erschließen.

Der Schatz könne die dringend erforderliche Industrialisierung im ganzen südlichen Afrika anschieben, meint die Afrikanische Entwicklungsbank. Wenn es die Klagen der muslimischen Bevölkerung in der Cabo-Delgado-Provinz nicht gäbe. Die fühlt sich von der vornehmlich christlichen Zentralregierung an den Rand gedrängt: Auch die Gewinne aus der Förderung reiße sie sich unter den Nagel.

Präsident Filipe Nyusi schreibt den Aufstand in Cabo Delgado "islamistischen Extremisten" zu, die aus dem Ausland gefördert und bewaffnet würden. Tatsächlich erklärte der IS die lokale al-Shabab zu seinem Ableger: Dass die Beziehungen eng sind, wird allerdings bestritten. (Johannes Dieterich, 29.3.2021)