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Präsident Cyril Ramaphosa gehört dem Reformflügel des ANC an.

Foto: REUTERS/File Photo

Die Erschöpfung war ihm ins Gesicht geschrieben. Als sich Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa am Montagabend kurz vor Mitternacht noch vor die Kameras setzte, um die Ergebnisse einer viertägigen Marathonsitzung seines Parteivorstands vorzutragen, schleppte sich der 68-Jährige ermattet durch die Sätze – wie eine Siegeserklärung hörte sich das jedenfalls nicht an.

Und doch hatte der Präsident gerade einen der wichtigsten Triumphe seiner dreijährigen Amtszeit errungen – in der "schwersten verfassungsrechtlichen und politischen Krise" des fast 27-jährigen neuen Südafrika, wie ein prominentes Mitglied des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) befand.

Betrug und Korruption

Tatsächlich ging es in der auf vier Tage verlängerten Parteiratssitzung um die Seele und das Gewissen der Befreiungsbewegung Nelson Mandelas: um die Frage, ob sich die Partei an ihre eigene und die Verfassung des Landes hält – oder dem willkürlichen Recht der Bullys folgt. Zu ihnen gehört Ex-Präsident Jacob Zuma, der das Land durch hemmungslose korrupte Praktiken an den Rand des Ruins gebracht hat – und sich nun mit allen erdenklichen Mitteln vor den rechtlichen Folgen schützen will.

Als einer seiner engsten Vertrauten steht ihm ANC-Generalsekretär Ace Magashule zur Seite, der Anfang des Jahres wegen Betrugs und Korruption in 74 Fällen angeklagt wurde. Dem Beschluss eines ANC-Parteitags zufolge hätte Magashule nach der Anklageerhebung eigentlich sein Amt räumen müssen. Doch der Generalsekretär hielt stur an seinem Sitz fest – mit der Begründung, bei dem Verfahren handle es sich um ein Komplott gegen seine Person und den ANC-Flügel, dem er zugehört. Der war beim Parteitag vor drei Jahren nur äußerst knapp dem Reformflügel Ramaphosas unterlegen. Seitdem herrscht zwischen den beiden Parteilagern Krieg.

Überraschende Schlappe

Die Organisation wird nur dadurch zusammengehalten, dass keines der beiden Lager seinen Austritt erklären oder seine Niederlage einräumen will. Die "Kräfte für die Radikale Wirtschaftliche Transformation" (RET), wie sich die Partei innerhalb der Partei selber nennt, glaubten bis zuletzt daran, Ramaphosas Reformer irgendwie an die Wand spielen zu können.

Doch bei der viertägigen Marathonsitzung des rund 100-köpfigen "Nationalen Exekutivrats" des ANC mussten die RET-Kräfte am Wochenende eine in ihrer Deutlichkeit überraschende Schlappe einstecken. Einige Ratsmitglieder, die fest zum Zuma-Lager gezählt wurden, liefen offenbar zu den Reformern über. Alles, was Magashule nach stundenlangen Debatten und gelegentlichen Tumulten noch herausschlagen konnte, war eine vierwöchige Frist bis zu seinem Rücktritt.

Man wolle dem Generalsekretär die Möglichkeit einräumen, sich noch "mit ehemaligen ANC-Präsidenten" beraten zu können, hieß es zu Begründung. Am liebsten würde man wohl deren Abschied aus der Partei sehen. Doch diesen Gefallen werden dem Präsidenten weder sein Vorgänger noch sein Generalsekretär tun. Politische Kommentatoren befürchten, dass die RET-Kräfte in den kommenden vier Wochen noch gehörigen Schaden anrichten könnten.

Verhaftung droht

Selbst parteiinterne Coups sind im ANC nichts Außergewöhnliches. Gelingt Magashule in den nächsten vier Wochen kein Putsch, ist es um die Zukunft des Politikers schlecht bestellt. Fast so schlecht wie um die seines einstigen Mentors Zuma. Der Ex-Präsident muss jeden Tag mit seiner Verhaftung rechnen, weil er partout nicht vor der Untersuchungskommission auftreten will, die seit fast drei Jahren der "Geiselnahme des Staates" durch Zumas private Seilschaften nachgeht. Die Kommission sei eine "Hexenjagd", kritisiert Zuma – nur dazu da, ihn politisch auszuschalten.

Das höchste Gericht Südafrikas wies den Ex-Präsidenten inzwischen an, vor der Zondo-Kommission auszusagen. Da er sich der "Diktatur der Juristen" auch weiterhin entzog, erwarten Zuma jetzt bis zu zwei Jahren Haft. Sowohl in seinem wie in Magashules Fall geht es letztlich um die Frage: Rechtsstaat oder Willkürherrschaft? Die Aussichten stehen gut, dass zumindest dieses Mal noch das Grundgesetz siegt. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 31.3.2021)