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Der Geschäftsführer der republikseigenen "Wiener Zeitung", Martin Fleischhacker, hat sich nach einer Betriebsversammlung zur Zukunft der Zeitung mit einer Mail an die Belegschaft gewandt. Darin heißt es nach STANDARD-Infos: "Es ist davon auszugehen, dass die finanziellen Rahmenbedingungen die Fortführung einer Tageszeitung in der heutigen Form nicht mehr möglich machen." Die Journalistengewerkschaft mahnt in einer Aussendung Konzepte für den Fortbestand ein und forderte "Konsequenzen" für Fleischhacker.

Die "Wiener Zeitung" wird wesentlich finanziert aus Pflichtveröffentlichungen von Unternehmen im Amtsblatt in der republikseigenen Zeitung. Das Justizministerium plante – in Umsetzung einer EU-Richtlinie –, die Pflicht für große Aktiengesellschaften zu streichen, ihre Jahresabschlüsse im Amtsblatt zu veröffentlichen. Das hätte rund sieben von 18 Millionen Jahresbudget gekostet. Die Streichung wurde vorerst vertagt. Das Koalitionsabkommen von ÖVP und Grünen sieht aber die Abschaffung der Pflichtveröffentlichungen vor.

In der Betriebsversammlung soll es eine Diskussion über Konzepte für den Fortbestand der Tageszeitung gegeben haben – und ob die Geschäftsführung solche Konzepte überhaupt habe.

Fleischhacker schreibt nun der Belegschaft: "Wir haben in den letzten Jahren sehr viele Konzepte entwickelt, auch für die Zeitung mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Darunter waren natürlich auch Konzepte für die Fortführung einer Tageszeitung unter geänderten Rahmenbedingungen, aber auch alternative Konzepte für ein Medium." Diese Konzepte habe er schon vor zwei Jahren dem Aufsichtsrat präsentiert und seither "weiterentwickelt".

"Fakt ist aber, dass die Situation heikel ist"

Fleischhacker erklärt jedoch: "Fakt ist aber, dass die Situation heikel ist. Es ist davon auszugehen, dass die finanziellen Rahmenbedingungen die Fortführung einer Tageszeitung in der heutigen Form nicht mehr möglich machen. Es ist daher jetzt wichtig, die Konzepte, die einer geringeren Finanzierung bedürfen, weiter auszuarbeiten. Diese Produktentwicklung werden wir mit den bestmöglichen Ressourcen ausstatten, Näheres dazu folgt noch diese Woche."

"Klar" sei das Ziel, "das bestmögliche Ergebnis für das gesamte Unternehmen zu erreichen", schreibt Geschäftsführer Fleischhacker.

Thema in der Betriebsversammlung war nach STANDARD-Infos, dass bereits 60 Kündigungen – also die gesamte Redaktion der "Wiener Zeitung" – vorbereitet wurden, als die Abschaffung der Veröffentlichungspflicht von Jahresabschlüssen noch im Novellenentwurf des Justizministeriums stand. Inzwischen war intern auch schon von 100 geplanten Kündigungen die Rede.

Bei der Betriebsversammlung war nach diesen Informationen auch eine offenbar Ende voriger Woche geplatzte Strategierunde Thema, bei der Fleischhacker und Chefredakteur Walter Hämmerle unterschiedliche Positionen vertreten hätten.

Die Mediensprecherin der Grünen, Eva Blimlinger, erklärte schon vor einigen Wochen, dass sie von der Fortführung der "Wiener Zeitung" als Wochen- oder Monatszeitung und Onlinemedium ausgehe.

"Für den Job ungeeignet"

Die Journalistengewerkschaft verlangte am Donnerstag in einer Aussendung Konzepte für den Fortbestand der "Wiener Zeitung". Die GPA fordert Konsequenzen für Geschäftsführer Martin Fleischhacker.

"Während in der Bundesregierung angeblich noch über Möglichkeiten zur Rettung der "Wiener Zeitung" verhandelt wird und sich dutzende namhafte Persönlichkeiten für den Weiterbestand der ältesten bestehenden Tageszeitung der Welt einsetzen, schafft Geschäftsführer Martin Fleischhacker offensichtlich vollendete Tatsachen", heißt es in der GPA-Aussendung. Sie bezieht sich auf das Schreiben Fleischhackers.

"Wo bitte sind jene Konzepte, an denen Fleischhacker angeblich seit Jahren hat arbeiten lassen, um den Bestand der ältesten noch bestehenden Tageszeitung zu sichern?", fragt Eike-Clemens Kullmann, Vorsitzender der JournalistInnengewerkschaft in der Gewerkschaft GPA. Einfach das Ende dieses Qualitätsmediums zu verkünden "sei eines Geschäftsführers unwürdig".

"Herr Fleischhacker ist für den Job des Geschäftsführers ungeeignet. Aufsichtsrat und Eigentümer sind gefordert, Konsequenzen zu ziehen", erklärt Kullmann. Er fordert die Bundesregierung als Eigentümervertreterin neuerlich auf, "endlich dafür Sorge zu tragen, den Weiterbestand der 'Wiener Zeitung' in Printform abzusichern". (fid, 1.4.2021)