Im Zuge ihrer "Strafexpedition" 1897 erbeuteten die Briten diesen Würdenträger im Königreich Benin. Über einen britischen Händler kam das Relief ins Weltmuseum in Wien.

KHM Museumsverband

Jonathan Fine tritt seinen Dienst als Direktor des Weltmuseums in Wien am 1. Juli an.

Foto: APA/Fehr

Man könne erst dann restituieren, wenn man wisse, wohin und vor allem an wen. Dies ist ein in der Kolonialismusdebatte immer wiederkehrendes Argument, das sich an der Veränderung geografischer Grenzen orientiert. Ein Vorwand, um Willenserklärungen keine Taten folgen zu lassen, monieren Kritiker gern.

Am Beispiel der Benin-Bronzen erklärt: Die Briten verwüsteten und plünderten 1897 das damalige Königreich Benin in Benin-City. Seit 1967 gehört die Hauptstadt des Bundesstaats Edo zu Nigeria. Jene Museen, in deren Beständen sich die von den Briten geraubten Artefakte befinden, sind deshalb über die Benin Dialogue Group sowohl mit Verantwortlichen aus Benin-City als auch Nigeria in Kontakt.

Der vorläufige, gemeinschaftlich abgestimmte Plan sieht vor, dass an der Stelle des einstigen Königspalasts ein Museum erbaut werden soll, in dem die Bronzen aus europäischen Institutionen zumindest als Leihgabe zu sehen sein sollen. Restitutionen seien ausdrücklich nicht ausgeschlossen, betonte Hermann Parzinger als Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz vergangene Woche. Beschlossen wurden bislang aber keine, dazu müsste sich erst die nigerianische Seite einigen. Dann könne sich der Stiftungsrat damit befassen, sagte Parzinger.

Anlass der aktuellen Debatte ist der Plan des Berliner Humboldt-Forums für eine Ausstellung im Februar 2022 rund um den 125. Jahrestag der "Benin-Expedition", in der man etwa 440 Bronzen aus den eigenen Beständen zu zeigen gedenkt. Insgesamt verfügt die Stiftung über etwa 530 historische Objekte, die weitgehend als solche aus Unrechtskontexten kolonialer Zeiten gelten. Die Kritik blieb nicht aus.

Mehr als Rhetorik nötig

Der zuständige Chefkurator Jonathan Fine konterte, dass es für Museen wichtig sei, sich damit auseinanderzusetzen, "und zwar nicht nur auf Ebene der Rhetorik oder des Verschiebens von ein paar Etiketten". In der Debatte kommt Fine nun gewissermaßen vom Regen in die Traufe. Wie DER STANDARD exklusiv berichtete, übernimmt er die Direktion des Weltmuseums, wie nun auch offiziell bekanntgegeben wurde.

Der große Vorteil: Als Kurator der von ihm in Berlin verantworteten Sammlungen Westafrika, Kamerun, Gabun und Namibia sowie als Provenienzbeauftragter ist ihm das Thema geläufig. Gemessen an seinen Universitätsabschlüssen gilt der gebürtige New Yorker als überaus qualifiziert: Art and Archeology (Promotion in Princeton), Geschichts- und Literaturwissenschaften (Chicago, Cambridge) sowie Rechtswissenschaften (Yale). Seinen Dienst in Wien wird der 52-Jährige am 1. Juli antreten.

Eine Connection zum Weltmuseum gab es bereits über die seit 2010 bestehende Initiative der Benin Dialogue Group und seit vergangenem Jahr auch über das Projekt Digital Benin, bei dem die weltweit zerstreuten Kunstwerke aus dem ehemaligen Königreich bis 2022 digital zusammengeführt werden sollen. Der für die Forschung wichtige Bestandskatalog wird von der Ernst-von-Siemens-Kunststiftung mit 1,2 Millionen Euro finanziert.

Vergangenes Jahr wurde dazu im Museum am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt (MARKK) in Hamburg ein Büro eröffnet. Barbara Plankensteiner, Direktorin des Museums und international renommierte Ethnologin, war bekanntlich bis 2015 in leitender Funktion im Weltmuseum tätig.

In der Sammlung Afrika südlich der Sahara im Weltmuseum fallen 12.022 Inventarnummern in den Zeitraum von 1884 bis 1918, also von der Kongo-Konferenz bis zum Ende des Ersten Weltkriegs, als Deutschland seine Kolonien abgeben musste. Sie sind potenziell kolonialen Kontexten zuzuordnen, die Völkerschauen ebenso betreffen wie Kolonialbeamte, Missionen oder die k. k. Kriegsmarine.

Kolonialkontext als Glücksfall

Bei den Beständen aus dem Königreich Benin kann man bei 196 Objekten von einem Bezug zum kolonialen Krieg seitens der Briten 1897 ausgehen – vermutlich, aber noch nicht gesichert. Der eindeutige Nachweis gelang vorerst für 13 Benin-Objekte. Wie sie einst in den Bestand kamen? Die Briten hatten ihre Beute nach Europa verschifft und anschließend teilweise über öffentliche Auktionen an europäische Museen oder Privatsammlungen verkauft.

Die Käufer und Interessenten waren übrigens über den kolonialen Kontext informiert, feierten ihn jedoch als Glücksfall für Ethnologen. Der "völlige Entgang" solcher Objekte "für das Hofmuseum", hätte "einen nicht zu ersetzenden Verlust bedeutet", wie ein Wiener Kustode berichtete. Den Ankauf ermöglichten prominente Förderer wie der damalige Fürst von Liechtenstein oder auch Baron Nathaniel Rothschild. (Olga Kronsteiner, 1.4.2021)