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Mit der Credit Suisse zittern viele Banken um ihre Archegos-Kredite.

Foto: Reuters / Arnd Wiegmann

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Die Geschichte wiederholt sich. Zumindest am Kapitalmarkt. Wieder einmal schaudern Banken weltweit, weil ein Fonds in Schieflage geraten ist. Hauptakteur des diesmaligen Stückes ist Bill Hwang, ein ehemaliger Hedgefondsmanager, der wegen Insiderhandels einst von der US-Börsenaufsicht SEC angeklagt wurde und nebst Geldstrafe ein Berufsverbot als Anlageberater akzeptiert hatte. Jahre später hat er es geschafft, erneut Kapital der weltgrößten Banken an Land zu ziehen, um damit zu spekulieren. Doch der Reihe nach.

Aktienkurs rutscht ab

Die Probleme fingen vergangene Woche an. Die Aktie des Medienkonzerns Viacom erlitt deutliche Verluste. Investiert in Viacom war unter anderem ein Finanzkonzern namens Archegos. Mit dem Kursrutsch wurde ein Margin Call ausgelöst, also eine Nachschusspflicht gegenüber den Banken. Dieser konnte Archegos nicht nachkommen. Also musste der Fonds seine Position auflösen und den Verlust einstecken. Das schmeckt freilich keinem Investor.

Wie konnte das passieren? Mit seinem als Family-Office getarnten Fonds wickelte Hwang Wetten auf Aktien wie Viacom CBS und Disney, aber auch von chinesischen Unternehmen wie Tencent und Baidu ab. Das erfolgte über Derivate-Strategien, was wohl zur Verschleierung der Positionen beitragen sollte. Dank Swap-Konstrukten landeten die Investments nicht etwa in den Büchern von Archegos, sondern effektiv in den Bilanzen der Banken, die die Derivate für das Family-Office aufsetzten. Und hier lauert das Problem, das die Banken von Amerika über Zürich bis nach Tokio nun haben. An dem Derivate-Setup verdienten die mit Hwang verbündeten Investmentbanken bisher bestens, und sie erlaubten Hwang riesige Kredithebel: Für jede Aktie, die Archegos selbst hielt, liehen die Institute dem Family-Office bis zu 20 weitere Papiere, berichtet die Financial Times. Das geht aber nur gut, solange der Kurs der dahinterliegenden Aktien nach oben geht.

Panikartige Verkäufe

Den Braten riechend wurden seit dem Kursrutsch von Viacom panikartige Aktienverkäufe in der Höhe von rund 30 Milliarden Dollar durchgeführt. Die Kurse von Disney, Tencent und Baidu stürzten ab.

Credit Suisse, Nomura, Goldman Sachs, Morgan Stanley und auch die Deutsche Bank zählten Hwang als Kunden und zittern jetzt um Milliarden. Denn durch die Kursturbulenzen ist der Fonds in Finanznot. Bei der Credit Suisse dürften sich laut erster Schätzung rund vier Milliarden Dollar an Krediten in Luft aufgelöst haben. Nomura schätzte den eigenen Schaden bereits auf zwei Milliarden Dollar ein, andere Banken schweigen noch zu ihren Verlusten. In Summe soll sich das Kreditrisiko der großen Investmenthäuser auf 50 Milliarden Dollar belaufen. Hwang soll Anlagen im Wert von zehn Milliarden Dollar gehalten haben. Davon dürfte mittlerweile nicht mehr viel übrig sein.

Und wieder einmal stellt sich die Frage, wie all das passieren konnte. Warum vertrauen Banken einem berüchtigten Investor derart viel Geld an? Weil wieder einmal die Gier größer wurde als die Furcht. Pikant ist hier, dass es bei Goldman Sachs wegen Hwangs Vergangenheit jahrelang ein Verbot gegeben hatte, mit ihm Geschäfte zu machen.

Noch ist zwar nicht klar, wie groß das Archegos-Debakel in Summe wird. Analysten sprechen aber davon, dass es der größte Zusammenbruch eines Hedgefonds seit mehr als 20 Jahren sein könnte, als Long-Term Capital Management 1998 von Banken aufgefangen wurde, um noch schlimmere Verwerfungen auf den Finanzmärkten zu verhindern. LTCM war zu dieser Zeit mittels hochkomplexer Derivatekonstruktionen mit einem Eigenkapital von nur 2,2 Milliarden Dollar in Wertpapiergeschäfte verstrickt, die ein Nominalvolumen von atemberaubenden 1,25 Billionen Dollar hatten. Hätten sich die Banker nicht auf ein 3,6 Milliarden Dollar schweres Rettungspaket geeinigt, dann hätte der Untergang von LTCM einige dieser Kreditinstitute mit in die Tiefe reißen können. (bpf, 31.3.2021)