Um beim Osterfest auch mit der besten Pinze augestattet zu sein, werden die Kandidatinnen vorher auf Dotter und Flaumigkeit geprüft.

Foto: Nina Wessely

Das erste Mal, so ist es zumindest küchenhistorisch verbürgt, wurden in der friaulischen Grenzstadt Görz ordentlich Butter und Dotter in einen Germteig gerührt und das Ergebnis Pinza getauft.

Eine Pinza auf Reisen

Von dort aus trat die Pinze ihren Siegeszug durch das Habsburgerreich an, eroberte Slowenien, Norditalien – hier insbesondere Triest – und kam schließlich nach Graz, das bis heute als die Pinzendestination Österreichs schlechthin gilt. Hier gehört die Pinze zu Ostern wie das Kernöl auf den Salat. Dass es irgendwo anders sein könnte, auf die Idee ist etwa der aus Graz stammende Bäcker Martin Auer erst während seines Studiums in Wien gekommen: "Ich war überrascht, dass die Pinze hier keine Tradition hat. Bis heute geht die Pinze in unseren Grazer Filialen besser als in der in Wien."

Nun liegt erstens die Studienzeit von Auer schon einige Tage zurück, und zweitens ist auch der Norden Österreichs mittlerweile auf den Geschmack des flaumig-süßen Ostergebäcks gekommen, eignet sich dieses doch kongenial als süßer Gegenpart zu Schinken, Krainer und Kren. Klingt schräg? Nicht für den Bäckermeister aus Graz: "Ich bin mit meiner Frau auf die Idee gekommen, die Pinze in unseren Filialen als Snack anzubieten – pikant gefüllt mit Schinken, Kren und Ei." Die Kombination hat sich mittlerweile zum Verkaufsschlager entwickelt. Manchmal sind die simplen Ideen eben die besseren. Ebenso wie die Herstellung der perfekten Pinze keine Raketenwissenschaft ist – sagt zumindest Martin Auer.

Das Gelbe der Pinze

Die Liebe zum Detail und zu den Zutaten, das sei das einzige Geheimnis einer guten Pinze. Und natürlich auch das Gespür für das richtige Timing, sagt Auer. "Ich bin eigentlich ein Fan von lange Gebackenem, weil viele Aromen erst beim Backen entstehen. Bei der Pinze muss man jedoch eine Ausnahme machen. Bäckt man sie nämlich zu lange, dann wird sie trocken." Für den Hype um das Germgebäck ist nicht nur der Geschmack verantwortlich, sondern auch die künstliche Verknappung, vermutet Martin Auer. "Die Pinze wird nach wie vor nur in der Osterzeit produziert. Dabei wollen wir es auch belassen."

Interessant sei es, wie sehr sich anhand einer Pinze die tatsächliche Qualität des Backhandwerks beurteilen lässt. "Irgendwann haben die Bäcker den Fehler begangen, zu sparen. Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, was etwas für uns kostet. Wir überlegen uns, wie das Gebäck am besten wird, kalkulieren, und das ergibt den Preis", so Auer. Eine Pinze, die mit nur einem Dotter auskommen muss, sei geschmacklich einfach nur ein Trauerspiel.

Denn eine gute Pinze braucht den Überfluss – rein muss schlicht alles, was in der Fastenzeit sonst nicht sein darf. Das wären also massig Dotter, Butter, Milch, Wein und Anis, so zumindest schreibt es das traditionelle Rezept vor, das die gebürtige Grazerin Katharina Prato schon 1893 in ihrem nach heutiger Geografie etwas missverständlich betitelten Standardwerk "Die Süddeutsche Küche" veröffentlichte.

Pinzenvielfalt zum Verkosten.

Die einzig wahre Pinzenparty

Weil viele Pinzen diesen Anforderungen nicht mehr genügen und das bei der Kochbuchautorin Katharina Seiser einen regelrechten vorösterlichen Frust verursachte, veröffentlichte sie 2012 auf ihrer Webseite Esskultur.at ihr persönliches Rezept – das urplötzlich zu Ostern 2020 zur Überraschung der Kulinarik-Expertin viral ging.

Plötzlicher Pinzen-Hype

Damals, zu Beginn der Pandemie, brach an den heimischen Herden so was wie eine Germmania aus (zeitweise war der in manchen Supermärkten sogar ausverkauft). Neben Buchteln ein plötzlicher Trend: die Herstellung der Osterpinzen. Dass ausgerechnet ihr Rezept im Web auf einmal so gehypt wurde, findet Katharina Seiser schon auch ein bisschen lustig. Schließlich entstammt sie einem ursprünglich pinzenfreien Landstrich, nämlich Oberösterreich und Salzburg.

Wer die Kochbuchautorin Seiser, ihre Rezepte und Arbeitsweise aber kennt, der weiß, dass bei ihr nichts ohne akribische Recherche, das Austesten von Relationen und eine Menge praktischer Übungen vonstatten geht. Daher verneigen sich auch Österreichs beste Köche und eingefleischte Pinzen-Prinzen knappe zehn Jahre nach Veröffentlichung noch vor diesem Rezept der Katharina Seiser. Die Autorin selbst erliegt seit 25 Jahren der Pinzenliebe: "Wir schauen so oft ins Ausland und erwarten uns von dort kulinarische Sensationen wie etwa Karfiol mit Schokolade, wie sie vor Jahren Spitzenkoch Heston Blumenthal in England vorzeigte. Dabei liegt vieles so nah."

Kaum eine Kombination sei grandioser als jene von Pinze mit geräucherter Osterkrainer und Kren. Seisers Pinzengeheimnis: "Der Anis ist ein traditionelles Brotgewürz. In der Pinze ist er unverzichtbar, sonst wird das mit Ei und Butter und Zucker zu heftig."

Süß mag deftig

Deshalb funktioniere die Kombination von bloß süßem Brot mit allen möglichen Geschmacksverstärkern und dem unsäglichen Inländer-Rum auch nicht, so Seiser. Das unwiderstehlichste Ergebnis erhalte, wer selber bäckt. Dann hat man es in der Hand, woher die acht Dotter und das knappe Viertelkilogramm Butter kommen, die es für eine echte Pinze braucht. Dazu dann bitte auch keine Tomaten oder Paprika auf dem Osterjausen-Tisch. Die haben noch lange nicht Saison. Stattdessen dürfen Radieschen und Schnittlauch bei diesem Fest die gemüsige Unterzahl repräsentieren.

Auch bei Seiser gibt es die Festtagsspeise Pinze nur zu Ostern. Die Vorfreude darauf startet schon am Vorabend vor dem Backen mit dem Einlegen der Aniskörner in Weißwein. "Die frischgebackene Pinze auseinanderreißen und hineinriechen, das ist Himmel", sagt Seiser. Germteig selbst machen sei auch wirklich keine Hexerei. Wird schon nicht in die Pinzen gehen. Und sonst – aktuell gibt es ja noch genug Germ zu kaufen. (Nina Wessely, 30.3.2021)


PINZENREZEPT von Katharina Seiser

Das Pinzenrezept von Katharina Seiser hat seit Beginn der Pandemie Kultstatus erlangt.
Foto: katharina seiser/esskultur.at

Zutaten für zehn Stück*:

20–30 g Anis ganz
250 ml Weißwein
250 ml Milch
1 Würfel (42 g) Germ
150 g Staubzucker
1 kg glattes Mehl
1 EL Salz (etwa 15 g)
200 g weiche Butter
8 Dotter* (M)
Abrieb von 3 Zitronen
1 Ei zum Bestreichen

* sämtliche Zutaten bio

Zubereitung:

1. Am Vorabend Anis anmörsern, mit Wein in Schraubglas verschütteln, heraußen stehen lassen.

2. Am Backtag Milch erwärmen (ca. 35 °C). Germ mit etwas Milch, 1 EL Zucker und Mehl dickcremig verrühren, zugedeckt 15 Minuten gehen lassen. Restlichen Zucker in Milch auflösen, Aniswein durch ein feines Sieb dazuseihen. Mehl und Salz in Rührschüssel der Küchenmaschine vermischen. Dampfl, Milch/Wein, Butter, Dotter und Zitronenabrieb dazu, mit Knethaken zehn Minuten langsam kneten.

3. Etwa eine Stunde zugedeckt gehen lassen. Zusammenschlagen, wieder 1 Stunde gehen lassen.

4. Teig in zehn Stücke à 200 g teilen, zu Kugeln schleifen, mit Abstand auf zwei Backbleche mit Backpapier legen. Mit Ei bestreichen.

5. 20–30 Minuten offen gehen lassen.

6. Mit einer Schere (!) drei- mal tief (!) einschneiden. 10–15 Minuten gehen lassen. Ofen auf 180 Grad Ober- und Unterhitze vorheizen.

7. Etwa 30 Minuten braun backen. Auf Gitter überkühlen lassen, lauwarm essen.