Seit 2019 verboten: Symbole der rechtsextremen Grauen Wölfe. Franz Kapfer macht sie in "Idealistenheim" zum dokumentarischen Kunstwerk.
Foto: Franz Kapfer / Bildrecht Wien

Auf den ersten Blick ist alles da: der Rauschebart, der Hut, das Trachtengewand. Doch irgendwie fehlen der Darstellung des Tiroler Freiheitskämpfers Andreas Hofer die Pausbacken und der wache Blick. Daneben die Erklärung: Eine Röntgenaufnahme des Ölgemäldes legt offen, dass es sich dabei um ein 1945 übermaltes Porträt von Adolf Hitler handelt. Und plötzlich starrt es einem kalt entgegen. Anstatt dieses zu entfernen, wurde es übermalt. "Man ist die Vergangenheit nicht losgeworden", sagt Markus Proschek, "sondern hat sie einfach unter Neuem versteckt."

Unter dem Titel Transformation und Wiederkehr. Radikale Nationalismen im Spiegel der zeitgenössischen Kunst hat der Künstler gemeinsam mit Hemma Schmutz, Direktorin des Lentos in Linz, ebendort eine spannende Ausstellung kuratiert. In zwei Räumen werden 14 künstlerische Positionen gezeigt, die sich mit den Phänomenen Nationalismus und Faschismus auseinandersetzen. Wie kann mit der Vergangenheit, ihren Symbolen und Systemen umgegangen werden?

Moderne Opferdiskurse

Zusätzlich fügen sich historische Artefakte wie das Hofer-Porträt oder Werbe- und Filmplakate als ergänzende Fußnoten in die Schau ein. Die zeitgenössischen Arbeiten schlagen einen Bogen: Das Gedankengut lebt in nationalistischen und rechtsextremen politischen Strömungen heute weiter, weshalb uns das Thema als Gesellschaft angeht, so Proschek. Immerhin treten aktuell bei Demonstrationen von Querdenkern wöchentlich rechte, gewaltbereite Gruppen auf. Eines seiner eigenen Werke bezieht den Spruch eines historischen Gemäldes ("Und aus dem Opfer des Krieges ersteht das neue Europa") auf den Opferdiskurs der Identitären.

Tag X: Henrike Naumann baut den Bauhaus-Stuhl von Marcel Breuer zu einer Schusswaffe um. Dabei geht es um den Weltuntergang und diejenigen, die sich darauf vorbereiten.
Foto: Ladislav Zajac

Diese omnipräsente Aktualität zeigt, dass eine Ausstellung zu dem Thema eigentlich (und traurigerweise) keinen Anlass braucht. Dennoch ist die Umsetzung keine simple. Einen Anspruch auf Vollständigkeit kann sie gar nicht haben, stellt Proschek fest. Es werde ein Querschnitt gemacht, der auch Reibefläche biete. Wie kann politische Kunst gezeigt werden?

Kontextualisierung gilt hier wohl als Zauberwort, um Kunstwerke wie beispielsweise Dennis Rudolphs Kaltnadelradierungen auszustellen, die apokalyptische Szenen, 9/11 und Reichsadler kombinieren. Ein Saalheft, das begleitend durch die Schau führt und Begriffe wie "Prepper" oder "NSU" in einem Glossar erklärt, gibt Hintergrundinfos zu den Werken. Was hat Henrike Naumanns zu einer Schusswaffe umgebauter Bauhaus-Stuhl mit dem Weltuntergang zu tun? Und warum laufen hier Musikvideos der slowenischen Gruppe Laibach?

Gewaltsam angekettet

Ein Aspekt der Schau bezieht sich auf die Theorie des Psychoanalytikers Wilhelm Reich, der 1933 Zusammenhänge zwischen autoritärer Triebunterdrückung und faschistischer Ideologie herstellte. Diese komplexen Dimensionen von oftmals männlicher Gewalt und hierarchischer Autorität bricht die Videoarbeit Dog von Annika Larsson sinnbildlich herunter: Zwei strenge Männer in Anzügen trainieren einen Kampfhund. Sie ziehen an seiner Kette, seinem Schwanz und marschieren mit ihm im Gleichschritt. In ähnlicher Ästhetik und Drastik stehen die Bronzeabgüsse schwarzer Ledergürtel von Monica Bonvicini, die als Zeichen von Gewalt in der neuen Rechten zu lesen sind: Hierarchie, Macht, Identität.

Männliche Autorität mit Kampfhund: Videostill aus "Dog" der schwedischen Künstlerin Annika Larsson.
Foto: Annika Larsson

Diese Deutlichkeit nimmt immer weiter zu: Christina Werner koppelt versetzte Bildeindrücke des rechtspopulistischen Politikers Geert Wilders bei einer FPÖ-Veranstaltung – man sieht fliegendes Konfetti und seine Füße auf dem Rednerpult – mit seiner dort gehaltenen Rede. Obwohl er Begriffe wie Freiheit und Menschenwürde verwendet, sagt sein harter Sprachduktus schon alles.

Wölfe in der Holzhütte

Und fast ethnografisch beschließt die Arbeit Idealistenheim von Franz Kapfer die Schau. In einer Holzhütte hängen unzählige Waffen und Devotionalien der türkischen und rechtsextremen Grauen Wölfe von der Decke. Darunter Symbole wie der "Wolf im Halbmond", der seit 2019 in Österreich verboten ist. Rein dokumentarisch werden sie zum politischen Kunstwerk – und zur Warnung.

Zugegeben, der Zugang zur Ausstellung ist nicht ganz einfach, das Begleitheft fast obligatorisch. Das liegt am Thema selbst und auch an der Tatsache, dass man sich auf den Kontext einlassen muss. Tut man dies, wird man hier Erschreckendes und Wichtiges lernen. Wegschauen sollte man jedenfalls nicht. (Katharina Rustler, 31.3.2021)