Öbag-Alleinvorstand Thomas Schmid hat viel Erklärungsbedarf.

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Wien – Auf die aufgrund der delikaten Chatprotokolle in unruhigem politischem Fahrwasser steuernde Staatsholding Öbag kommen in nächster Zeit heikle Aufgaben zu. Ob diese von ihrem unter öffentlichem Druck stehenden Chef Thomas Schmid optimal bewältigt werden können, wird spannend. In der Telekom Austria (TA) beispielsweise steht die Erneuerung des Syndikatsvertrags an, in dem die Zusammenarbeit der Hauptaktionäre América Móvil (Amov) aus Mexiko und Republik Österreich (im Wege der Öbag) geregelt ist.

Standortfaktor Telekom

Der ab seiner Entstehung 2014 umstrittene Pakt enthält wichtige Punkte, die für A1 Telekom und den Standort Österreich maßgeblich sind. 2024 läuft dieser Syndikatsvertrag aus und mit ihm die Garantie, dass das Headquarter – auch für die Beteiligungen in Ost- und Südosteuropa – in Wien bleibt. Auch das Nominierungsrecht für den TA-Generaldirektor, das Amov der Öbag-Vorläuferin ÖIAG trotz Minderheitsanteils zugestanden hat, hängt an diesem Syndikatsvertrag.

Wenn es um den neuen Syndikatsvertrag mit Hauptaktionär America Movil aus Mexiko geht, wird es mit der Beschaulichkeit in der Telekom Austria und in der Staatsholding Öbag vorbei sein.
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Zwar ist der TA-General operativ längst nicht mehr tonangebend in dem in der Wiener Lasallestraße domizilierten Konzern. Das sonst übliche Dirimierungsrecht, mit dem ihm die Letztentscheidung obliegt, wurde ihm nicht zugestanden. Aber er ist der direkte Draht zur Regierungsspitze, der mit Thomas Arnoldner auch noch aus demselben politischen Lager kommt wie Bundeskanzler und Finanzminister.

Heikle Aufgaben

Eine Herausforderung stellte zweifelllos auch eine Ausgliederung von Mobilfunkmasten in eine eigene Gesellschaft, wie sie Mobilfunkern in ganz Europa im Lichte des kapitalintensiven 5G-Ausbaus vorschwebt. Würden A1 und Konsorten beschließen, einem solchen Ansinnen näherzutreten und ihre Sendeanlageninfrastruktur bis hin zum ganzen Telefonnetz auszugliedern, wäre nicht nur der Telekomregulator gefragt, sondern vor allem eine Diskussion über den Ausverkauf kritischer Infrastruktur garantiert. Ausverkauf verhindern, das trägt nicht nur die Politik wie eine Monstranz vor sich her. Auch Öbag-Chef Schmid sah das als Kernaufgabe. Er lancierte gleich nach Antritt eine lange Liste an Unternehmen, an denen sich die Öbag im Fall des Falles beteiligen könnte.

Aber zurück zum Syndikatsvertrag zwischen der Öbag und ihrem südamerikanischen Partner, der von Grund auf heftig kritisiert und noch im Jahr des Amov-Einstiegs auf die Probe gestellt wurde. Denn nach der vereinbarten Kapitalerhöhung bei der TA und dem damit einhergehenden Übernahmeangebot lag das Aktienpaket der Mexikaner bei knapp 60 Prozent – und damit über dem kritischen Schwellenwert von 50 Prozent plus einer Aktie. Um die vereinbarte Ordnung wieder herzustellen und Rechtsstreit samt Pönalezahlungen zu vermeiden, parkte Mexiko ein Zehn-Prozent-Paket bei Investmentbanken.

Last but not least hängt am Syndikatsvertrag auch die Notierung der TA-Aktien an der Wiener Börse, was die ihrerseits börsennotierte América Móvil prompt als teuer und nutzlos bezeichnete, die in der Verlängerung wohl nicht aufrechterhalten werden wird.

Öbag-Aufsichtsratschef Helmut Kern hält die vom STANDARD enthüllten, für öffentliche Erregung sorgenden elektronischen Botschaften zwischen Öbag-Chef Schmid, Kanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Gernot Blümel (beide ÖVP) wohl für "ein Sittenbild, das niemanden glücklich macht", rechtlich und vor allem strafrechtlich seien sie aber nicht von Bedeutung. Und die Moral? "Sie können davon ausgehen, dass uns das unrund macht", versicherte Kern im Gespräch mit dem STANDARD.

Zweiter Vorstand für Öbag?

Bedarf an einem zweiten Vorstand, wie dies in der ÖIAG_bis zur Privatisierungswelle unter Schwarz-Blau ab dem Jahr 2000 in der ÖIAG üblich war, sieht Kern nicht. Die Öbag sei breit aufgestellt und handlungsfähig. Viel Aufwand wäre die Installation eines zweiten Vorstandsdirektors übrigens nicht, der Eigentümer kann die Satzung in der Hauptversammlung ändern. Schmid habe mit Abu Dhabi die vorzeitige Verlängerung des Syndikats verhandelt und geeignete Aufsichtsräte für die Casinos Austria bestellt, betonte Kern.

"Kein Kaffeekränzchen"

Im Aufsichtsrat sehen das übrigens nicht alle so entspannt. Vor den Vorhang will mit seiner Meinung freilich niemand, nicht einmal die drei Arbeitnehmervertreter von Post, Telekom und OMV, um deren Einzug SPÖ und Gewerkschaft beim Umbau der Öbib in die Öbag mit der türkis-blauen Regierung gerungen hatten. Eine eigene Sitzung, in der über die teils ungustiösen und sexistischen Chat -Inhalte beraten wurde, gab es bis dato nicht. Dafür sieht Kern keinen Bedarf, eine solches Treffen sei ja "kein Kaffeekränzchen", sagt Kern. Man sei bi- und multilateral ohnehin ständig im Austausch.

Formal sind die Betriebsräte – wie in der im Jahr 2000 mit einem sich selbst erneuernden Aufsichtsrat ausgestatteten ÖIAG – übrigens Kapitalvertreter. Denn auch die Öbag ist kein Konzern mit den eigenen Belegschaftsvertretern im Aufsichtsrat, sondern es werden in Absprache mit Arbeiterkammer und ÖGB drei Personalvertreter aus den Beteiligungen entsandt.

Stellenbesetzungsgesetz

Mit dem Stellenbesetzungsgesetz für Unternehmen der öffentlichen Hand harmoniert die Vorstandsbestellung in der Öbag übrigens nicht wirklich. Demnach hat das für die Besetzung zuständige Organ die Stelle ausschließlich auf Grund der Eignung der Bewerber zu besetzen. Selbige besteht aus fachlicher Vorbildung, bisheriger Berufserfahrung, Fähigkeit zur Menschenführung, organisatorischen Fähigkeiten und persönlicher Zuverlässigkeit – Attribute, die beim Öbag-Alleinvorstand ausbaufähig scheinen – inklusive internationaler Erfahrung, auf die laut Stellenbesetzungsgesetz "besonders Bedacht zu nehmen" ist. Ausgerechnet letztere fiel bei der Öbag-Ausschreibung aber auf Betreiben Schmids unter den Tisch. Öbag-Präsident sieht darin aber kein Problem, Schmid sei ausreichend qualifiziert.

Strenge bei jeder Pimperlbank

"Jede Pimperlbank braucht zwei Vorstände", echauffiert sich ein mit Aktienrecht vertrauter ehemaliger Staatsmanager, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, "nur die Öbag nicht." Aktives Beteiligungsmanagement bedeute mehr als aktiv Posten zu verschachern, ätzt ein anderer Auskenner. Ein Öbag-Vorstand, dessen einziges Asset die politische Vernetzung ist, konterkariere Corporate Governance und Öbag-Gesetz. (Luise Ungerboeck, 1.4.2021)