München – Der angeschlagene deutsche Lkw-Hersteller MAN hat mit Betriebsrat und Gewerkschaft den im Jänner angekündigten Sanierungsplan unter Dach und Fach gebracht. Demnach sollen 3.500 und damit weitaus weniger Arbeitsplätze als ursprünglich geplant in Deutschland gestrichen und 550 Millionen Euro Sach- und Personalkosten eingespart werden. Der Standort Steyr in Oberösterreich soll verkauft werden.

"Wir werden MAN grundlegend neu ausrichten und gemeinsam in eine erfolgreiche Zukunft führen", erklärte MAN-Chef Andreas Trostmann am Dienstag zum Abschluss der Vereinbarungen mit dem Betriebsrat und der IG Metall. Den Standort Steyr mit seinen 2.200 Beschäftigten soll die WSA Beteiligungs GmbH des früheren Magna-Chefs Siegfried Wolf übernehmen.

Die VW-Tochter MAN trennt sich endgültig vom Standort Steyr.
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Digitalisierung und Automatisierung

Die defizitäre Volkswagen-Tochter MAN will ihr Entwicklungs- und Produktionsnetzwerk neu aufstellen, um die Branchentrends zu Digitalisierung und Automatisierung sowie die Umstellung auf klimaschonende Antriebe bewältigen zu können. Ursprünglich sollten 9.500 der weltweit 36.000 Arbeitsplätze wegfallen. Die 3.500 Jobs in Deutschland sollen jetzt sozialverträglich abgebaut werden. Betriebsbedingte Kündigungen sind nach einem bis Ende 2026 geltenden Zukunftstarifvertrag nur mit Zustimmung der Gewerkschaft möglich.

Dem Werk Steyr drohe die Schließung Ende 2023. "Steyr steht als MAN-Standort nach wie vor zur Disposition", erklärte MAN. Vorstand und Arbeitnehmervertreter seien in konstruktiven Gesprächen mit der WSA über eine Übernahme als Alternative zur Schließung.

Wolf stellte Plan vor

WSA-Chef Wolf hatte am Freitag die Belegschaft auf einer Betriebsversammlung über seinen Plan informiert. Dieser sehe eine Verkleinerung der Stammbelegschaft von 1.845 auf 1.250 Personen und Gehaltskürzungen vor, wie die APA berichtete. Die Belegschaft soll am 7. April darüber abstimmen. Wie es bei einem negativen Votum weitergeht, ist offen. MAN beschloss unterdessen, Teile der Entwicklung und Ersatzteillogistik von Steyr auf deutsche Standorte zu verlagern.

WSA-Chef Siegfried Wolf hat der Belegschaft bereits seine Pläne für die Zukunft des Standorts vorgestellt.
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MAN gehört als Teil der Nutzfahrzeugsparte Traton zu Volkswagen. Die Probleme des Lastwagen- und Busherstellers hatten sich in der Corona-Krise verschärft. Im vergangenen Jahr brach der Absatz um mehr als ein Fünftel ein, MAN machte einen operativen Verlust von 631 Millionen Euro. Das waren 5,8 Prozent des Umsatzes, nach einer positiven Rendite von 2,9 Prozent 2019.

Züge und Straßenbahnen

Die mögliche Übernahme des MAN-Werks Steyr berge sowohl Chancen als auch Risiken für die Beschäftigten und die Region. Wissenschafter von Wiener und Linzer Unis forderten langfristig einen Umstieg von der Automobil- hin zur Zug- und Straßenbahn-Produktion. In Zeiten von Pandemie und Klimawandel sei ein sozial-ökologischer Umbau im Sinne aller Beteiligten vonnöten, empfahlen sie in einer Pressemitteilung des Wissenschaftsnetzes "Diskurs" am Dienstag. Kreativität sei gefragt und die Verantwortungsträger müssten weiter denken, einen Umstieg planen. Der wichtigste Treiber im Klimawandel sei der Straßenverkehr und hier vor allem der steigende Kraftstoffverbrauch bei leichten Nutzfahrzeugen.

"Machen wir uns nichts vor, wir benötigen aus klimapolitischen Gründen mittelfristig einen geordneten Rückbau von Teilen der Autoproduktion", so der Wiener Politikwissenschafter Ulrich Brand. Das spreche für Strategien, auch andere Produkte jenseits des Autos herzustellen. "Neben dem Verbrennungsmotor nur auf Elektro-Automobilität zu setzen könnte sich als falsches Versprechen und damit als dramatisches Versagen der Politik erweisen." Das würde die ökologischen Probleme nur verlagern, da der Bedarf an metallischen Ressourcen drastisch zunehmen würde.

Mehr als 100 Jahre Lkws

In Steyr werden seit über 100 Jahren Lkws gefertigt. Als vor ziemlich genau einem Jahr ruchbar wurde, dass damit nun Schluss sein könnte, war Feuer am Dach. Denn an die 2.200 Leute inklusive Leasingpersonal haben hier Arbeit. Gewerkschaft und Politik versuchten – wenn auch mit Jobabbau – zumindest den Standort zu erhalten und argumentierten, dass er profitabel sei. Parallel lief die Investorensuche. Denn Steyr ohne Lkw-Bau ist in Oberösterreich schwer vorstellbar.

Das Werk in Steyr wurde 1914 fertiggestellt, fünf Jahre später begann die Produktion der ersten Lkw. 1989 übersiedelte man unter das Dach von MAN. 1999 übernahmen die Oberösterreicher die gesamte Lkw-Fertigung der leichten und mittleren Baureihe von MAN. Das sind Fahrzeuge mit zwei oder drei Achsen, auch mit Allradantrieb ausgestattet, mit 150 bis 340 PS und einem Gesamtgewicht von 7,5 bis 26 Tonnen. Darüber hinaus werden dort auch Sonderfahrzeuge sowie Komponenten für den Produktionsverbund des Konzerns gebaut, beispielsweise Fahrerhäuser. Außerdem befindet sich in Steyr die größte Lackieranlage Europas für Lkw-Kunststoffanbauteile. Auch Forschung und Entwicklung werden an diesem Standort betrieben. Zuletzt gab es auch eine Kleinserie von E-Trucks (APA, red, 30.3.2021)