Ein Hund ist wie ein Familienmitglied. Und seit dem ersten Lockdown vor einem Jahr wünschen sich viele erst recht so ein pelziges Etwas. Das registrieren auch Tierheime und Tierschutzorganisationen, die immer mehr Anfragen erhalten. Warum? "Das fragen wir uns auch", heißt es beim Tierschutzhaus.

Vielleicht, vermutet Carol Byers von Animal Care Austria, liegt eine Teilantwort darin, dass man mit Hund auch im strengsten Lockdown Gassi gehen muss – und so inmitten der Homeoffice- und Lockdown-Tristesse gezwungen ist, vor die Tür zu gehen und den Kopf auszulüften.

Rückkehr ins Büro

Dem Run auf die Tiere stehen viele zwiespältig gegenüber. Denn irgendwann wird die Pandemie vorbei sein, und die Menschen müssen ins Büro zurückkehren oder wollen auf Urlaub fahren. Damit die Tiere dann nicht erst recht wieder im Tierheim landen, werden Interessenten deshalb streng abgeklopft und von vielen Organisationen sogar vorab zu Hause besucht.

Eine Hundeadoption will besonders in Zeiten einer Pandemie gut überlegt sein. Denn ein Hund stellt das Alltagsleben auf den Kopf. Wie schön das aber auch sein kann, haben uns Menschen erzählt, die sich trotz und wegen Corona für einen Hund entschieden haben.

"Ich hab das Foto gesehen und sofort hingeschrieben", erzählt Ursula.
Foto: Regine Hendrich

Usula & Hündin Maya: "Man kommt mit Menschen in Kontakt"

"Dass wir Maya zu uns nehmen, war eigentlich nicht geplant. Unser Familienhund musste im Dezember eingeschläfert werden. Wir wollten zwar auf jeden Fall wieder einen Hund, wollten uns aber noch Zeit für die Trauer lassen. Dann hat mir eine Freundin auf Whatsapp ein Foto von Maya geschickt, die in der Nähe von Zagreb gefunden worden war. Für sie wurde auf der Webseite der Organisation Hund sucht Hütte nach einem Besitzer gesucht. Es war eine Ad-hoc-Entscheidung: Ich hab das Foto gesehen und sofort hingeschrieben.

Bei mir spielte bei der Entscheidung schon auch Corona eine gewisse Rolle. Ich sitze seit einem Jahr im Homeoffice. Das kommt unserer Maya, die ja noch ein Hundekind ist, sehr zugute, weil ich viel Zeit mit ihr verbringen kann. Für mich hat sich dadurch einiges verändert: Früher habe ich mir beim Arbeiten keine Zeit für eine Mittagspause genommen. Jetzt drehe ich zu Mittag eine Runde mit Maya. Und während andere eine Rauchpause beim Arbeiten einlegen, spiele ich mit ihr. Sie ist erst acht Monate alt und braucht viel Beschäftigung.

Was mir persönlich taugt, ist, dass ich durch Maya mit so vielen unterschiedlichen Menschen in Kontakt komme. Wir waren unlängst zwei Stunden unterwegs und haben uns mit vier Hundebesitzerinnen und -besitzern unterhalten. Wir Menschen bleiben dabei natürlich auf Sicherheitsabstand, die Hunde nicht. Da redet man über Hundethemen, aber auch darüber, wie es einem geht und wie die Zukunft wohl ausschaut. Mir taugt das, weil man in der Großstadt sonst eh nicht so leicht auf der Straße ins Gespräch kommt.

Mittlerweile wissen wir auch, dass Maya sicher nicht allein bleiben wird. Wir wollen noch einen zweiten Hund adoptieren."

"Uns war immer klar, dass wir einen Hund adoptieren wollen", sagen Helene und Sebastian.
Foto: Regine Hendrich

Helene, Sebastian & Hündin Nala: "Durch Nala werden wir achtsamer"

"Wir haben uns schon seit Jahren einen Hund gewünscht. Uns war immer klar, dass wir einen Hund adoptieren wollen, weil es viele Hunde gibt, die ein Zuhause suchen. Die Rasse war uns dabei nicht wichtig, nur vom Typ her sollte es passen.

Als wir bei Animal Care Austria ein Foto von Nala entdeckt haben, haben wir sofort gewusst, dass das unser Hund ist. Und wir haben sie am Ende tatsächlich bekommen, obwohl es mehrere Interessenten für sie gab.

Am Anfang war Nala wahnsinnig schüchtern und sehr aufgeregt. Sie kommt von einem verlassenen Bauernhof in Ungarn, wo sie mit ihren Geschwistern gelebt hat. Sie kannte keine Stadt und auch keine Autos. Die Begegnung mit einem Müllmann ist für Nala nach wie vor wahnsinnig aufregend. Und danach ist sie so erschöpft, dass sie sofort ganz lang schlafen muss. Anfangs kamen wir auf unseren Spaziergängen daher auch nur circa 300 Meter weit. Mittlerweile schaffen wir es immerhin um unseren Häuserblock. Jetzt, nach fast zwei Monaten, ist Nala schon etwas ruhiger geworden. Sie weiß so in etwa, was geht und was nicht. Und auch wir haben viel gelernt. Zum Beispiel, dass ihr dunkle Schuhe egal sind, dass wir aber weiße Schuhe immer schleunigst verräumen müssen.

Natürlich hat die Pandemie auch eine Rolle dabei gespielt, dass wir uns ausgerechnet jetzt für einen Hund entschieden haben. Wir hatten das Gefühl, dass wir einen Lichtblick brauchen. Und das hat funktioniert: Das Leben ist so toll mit Nala! Wir erleben Corona-bedingt ja alle gerade nicht wahnsinnig viel. Aber jetzt sehen wir das Leben durch die Augen unseres Hundes. Das macht es spannender. Nala lebt nur im Moment. Dadurch werden auch wir achtsamer."

"Ich hab sofort gesagt: 'Das ist mein Hund!'", erzählt Dodo.
Foto: privat

Dodo & Hündin Milli: "War die beste Entscheidung"

Ich habe schon lange einen Hund gewollt und mir online immer die Seiten von unterschiedlichen Tierschutzorganisationen angeschaut. Im Dezember ist dort plötzlich ein Foto von Milli aufgepoppt. Ich hab sofort gesagt: ‚Das ist mein Hund!‘ Wir haben dann bei der Organisation angefragt und letztendlich eine Zusage bekommen.

Dann mussten wir noch einiges organisieren und Formalitäten klären. Am Tag, bevor Milli aus Kroatien ankommen sollte, wurde ich wahnsinnig nervös. Die Übergabe war Corona-bedingt auf einem Parkplatz. Wir wurden dort aufgerufen und mussten mit der Leine zum Transporter gehen. Dort wurde Milli rausgehoben. Wir haben sie begrüßt und die nötigen Unterlagen bekommen. Und das war’s. Dann stehst du plötzlich da mit einem Hund! Und was jetzt? Milli ist dann erst einmal zum nächsten Schneehaufen hingestartet und hat einen Riesenhaufen draufgesetzt. Dann sind wir heimgefahren.

Natürlich kommt ein Tierheimhund mit einer gewissen Vorgeschichte. Milli will zum Beispiel alles fressen, was ihr in die Quere kommt. Sie rennt zu jedem Mistkübel und war offensichtlich noch nie zuvor in einer Wohnung. Anfangs ist sie immer auf den Esstisch gesprungen und hat unser Essen gefladert. Sie bleibt auch nicht gern allein.

Aber man merkt, dass sie gute Erfahrungen mit Menschen gemacht hat, weil sie immer sofort gestreichelt werden will, wenn wir Besuch bekommen. Natürlich hat Corona bei unserer Entscheidung eine Rolle gespielt, weil ich jetzt mehr Zeit habe, mich mit einem Hund auseinanderzusetzen. Wir sind wahnsinnig happy. Milli zu adoptieren, das war die beste Entscheidung seit langem!"

"Corona hat uns das Kennenlernen und das Einleben erleichtert", erzählt Beate.
Foto: privat

Beate & Hündin Lilli: "Ein Hund war bei uns nie geplant"

Für mich war immer klar, dass man sich in der Stadt keinen Hund halten sollte. Daher war ein Hund bei uns überhaupt nicht geplant. Doch dann ist uns im wahrsten Sinne des Wortes einer zugelaufen: Ich bin Lehrerin, und als ich vergangenes Jahr aus der Schule kam, ist ein Hund an uns vorbeigesaust. Er ist wie narrisch herumgerannt – und niemand lief ihm nach. Also sind wir mit den Rädern hinterher und haben ihn nach einer Verfolgungsjagd eingefangen.

Die Hündin war fixfertig. Wir haben ewig herumtelefoniert. Letztendlich kam sie ins Tierheim, um dort auf ihren Besitzer zu warten. Doch auch nach fünf Wochen hatte sich noch immer niemand gemeldet. Irgendwann gingen wir sie besuchen – und entschlossen uns dann, sie mit nach Hause zu nehmen. Lilli ist vermutlich etwa dreieinhalb Jahre alt und ein Mischling. Im Sommer war sie noch sehr aufgeregt, mittlerweile ist sie ein wenig zur Ruhe gekommen. Baustellen gibt es natürlich noch. Lilli will zum Beispiel nicht allein bleiben.

Mit der Pandemie hatte unsere Hundeadoption nichts zu tun. Corona hat uns aber das Kennenlernen und das Einleben erleichtert. Vom Alltagsrhythmus ist das Leben mit Hund ganz anders. Man muss viel mehr planen. Aber der Alltag mit Hund ist auch toll, weil man jeden Tag draußen unterwegs ist und beim Spazieren zum Durchschnaufen und Abschalten kommt. Und wenn ich abends heimkomme und Lilli wedelt mit dem Schwanz und freut sich unheimlich, dass ich da bin, dann ist das einfach schön." (Franziska Zoidl, 1.4.2021)