"Flaggschiff-Killer": ein Begriff, den Oneplus geprägt hat und der lange wie kein zweiter für die Herangehensweise der aus China stammenden Firma an das Thema Hardware-Entwicklung stand. Gemeint ist damit High-End-Hardware, die deutlich unter dem Preis vieler Konkurrenten verkauft wird. Dass dies – bei aller Begeisterung so mancher Fans – kein tragfähiges Geschäftsmodell darstellt, merkten allerdings schon damals manche Kommentatoren kritisch an. Und so kam, wie es kommen musste: Spätestens mit der Oneplus-8-Reihe des Vorjahres hat sich die Firma weitgehend dem Preisniveau der Konkurrenz angepasst.

Seit kurzem ist nun dessen Nachfolger erhältlich, und dabei wird eines schnell klar: Eine Rückkehr zu alten Strategien gibt es nicht. Das Oneplus 9 und Oneplus 9 Pro liegen erneut auf dem Preisniveau des Vorjahresmodells. Aus dem "Flaggschiff-Killer" ist also ein ganz normaler "Flaggschiff-Anbieter" geworden. Doch der Preis ist natürlich nicht alles bei einem Smartphone. Oneplus will vor allem über seine Kombination aus starker Hardware und – im Vergleich zu manch anderen Konkurrenten – schlanker Software punkten. Ob das gelingt, ist eine Frage, die der folgende Test klären soll – und zwar für beide neuen Modelle gemeinsam, weisen sie doch zahlreiche Ähnlichkeiten auf.

Oneplus 9 (links) und Oneplus 9 Pro.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Äußerlichkeiten

Der Ersteindruck ist ein leicht verblüffender. Denn selbst wenn man in Betracht zieht, dass Smartphone-Design nur begrenzt Raum für Originelles bietet, sind doch die Ähnlichkeiten der neuen Oneplus-Geräte zu so manchem Samsung-Modell geradezu frappierend. Aber sei es, wie es sei – die Verarbeitung ist sehr gut, und der Look mag zwar etwas generisch wirken, ist aber auch nicht abstoßend. Zudem liefert man auf der Rückseite ein eigens gestaltetes Kameramodul, das zu den am wenigsten hässlichen unter aktuellen Smartphones zählt – und das ist auch schon mal was.

Wer aus dem Namen Oneplus 9 und Oneplus 9 Pro erhofft hat, dass es ein großes und eine kleines Modell gibt, wird schnell enttäuscht. Der Größenunterschied ist marginal. In konkrete Zahlen gefasst: Das Basismodell misst 160 x 74,2 x 8,7 mm, die Pro-Ausführungen kommt auf 163,2 x 73,6 x 8,7 mm. Auch das Gewicht unterscheidet sich mit 192 vs. 197 Gramm kaum. Der auffälligste Unterschied ist, dass bei der Pro-Variante der Bildschirm leicht abgerundet ist, während sich die Front beim Oneplus 9 flach präsentiert.

Eines der netteren Details bei Oneplus-Geräten ist der Schalter für den Wechsel zwischen laut, vibrieren und lautlos.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Bei der Wahl der Materialien gibt es dann wieder Differenzen zu berichten. Ist der Rahmen beim Oneplus 9 Pro aus Metall gehalten, setzt die günstigere Variante auf Kunststoff. Subjektiv ist dieser Unterschied allerdings kaum wahrnehmbar, maximal dass der Schieberegler für laut/vibrieren/lautlos – übrigens noch immer eines der netteren Highlights der Oneplus-Geräte – beim Oneplus 9 leichtgängiger ist, fällt auf. Die Rückseite ist hingegen bei beiden wiederum aus Glas, und zwar aus gehärtetem Gorilla Glas 5. Das bedeutet auch, dass die beiden Geräte ein regelrechter Fingerabdruckmagnet sind, was vor allem beim metallischen Look einzelner Varianten massiv auffällt.

Der Bildschirm

Der Blick auf die Spezifikationsliste offenbart beim Bildschirm den ersten großen Unterschied: Während das 6,7-Zoll-Display des Oneplus 9 Pro eine Auflösung von 1.440 x 3.216 Pixel bietet, fällt diese beim 6,55-Zoll-Panel des Oneplus 9 mit 1.080 x 2.040 Pixel etwas niedriger aus. Auch hier muss man aber ehrlicherweise sagen, mit freiem Auge sieht man kaum Unterschiede. Einzig ein etwas anderes Rendering der Schriften macht sich bemerkbar, wobei der Autor hier sogar dem kleineren Modell den Vorzug geben würde – aber das ist sicher auch eine Frage persönlicher Vorlieben. Umso verblüffender ist dieser Effekt, da das Oneplus 9 Pro von Haus aus gar nicht die volle Auflösung nutzt, sondern ebenfalls "nur" FHD+ verwendet. Tatsächlich präsentiert sie sich nach einem manuellen Wechsel in den Einstellungen auch beim Oneplus 9 Pro etwas schlanker und schärfer.

Was die Darstellungsqualität betrifft, gibt es an beiden Geräten hingegen kaum etwas auszusetzen. Qualitativ sind sie nur marginal unter den aktuellsten Spitzen-Smartphones von Samsung einzuordnen, etwa was die etwas niedrigere maximale Helligkeit anbelangt – die mit 1.200 Nits aber noch immer ziemlich gut ist. Ebenso gefällt, dass beide Modelle einen 120-Hz-Modus haben und diesen auch von Haus aus für sanftere Scroll-Bewegungen und Animationen nutzen. Hier kann die Pro-Variante wieder einen leichten Vorteil verbuchen, dank eines LTPO (Low-Temperature Polycrystalline Oxide) OLEDs wird hier die Frequenz je nach Anwendungsszenario flexibel von 1 bis 120 Hz angepasst, was beim Stromsparen helfen soll.

Der Punchhole-Ausschnitt für die Frontkamera befindet sich links oben. Ebenfalls zu erkennen: Beide Geräte werden mit einer Schutzfolie für das Display ausgeliefert.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Hyper Touch

Interessant ist auch ein Feature, das Oneplus "Hyper Touch" nennt. Dabei wird der Touch-Sensor mit 360 Hz betrieben, was noch einmal eine raschere Reaktion ergeben soll. In der Praxis zeigt sich dadurch aber kein wirklich wahrnehmbarer Unterschied mehr. Da "Hyper Touch" im Gegenzug zu einem leichten Flickern führen kann, wie der Hersteller selbst warnt, ist es auch gar nicht von Haus aus aktiviert. Gedacht ist das Ganze übrigens vor allem für Spiele. Erfreulich ist hingegen einmal mehr die Haptik, also das leichte Vibrations-Feedback bei der Nutzung des Geräts. Dieses ist bei Oneplus nämlich wie gewohnt besser abgestimmt als bei vielen anderen Anbietern – von Apple und Google einmal abgesehen.

Rechenkraft

Als Prozessor kommt ein Snapdragon 888 zum Einsatz und damit jener Chip, der sich in den meisten Top-Android-Smartphones des Jahres 2021 finden wird. Dabei handelt es sich um einen Achtkerner mit einem mit 2,84 GHz getakteten Kryo-680-Kern sowie drei weitere Kerne dieses Typs, die aber "nur" mit bis zu 2,42 GHz laufen. Für weniger anspruchsvolle Aufgaben sind dann noch vier Kryo-680m-Kerne (maximal 1,8 GHz) verbaut. Als Grafikeinheit ist eine Adreno 660 enthalten. Das RAM fällt bei beiden Modellen mit – je nach Speicherplatzausstattung – 8 oder 12 GB ebenfalls üppig aus.

In den vergangenen Jahren hat sich Oneplus einen Ruf als Bauer besonders flinker Geräte erarbeitet. Und auch beim Oneplus 9 (Pro) gibt es in dieser Hinsicht wieder wenig auszusetzen, alle Aufgaben werden mit Bravour erledigt. Das Problem dabei: Diese Aussage gilt mit Einschränkungen (High-End-Spiele vor allem) mittlerweile auch für deutlich schwächer ausgestattete Geräte – wie etwa Googles Pixel 5. Über den Prozessor kann sich kaum mehr ein aktuelles Smartphone abheben, ganz im Gegenteil sind High-End-Chips aufgrund ihres höhere Stromverbrauchs mittlerweile oft im Nachteil.

Detailschwächen

So gut die Oneplus-Geräte in dieser Hinsicht gefallen, eine kleine Kritik sei dann doch erlaubt. Der Hersteller ist bekannt dafür, die Timings für Scrollen und Animationen zu verändern, um subjektiv einen etwas zackigeren Eindruck zu erwecken. Leider geht das nicht immer gut, so fällt bei beiden Geräten auf, dass die Dynamik bei der Reaktion auf Scrollbewegungen nicht immer stimmt. Das Beschleunigungsgefühl, das etwa bei einem Pixel-Smartphone vorhanden ist, wenn man schnell den Finger bewegt und dann loslässt, fehlt hier. Zudem scrollen die Oneplus-Geräte manchmal etwas gemächlich, egal wie schnell man den Finger bewegt. Aber auch das ist nicht durch das System hinweg konsistent. Trotzdem: Das ist in diesem Fall natürlich Klagen auf – sehr – hohem Niveau.

Einige Leistungsdaten zu den beiden Geräten.
Screenshots: Proschofsky / STANDARD

Zahlen bitte vernachlässigen

In Benchmarks liefern die neuen Smartphones – wenig überraschend – die für einen Snapdragon 888 zu erwartenden Werte: Das Leistungsniveau liegt sowohl bei Prozessor- als auch Grafik-Speed minimal über jenem des aktuellen Exynos-Chips im S21 Ultra. Unterschiede, die im Alltag aber, wie gesagt, niemand – und zwar wirklich niemand – bemerken wird. Wichtiger ist da schon ein anderer Benchmark: der Belastungstest. Im Wildlife Stress Test von 3DMark kommen die neuen Oneplus-Smartphones auf einen ziemlich bescheidenen Wert von 55,6 Prozent. Konkret bedeutet dies, dass die Leistung bereits nach wenigen Minuten deutlich einbricht – und zwar um stolze 40 Prozent. Grund dafür sind thermische Probleme, die sich auch darin bemerkbar machen, dass das Gerät im Testverlauf sehr warm wird. Gleichzeitig sei betont, dass dies für Geräte dieser Kategorie nicht ungewöhnlich ist. Das S21 Ultra kommt auf einen "Stability Score" von 62,8 Prozent, während Mittelklasse-Chips wesentlich sparsamer und somit auch stabiler laufen. Das Pixel 5 mit seinem Snapdragon 765G erzielt etwa in diesem Benchmark 86,9 Prozent – ist aber natürlich generell wesentlich langsamer.

Neue Kamera, große Versprechungen

Es ist ein Kritikpunkt, der im Zusammenhang mit Oneplus-Smartphones in den vergangenen Jahren immer wieder zu hören war: Während das Unternehmen bei vielen Bereichen mit der Konkurrenz mithalten kann – oder sogar besser ist –, ist die Kamera oftmals enttäuschend. Nun soll aber alles anders werden, versicherte das Unternehmen im Vorfeld der Vorstellung der Oneplus-9-Reihe. Eine Partnerschaft mit dem renommierten Kamerahersteller Hasselblad soll den nötigen Anschub bringen.

Bevor es weitergeht, aber noch ein wichtiger Zwischenruf: Alle im Artikel verwendeten Bilder gibt es in einem eigenen Album auf Google Photos in voller Auflösung, um in Ruhe die Details betrachten zu können. Dort finden sich auch noch einige zusätzliche Aufnahmen sowie Vergleiche mit Pixel 5 und Galaxy S21 Ultra.

Sowohl bei Detailerhaltung als auch bei Farbgebung gefallen die neuen Oneplus-Kameras.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Angesichts der Erfahrungen mit anderen Herstellern stellt sich da schnell die Frage, ob diese Maßnahme zur Abwechslung einmal mehr als reines Marketing ist. Die Antwort darauf: Ja, aber nicht viel. Die Rolle von Hasselblad beschränkte sich bei der Entwicklung des Oneplus 9 darauf, Feedback zur Farbgestaltung der Bilder zu geben, wonach dann Oneplus die eigenen Algorithmen ausgerichtet hat. Außerdem ist der Auslöseknopf in der Kamera-App nur orange. Vor allem aber prangt auf der Rückseite jetzt groß ein Hasselblad-Logo. Das war es dann aber auch schon. Wer aus unerfindlichen Gründen auf eine Hardwarepartnerschaft gehofft hat, sieht sich also – einmal mehr – enttäuscht. Zumindest verspricht Oneplus, dass die Kooperation in den kommenden Jahren stark ausgebaut werden soll. Das bleibt auch zu hoffen, immerhin hat der Smartphone-Hersteller angeblich stolze 150 Millionen Dollar in diese Kooperation investiert.

Nicht ganz die gleiche Hauptkamera

Gerade Schattenbereiche werden oft zu stark aufgehellt, aber das ist zu einem gewissen Teil auch Geschmackssache.
Foto: Proschofsky / STANDARD
Katze: gelungen.
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Aber kommen wir besser zu dem, was jetzt schon da ist. Die Hauptkamera erscheint auf den ersten Blick bei beiden Modellen gleich: In der Spezifikationsliste ist jeweils ein 48-Megapixel-Sensor (1/1,43 Zoll, f/1.8) mit 1,12 µm Pixelgröße, der 2 x 2 Binning betreibt. Die resultierenden Aufnahmen sind also wieder 12 Megapixel groß. Der Begriff "erscheint" ist dabei allerdings entscheidend, verwendet das Pro-Modell mit dem IMX789 doch einen etwas neueren Chip als den IMX689 der günstigeren Ausführung. Die daraus resultierenden Unterschiede fallen aber in einen ziemlich überschaubaren Bereich. In manchen Szenarien ist die Farbgestaltung leicht anders, aber das war es dann auch schon. Interessanterweise wirkt in dieser Hinsicht das kleinere Modell oft konsistenter.

Viel größere Auswirkungen hat eine andere – und reichlich verblüffende – Wahl von Oneplus: Die optische Bildstabilisierung ist nämlich dem Oneplus 9 Pro vorbehalten. Bei allem Verständnis dafür, dass man die zwei Modelle auch von der Leistung her differenzieren muss, das ist eine ziemlich seltsame Entscheidung. OIS ist mittlerweile auch bei vielen deutlich günstigeren Geräten zu finden. Dass sich diese Wahl im Test als äußerst nachträglich herausstellen sollte, ist insofern auch keine Überraschung – aber dazu später mehr. Zunächst zu den erfreulichen Dingen.

Bildqualität

Generell weiß die Hauptkamera der beiden Geräte gleichermaßen zu gefallen. Die Farbgebung ist sehr gut – mit einer leichten Tendenz zu einem "wärmeren" Look als etwa bei Samsung oder Google. Auch die Bildqualität weiß fast immer zu überzeugen. Wenn man etwas kritisieren will, dann am ehesten, dass die Fotos zum Teil zu stark – und unrealistisch – aufgehellt werden. Und bei näherer Betrachtung fällt auf, dass die Aufnahmen sehr stark geschärft werden, was dazu führt, dass die Konturen in manchen Szenarien fast schon wie mit einem Marker nachgezeichnet wirken. Aber wie gesagt, der Gesamteindruck bleibt sehr gut. Katzenfotos fallen ebenfalls deutlich besser aus als bei Samsungs Galaxy S21 mit seiner Neigung, Details zu verwischen – und das ist bekanntermaßen die wichtigste aller Fotokategorien.

Das gilt prinzipiell auch für Abendbilder, wobei hier ein ähnlicher Tipp wie bei Samsungs S21 Ultra gilt: Die manuelle Aktivierung des Nachtmodus ist fast immer die richtige Wahl, holt sich doch noch einmal merklich mehr aus den Aufnahmen hervor. Dann gibt es hier aber wirklich zum Teil – für ein Smartphone – hervorragende Bilder, wenn auch oftmals unrealistisch hell.

Aufnahmen am Abend sind zunächst einmal okay.
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Deutlich besser wird es dann aber mit aktiviertem Nachtmodus.
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Ärgerliche Defizite

Aber es gibt auch sehr offensichtliche Defizite: Generell leidet die Kamera der Oneplus-9-Modelle unter diversen Performance-Problemen. Am schlimmsten ist dies bei raschen Bewegungen: Wer hier genau aufpasst, dem wird auffallen, dass das gespeicherte Foto nicht mit dem Moment übereinstimmt, an dem der Auslöser gedrückt wurde, sondern ein paar Sekundenbruchteile später entstanden ist. Wer jetzt glaubt, dass es sich dabei nur um eine Einbildung des Autors handelt: Dieser Effekt lässt sich leicht überprüfen, man sieht nämlich sogar, wie sich das Bild verändert, wenn man direkt nach der Aufnahme in die Galerieansicht wechselt. Wer oftmals Momente im Leben mit Kleinkindern oder Haustieren festhalten will, wird sich entsprechend bald über das Oneplus 9 (Pro) ärgern. Auch nicht sonderlich begeisternd ist der Autofokus, der sich manchmal falsch entscheidet. Wie zu erwarten, zeigt sich das beim Basismodell ohne OIS am Abend öfters, bei dem übrigens auch auf den Laser-Autofokus des Pro-Modells verzichtet wurde.

Selbe Szene, jeweils Nachtmodus, unterschiedliche Ergebnisse: Das Oneplus 9 Pro (rechts) liefert zwar generell das bessere Ergebnis, die Farben kommen aber beim Oneplus 9 der Realität näher.
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Was die Videoqualität anbelangt, verspricht Oneplus 8K mit 30 Bildern pro Sekunden und 120 FPS bei 4K. Viel wichtiger aber: Die resultierenden Aufnahmen können sich durchaus sehen lassen, auch wenn sie in Summe trotzdem eine Stufe unter den aktuellen Topgeräten von Samsung und Apple anzusiedeln sind. Das betrifft sowohl die Ausgewogenheit von Helligkeit und Farbgebung als auch die Stabilisierung. Diese Aussagen gelten allerdings nur für das Pro-Modell, das Oneplus 9 leidet hingegen massiv unter dem Fehlen von OIS, was dann zu doch deutlich schlechteren Resultaten führt.

Ultraweitwinkelkamera

Die zweite Kamera ist dann wirklich ganz gleich – und zwar gleich gut: Ein 50-Megapixel-Sensor (f/2.2, 14mm Äquivalent, 1/1,56-Zoll, 1,0 µm Pixelgröße) sorgt für hervorragende Ultraweitwinkelaufnahmen. Der Betrachtungswinkel ist zwar nicht ganz so groß wie bei Samsungs S21-Reihe, die Bildqualität ist hingegen wirklich toll. Generell gehört die Ultraweitwinkelkamera des Oneplus 9 (Pro) derzeit definitiv zu den besten der Gattung. Kleine Abzüge gibt es beim Pro-Modell, wo sich die Farbgebung doch deutlich von der Hauptkamera unterscheidet.

Die Ultraweitwinkelkamera liefert hervorragende Ergebnisse.
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Während die Makrokamera des Vorjahresmodells gestrichen wurde, beharrt der Hersteller aus unerfindlichen Gründen weiter auf einer 2-Megapixel-Monochrom-Kamera, die sowohl eine generell bessere Bildqualität als auch Tiefeninformationen für den Porträtmodus liefern soll. Während ersteres Versprechen allein schon aufgrund der bescheidenen Auflösung zweifelhafter Natur ist, haben die vergangenen Jahre auch eindrücklich belegt, dass solche Tiefensensoren kaum etwas bringen. Und das Oneplus 9 (Pro) bietet sich in dieser Hinsicht fast schon als Kronzeuge an. Der Porträtmodus macht nämlich dermaßen grobe Fehler, wie sie bei anderen Herstellern schon länger nicht mehr zu sehen sind. Gerade die Identifizierung von feinen Rändern – also Haare oder Fell – geht oft komplett daneben.

Telekamera

Dem Pro-Modell vorbehalten ist dann noch eine Telekamera mit einer optischen Vergrößerung von Faktor 3,3 (77mm, f/2,4, OIS, 8-Megapixel-Sensor). Mit der Periskopkamera eines S21 Ultra und dessen Zehnfach-Vergrößerung kann das natürlich nicht mithalten, aber dafür fällt das Kameramodul auch weniger brachial aus. Gerade bei niedrigeren Vergrößerungsstufen gefallen die Bilder durchaus, leider zeigt sich hier der Outline-Effekt durch die starke Schärfung noch stärker als bei der Hauptkamera. Und auch der digitale Zoom wirkt im Vergleich zu manch anderem Anbieter eher krude. Apropos: Das Oneplus 9 kann natürlich auch digital vergrößern – davon kann aber wirklich nur abgeraten werden. Die Ergebnisse sind geradezu verblüffend schlecht. Das ist aber auch nicht überraschend, immerhin ist es aufgrund des fehlenden OIS kaum möglich, mit freier Hand halbwegs stabile Aufnahmen hinzubekommen.

Bei der Telekamera zeigt sich die Tendenz zu einer Art Outline-Look durch zu starkes Schärfen am deutlichsten.
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Bleibt noch die Frontkamera (16 Megapixel, f/2.4, 1/3,06 Zoll, 1.0µm, Fixfokus), deren Qualität gut, aber auch nicht berauschend ist. Für Selfies sind manch andere aktuelle Smartphones also besser geeignet, was nicht zuletzt auch an den erwähnten Schwächen beim Porträtmodus liegt. Zumindest wirkt die Wiedergabe von Haut recht natürlich und verzichtet weitgehend auf die kosmetischen Korrekturen vieler anderer Hersteller.

Bei einer zehnfach vergrößerten Aufnahmen zeigen sich starke Unterschiede bei der Bildqualität. Von links nach rechts: Während das Oneplus 9 komplett versagt, zeigt das Pixel 5, dass es auch ohne eigene Telekamera besser geht. Das Oneplus 9 Pro liefert dann schon deutlich mehr Details, während sich das Galaxy S21 Ultra hier deutlich vom Mitbewerb absetzt. Die Farbgebung kommt übrigens bei Pixel 5 und S21 Ultra der Realität am nächsten.
Foto: Proschofsky / STANDARD

App

Die Kamera-App von Oneplus hinterlässt – jenseits der erwähnten Performance-Defizite – generell einen durchaus guten Gesamteindruck. Wirklich neu erfunden hat man das Rad in dieser Hinsicht aber natürlich nicht, der Aufbau erinnert stark an andere Hersteller – allen voran Samsung. Aber zumindest gibt es einen Pro-Modus, und auch die direkte Integration von Google Lens zur Objekterkennung ist nützlich. Der eigene Tilt-Shift-Modus wirkt hingegen ziemlich krude und unterscheidet sich in der Qualität nicht von den Effekten so manch älterer Smartphone-App. Die Integration von Farbfiltern direkt in der Kamera ist ebenfalls zweifelhaft.

Was bleibt, ist eine Kamera, die zeigt, dass Oneplus auf dem richtigen Weg ist. Die Aufnahmen sind in Summe sehr ansprechend, im Detail gibt es aber noch Probleme mit Zuverlässigkeit und Performance. Ganz zur Konkurrenz konnte man damit also noch nicht aufschließen, für viele Nutzer wird aber auch das Gebotene mehr als ausreichend sein.

Akkustärken und -schwächen

Die Ladegeschwindigkeit ist wirklich beeindruckend.
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Mit 4.500 mAh bieten beide Modelle einen durchaus adäquaten Akku in Relation zur Gerätegröße. Umso enttäuschender fällt dann die daraus resultierende Laufzeit aus. Die im Test erzielten vier bis fünf Stunden Screen-on-Time bewegen sich am unteren Ende dessen, was aktuelle Topgeräte derzeit so bieten. Auch der Akku-Benchmark von PCMark liefert mit 9:38 Stunden einen entsprechend niedrigen Wert. Um das klarzustellen: Auch damit sollten die meisten ohne Zwischenladung durch den Tag kommen, trotzdem: Der Wert liegt angesichts der Hardwareausstattung unter dem Erwarteten.

Deutlich erfreulicher geht es beim Laden zu: In rund einer halben Stunde ist das Oneplus 9 (Pro) komplett aufgeladen – also von 0 auf 100. Möglich wird das dank einer neuen Ausbaustufe der Schnellladetechnologie von Oneplus, die davon profitiert, dass in den Geräten genau genommen nicht ein, sondern zwei Akkus stecken. Diese können dann parallel befüllt werden. Bis zu 65 Watt Ladeleistung werden dabei erzielt – vorausgesetzt natürlich, man verwendet das Original-Ladegerät, das aber zumindest im Gegensatz zu so manchem Mitbewerber noch mitgeliefert wird.

Nicht minder beeindruckend sind die Werte für drahtloses Laden: Mit dem richtigen – hier aber extern zu kaufenden – Ladegerät werden beim Pro-Modell stolze 50 Watt Ladeleistung erzielt. Ob man das wirklich will, ist allerdings eine ganz andere Frage, immerhin ist die Kehrseite, dass der entsprechende Wireless Charger aktiv gekühlt werden muss – also einen Lüfter besitzt, der natürlich zu hören ist. Die Basisversion muss hingegen mit 15 Watt beim drahtlosen Aufladen auskommen, was für die meisten Einsatzgebiete aber locker reicht.

Fingerabdruck

Eines muss man dem im Display angebrachten Fingerabdrucksensor der Oneplus-9-Serie lassen: Er ist schnell, und zwar richtig schnell. Auch an der Zuverlässigkeit gibt es nichts auszusetzen. Gleichzeitig muss aber einmal mehr daran erinnert werden, dass solche optischen Sensoren begrenzt sicher sind, und das sollte bei einem Autorisierungssystem eigentlich auch irgendwie eine Rolle spielen. Bei der konkreten Implementation stört zudem, dass der Sensor sehr weit unten angebracht ist, was das Erreichen manchmal etwas mühsam machen.

Der Fingerabdrucksensor ist schnell, aber zu weit unten angebracht.
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5G

Auch bei der Netzwerkausstattung gibt sich Oneplus aktuell: Beide Modelle unterstützen 5G. In den USA gibt es Diskussionen über den fehlenden mmWave-Support bei der kleineren Ausführung, das ist aber in Europa auf absehbare Zeit kein Thema, immerhin gibt es noch gar keine passenden Netze. Und auch sonst muss einem natürlich klar sein, dass 5G noch immer am Anfang steht. Das zeigt sich im Test bald: Denn selbst dort, wo 5G verfügbar ist, ist es nicht immer die beste Option. So liefert der Speedtest bei deaktiviertem 5G immer wieder einmal bessere Ergebnisse als bei aktivem 5G. An anderen Stellen war dann zwar 5G wieder deutlich überlegen, trotzdem zeigt dies, dass sowohl die Gerätehersteller als auch die Mobilfunker in dieser Hinsicht noch einige Arbeit vor sich haben. Uneingeschränkt erfreulich ist der Dual-SIM-Support, eSIM-Unterstützung sucht man hingegen vergeblich.

Nicht immer ist 5G die schnellste Wahl.
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Allen Werbeversprechen zum Trotz bleibt es auch im Vergleich zu 5G immer die bessere Wahl, mit einem eigenen WLAN verbunden zu sein – vor allem, was die schnelleren Reaktionszeiten anbelangt. In dieser Hinsicht unterstützen die neuen Smartphones WLAN6, das neuere WLAN6E mit seinen zusätzlichen – in Europa aber noch nicht erlaubten – Frequenzen gibt es hingegen nicht – im Gegensatz zur S21-Reihe. Bluetooth 5.2 wird ebenfalls unterstützt.

Vermischtes

Beide Geräte gibt es in Ausführungen mit 128 oder 256 GB lokalem Speicherplatz, der dank UFS 3.1 auch ziemlich flott ist. Auf einen Micro-SD-Slot muss man hingegen verzichten. Eine IP68-Zertifizierung zum Schutz vor Staub und Wasser gibt es nur beim Pro-Modell. Bleiben noch die klanglichen Vorzüge. Die Anrufqualität ist in Ordnung, die Wiedergabe nach außen hingegen bestenfalls "okay". Zwar werden die Stereo-Lautsprecher ziemlich laut, sie klingen dabei aber auch äußerst blechern. Eine Kopfhörerbuchse gibt es bei den Oneplus-Geräten nicht.

Softwarestärken

Eine der vielgelobten Stärken von Oneplus ist das eigenen OxygenOS – in diesem Fall auf Basis von Android 11. Im vergangenen Jahr hat der Hersteller zwar ein paar durchaus umstrittene Änderungen vorgenommen, in Summe bleibt OxygenOS aber weiterhin eine der besten Android-Varianten. Das liegt daran, dass man die Android-Modifikationen auf wenige, dafür aber meist wirklich sinnvolle Bereiche beschränkt. Hier ein paar zusätzliche Funktionen, dort erweiterte Einstellmöglichkeiten. Im Vergleich zum mittlerweile schon wieder ziemlich zugemüllten OneUI von Samsung ist das regelrecht erholsam.

Das gilt auch für die Softwareauswahl: Oneplus übernimmt viele Apps von Google – etwa die SMS- und Telefonie-Apps – und verzichtet so auf viele – und das sind sie in den genannten Fällen – sinnlose Dopplungen, wie man sie von anderen Herstellern kennt. Generell ist die Zahl der vorinstallierten Apps damit erfreulich überschaubar. Einiges, was sich nach dem Setup auf dem Gerät befindet, lässt sich zudem nachträglich restlos entfernen. Seltsamerweise zählen dazu ein paar Oneplus-Apps, die sich gar nicht im Play Store befinden, hier ist man also etwas über das Ziel hinausgeschossen. Ein paar der fix vorinstallierten Apps könnten wiederum bei künftigen Geräten durchaus verschwinden. So lassen sich etwa Google Play Movies oder Google Photos nicht restlos löschen – was bei anderen Geräten sehr wohl geht. Und auch Netflix ist fix vorinstalliert. Zumindest verzichtet Oneplus nach scharfer öffentlicher Kritik mittlerweile auf die Installation von versteckten Facebook-Diensten.

Eindrücke von OxygenOS (von links nach rechts): Homescreen, Never-Settle-Ansicht, Discover-Ansicht und Systemeinstellungen.
Screenshots: Proschofsky / STANDARD

Ein paar der Software-Alleingänge sind aber auch bei Oneplus zweifelhafter Natur: So gibt es eine weitgehend sinnfreie "Never Settle"-Ansicht, die bei einer Wischbewegung nach unten am Homescreen aufgerufen wird. Diese versammelt so Dinge wie zuletzt genutzte Apps, Lieblings-Apps oder ein System-Dashboard sowie Informationen zur Parkposition des eigenen Autos. Ein etwas seltsames Sammelsurium, das hier an sehr zentraler Stelle zu finden ist – über die bei anderen Geräten der wesentlich wichtigere Benachrichtigungsbereich aufgerufen werden kann. Das Ganze wirkt in Summe wie eine Verlegenheitslösung, nachdem man den Bereich links neben dem ersten Homescreen lieber Googles Discover-Ansicht überlassen hat.

Update-Versagen

Softwareseitig klingt das in Summe trotzdem alles sehr gut, es gibt aber einen entscheidenden Schönheitsfehler: die Update-Politik. Oneplus verspricht für seine Geräte zwei große Versionssprünge, zum Vergleich: Bei Samsung und Google sind es selbst für deutlich billigere Smartphones drei. Viel schlimmer ist aber ein anderer Punkt: Auch im Jahr 2021 verspricht Oneplus weiterhin keine monatlichen Sicherheitsaktualisierungen. Das diesbezügliche Versprechen lautet lediglich zweimonatlich.

Das ist gerade in dieser Preisklasse – und das muss so deutlich gesagt werden – schlicht inakzeptabel. Dazu passt dann, dass Oneplus generell in der jüngeren Vergangenheit immer wieder Probleme mit der Update-Auslieferung hatte. Während Firmen wie Samsung in dieser Hinsicht zuletzt deutlich besser geworden sind, wirkt es bei Oneplus so, als würde sich das Unternehmen eher zurückbewegen. Will man in diesen Preiskategorien ernsthaft mitspielen, sollte das Unternehmen jedenfalls dringend mehr Ressourcen in die Softwarewartung investieren.

Verfügbarkeit

Sowohl Oneplus 9 als auch Oneplus 9 Pro sind bereits im österreichischen Handel sowie im Angebot von A1 verfügbar. Der Preis beginnt für das Oneplus 9 bei 699 Euro, für das Pro-Modell muss man mit 899 Euro dann schon erheblich mehr bezahlen. Das drahtlose Ladegerät schlägt mit rund 70 Euro zu Buche.

Viel Hasselblad steht drauf, wenig Hasselblad ist drinnen.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Fazit

Oneplus macht es einem schwierig: Mit dem Oneplus 9 liefert man prinzipiell ein wirklich tolles Gerät für einen fairen Preis. Klar: Es gibt gewisse Schwächen, aber die gibt es bei jedem Hersteller. Einzig der Verzicht auf die optische Bildstabilisierung bei der Hauptkamera schmerzt wirklich – und wirkt beinahe schon geizig. Trotzdem: Wer mit den beschriebenen Schwächen leben kann, findet hier eine hervorragende Wahl.

Schwieriger wird es dann schon beim Pro-Modell, und das hat einen simplen Grund: Die 200 Euro Aufpreis sind für den recht überschaubaren Unterschied gegenüber der Basisvariante kaum zu rechtfertigen. Dazu kommt, dass man sich damit in preisliche Bereiche begibt, in denen man direkt mit bekannteren Firmen wie Samsung konkurriert – die in einzelnen Punkten auch die bessere Hardware haben. Für Oneplus würde hingegen die schlankere Software sprechen – wäre da nicht die betrübliche Update-Policy. (Andreas Proschofsky, 5.4.2021)