Ist es noch zu früh, um Clubhouse wirklich zu Grabe zu tragen?

Foto: Der Standard/Stefan Mey

Virtuelle Konferenzen auf dem iPhone – aber ohne Videobeiträge, sondern ausschließlich im Audioformat. Das ist das Konzept von Clubhouse. Sie kennen Clubhouse nicht? Kein Problem: Denn nachdem die App einen kurzen, intensiven Hype erlebte und neben Journalisten und Influencern auch Politiker auf die virtuelle Bühne lockte, ist sie in Österreich inzwischen schon wieder in der Bedeutungslosigkeit versunken. Das Konzept könnte trotzdem Erfolg haben, nämlich in Form zahlreicher Nachahmer.

"Ich würde es nicht als 'tot' bezeichnen, aber es gibt schon deutlich weniger Content und Sessions als zuvor", sagt Benjamin Ruschin, Geschäftsführer von We Are Developers und eines der bekanntesten Gesichter der heimische Start-up-Community: Wer früher – so wie er auch – teils fünfmal pro Woche einen Talk veranstaltet habe, der mache dies vielleicht nur noch einmal pro Woche. Dadurch gibt es weniger Inhalte im deutschsprachigen Raum, wodurch der Anreiz sinkt, die Plattform überhaupt zu verwenden – eine Abwärtsspirale also.

Zugleich war WKO-Präsident Harald Mahrer noch vor wenigen Wochen Dauergast in diversen Clubhouse-Talks, auf seinem Profil bezeichnete er sich neben den Funktionen "Visionary" und "Writer" auch hip als "Jedi on the Road".

Doch auch hier fällt die Antwort auf Anfrage des STANDARD nach den aktuellen Clubhouse-Aktivitäten recht nüchtern aus. "Die Wirtschaftskammer nutzt eine Vielzahl von Kommunikationskanälen, um auch während der Pandemie im direkten Dialog mit der breiten Öffentlichkeit zu bleiben. Clubhouse ist nur einer davon", heißt es aus der Wirtschaftskammer: "Wie sich Clubhouse weiterentwickeln wird, wird die Zukunft zeigen. Aktuell bietet Clubhouse die Möglichkeit, auch während der Pandemie Dialogformate schnell und ohne finanziellen Aufwand möglich zu machen."

War Clubhouse jemals erfolgreich?

Die Frage ist überhaupt: War Clubhouse jemals wirklich groß? Oder handelte es sich lediglich um einen Hype, der sich in der Bubble aus Start-ups, Politikern, Journalisten und Influencern abspielte? Was sagt die Jugend? "Bei Jugendlichen in Österreich war Clubhouse niemals wirklich groß", sagt Matthias Jax, Projektleiter bei Safer Internet. Die Organisation beobachtet unter anderem mit dem Jugend Internet Monitor das Onlineverhalten von Jugendlichen in Österreich.

Weiterreichende Daten bietet eine Umfrage von OMD unter über 2000 deutschen Befragten im Jänner 2021: Demnach hatten über 75 Prozent der Befragten im Alter zwischen 18 und 59 Jahren noch nie von Clubhouse gehört. Nur 0,74 Prozent der Befragten gaben an, die App tatsächlich zu nutzen. Ein Massenphänomen sieht anders aus.

Ein Grund für die schwache Verbreitung – vor allem unter Jugendlichen – sieht Jax in der Beschränkung auf das iPhone: Viele Jugendliche haben kein iOS-, sondern ein Android-Gerät und somit keinen Zugang zur App. Das gilt auch für Erwachsene: Während das iPhone in den USA eine Verbreitung von knapp 50 Prozent genießt, lag der Anteil an den verkauften Smartphones weltweit zuletzt bei nur 23,4 Prozent. Da hilft es auch nichts, dass immer wieder Gerüchte von einer Clubhouse-Version für Android aufkamen: Was es nicht gibt, das gibt es nicht, und das kann auch nicht genutzt werden.

Von wenig in Richtung gar nichts

Von diesem niedrigen Niveau aus gesehen geht es nun weiter bergab, wie auch der Kommunikationsberater und Social-Media-Experte Andreas Mittelmeier sagt. Das zeige sich nicht nur in der App selbst, sondern auch in der Aktivität auf anderen Social Networks: Wurde vor einigen Wochen noch regelmäßig auf Linkedin, Twitter und Instagram verkündet, dass man heute Abend den nächsten Clubhouse-Talk starte, so ist es in dieser Hinsicht still geworden. Auch die Auftritte der prominenten Gäste sind weniger geworden, wie Mittelmeier betont: "Man muss klar sagen, dass das kein Trend war, sondern ein Hype."

Mittelmeier verweist auch auf die laut Google Trends gesunkenen Suchanfragen nach dem Begriff "Clubhouse". Die folgende Grafik zeigt die globale Entwicklung: Klar ersichtlich ist hier ein Peak von Ende Jänner bis Mitte Februar – der dann aber ebenso rasch abstürzt, wie er angestiegen ist.

Die weltweiten Google-Suchanfragen nach Clubhouse.
Foto: Google Trends

Ebenso war das Ranking in den eigentlichen Download-Charts nicht mehr unbedingt herausragend: Am 1. April 2021 rangierte Clubhouse in Apples App Store auf Platz 158 – einen Platz vor der Führerscheintest-App des ÖAMTC.

Dabei sind die Downloads noch nicht einmal die harte Währung, sondern die monatlich aktiven User. "Denn wie monetarisiert man eine solche App? Durch Werbung. Und das funktioniert nur, wenn viele User die App regelmäßig nutzen", sagt Mittelmeier. Die Zahl der monatlich aktiven User ist zwar nicht offiziell bekannt – aber auch hier ist eine klare Entwicklung ersichtlich: Wurden früher noch teils Gewinnspiele um einen Zugang zur App veranstaltet, so kräht nun kein Hahn mehr danach. Der Ball liegt nun bei jenen Unternehmen, die ohnehin schon eine große Userbase – und mit der Reichweite auch mehr Möglichkeiten – haben.

Hier kommen die Clubhouse-Killer

Denn die Grundfunktion von Clubhouse per se ist schon reizvoll, wie alle Gesprächspartner gegenüber dem STANDARD betonen – das Problem liegt eben in der Reichweite. Die Großen könnten die Funktion also kopieren, während der Pionier in der Bedeutungslosigkeit versinkt. Das kommt Ihnen bekannt vor? Unter anderem zeigte sich das an der App Meerkat, die das Feature des Live-Videostreams vorstellte und somit auf der Innovationskonferenz SXSW zum "next big thing" wurde. Es dauerte nicht lange, bis Twitter und Facebook diese Idee übernahmen. Die Livestreams bei den Großen gibt es noch – Meerkat hingegen nicht mehr.

Und so steht nun unter anderem Twitter mit einer Funktion namens "Twitter Spaces" in den Startlöchern. Hier sieht Mittelmeier, der die Funktion bereits näher begutachtet, viel Potenzial: Unter anderem soll es eine Desktop-Version geben, welche die Administration für Hosts deutlich einfacher machen würde als bei Clubhouse, welches nur auf dem iPhone bedient werden konnte.

So könnte Facebooks Clubhouse-Kopie aussehen.
Foto: Alessandro Paluzzi/Techcrunch

Und natürlich arbeitet auch Facebook an einer Clubhouse-Kopie – welche optisch stark an Clubhouse selbst erinnern soll, wie zuletzt "Techcrunch" auf Basis zugespielter Screenshots schrieb.

Weiters hat Linkedin die Arbeit an einem Clubhouse-Rivalen bestätigt, welcher sich wohl eher an die Business-Klientel richten dürfte – und somit vor allem für die bereits auf Clubhouse höchst aktive Jungunternehmer-Community spannend sein könnte.

Das politisch höchst umstrittene Telegram kündigt indes ebenfalls eine Möglichkeit für Audiochats inklusive der Möglichkeit zum Mitschneiden an. Und Discord, selbst ein großer Player im Bereich der Sprachchats, hat seine Funktionen nun in Richtung Clubhouse-Kopie ausgebaut.

Jam: Clubhouse-Herausforderer aus Österreich

All diesen Lösungen ist allein aufgrund ihrer Größe eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit zugesagt als dem Pionier Clubhouse. Und dann gibt es noch Jam: Einen David aus Österreich, der gegen die Goliaths des Silicon Valleys antritt und dabei recht gute Karten in der Hand hält. Weil er nämlich alles anders macht als die Konkurrenz.

Denn zwar bietet auch Jam eine Bühne für Audiotalks und die Möglichkeit, Zuhörer aus dem Publikum zu Wort kommen zu lassen – ansonsten macht man aber alles richtig, was Clubhouse falsch gemacht hat: Jam ist plattformunabhängig, Open Source, funktioniert im Browser und legt im Gegensatz zu Clubhouse großen Wert auf Datenschutz.

In Nicht-Technik-Deutsch heißt das, dass jedermann Jam auf dem eigenen Server installieren kann. Von dort können die User über das Gerät ihrer Wahl darauf zugreifen, und die Funktion kann auch in die eigene App integriert werden. In weiterer Folge bedeutet das auch, dass das Jam-Team nicht mitbekommt, was in den Chats passiert, da alles auf den Servern der Hosts passiert. "Es laufen dann weder Daten noch Metadaten über uns", sagt Thomas Schranz, Co-Founder von Jam.

Gratis auf dem eigenen Server hosten

Wer wiederum keinen eigenen Server hat, der kann Jam auch auf dem Server des Start-ups laufen lassen – in etwa ist das damit vergleichbar, dass man das Content-Management-System Wordpress entweder auf dem eigenen Server installiert oder sofort auf wordpress.com zu bloggen beginnt.

Die Selbstinstallation ist gratis, für die "kommerzielle Version" werden im Early-Adopter-Paket derzeit 100 Euro pro Jahr verlangt. Auf dem Jam-eigenen Server haben Userinnen und User vergangenen März in Summe rund 500.000 Minuten verbracht, Daten zu Downloads erhebt Jam nicht. "Wir verwenden noch nicht einmal Google Analytics", sagt Schranz.

Auf technischer Ebene entwickelt das Start-up sein Produkt stetig weiter. So läuft das Programm derzeit stabil, wenn bis zu 30 Leute im Raum sind, mit stabilen Internetverbindungen sind bis zu 100 Personen möglich – durch eine technische Umstellung soll es in drei bis vier Wochen dann möglich sein, dass unlimitiert viele Menschen in einem Raum sind.

Auch eine Recording-Funktion soll folgen – mit entsprechenden Notifications an die Gäste im Raum, damit der Datenschutz nicht zu kurz kommt. Denn auch das war einer der Kritikpunkte an Clubhouse, dort laufen die Daten nämlich über einen chinesischen Server – ironischerweise scheint es aber so, als sei dieses schwere Manko im Datenschutz gar nicht einmal der gewichtigste Grund für den Niedergang gewesen. (Stefan Mey, 2.4.2021)