Leo Windtner, der 70-jährige ÖFB-Präsident, steckte am Tag danach immer noch tief im Tal der Dänen. Das liegt in seinem Fall in Oberösterreich. Sein Redebedarf war nicht ausufernd, verständlich, denn der Vorabend in Wien, das 0:4 in der WM-Quali, hat Spuren hinterlassen. "Bei allem Respekt vor Dänemark, das Resultat entspricht nicht unseren Ansprüchen." Er sei nicht gewillt, eine Teamchefdiskussion zu führen, die überlässt er Fans und Medien. Franco Foda sitze fest im Sattel. "Die EM steht vor der Tür, da brauchen wir Ruhe. Es war sicher ein Rückschlag, aber es werden wieder andere Abende kommen."

Weiß jubelt, Schwarz trauert. Schwarz sind Aleksandar Dragovic (links) und Marcel Sabitzer.
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Windtner ist seit Februar 2009 im Amt. Es hat also zwölf Jahre gedauert, um einen Rekord aufzustellen, an dem er natürlich nicht direkt beteiligt war. Er schaute im leeren Happel-Stadion ja nur zu. Das 0:4 bedeutete die höchste Pflichtspiel-Heimniederlage in der Geschichte des Fußballbundes, der am 18. März 1904 gegründet wurde.

Es ist nie einfach, in dänische Köpfe zu blicken, aber es könnte sich so zugetragen haben. Bis zur Pause schaute man sich die Öster reicher nur an, es stand 0:0. In der Kabine zog man den kollektiven Schluss: "Die können eigentlich nicht viel, also legen wir los, zeigen wir ihnen, wie es geht."

Österreichs Nationalteam leidet wohl an Selbstüberschätzung. Dagegen gibt es keinen lieferbaren Impfstoff. Foda sagte vor der Partie: "Keine Sorge. Wir haben die Qualität, uns mit der Aufgabe zu steigern." Der Gegenbeweis gelang eindrucksvoll. Sie sind mit der Aufgabe geschrumpft. Obwohl sie alle bei ihren Vereinen, und das sind keine finnischen Zweitligisten, Stammkräfte und Leistungsträger sind.

Lange im Geschäft

"Nach so einer Niederlage muss man einige Dinge überdenken und das eine oder andere korrigieren. Ich bin sehr lange im Geschäft. Man lernt, in gewissen Situationen ruhig zu bleiben. Es gibt oft nur Schwarz oder Weiß", sagte der 54-jährige Deutsche. Und er verwies auf die Ergebnisse in der Vergangenheit. "Man sollte schon die letzten drei Jahre Revue passieren lassen." Natürlich hatte das Team Erfolge, aber es löste praktisch nie Begeisterungsstürme aus.

Trost für David Alaba. Er erschien überall und nirgendwo.

Aktuell geht es um den 31. März 2021. Keine Dynamik, kein Speed, kein Spielwitz, keine Struktur, kein Mut, keine Torchancen. Sollte Foda einen Matchplan ausgetüftelt haben, wurde er nicht verstanden. Es herrschte ein Durcheinander. Superstar David Alaba etwa erschien überall und nirgendwo, er hat nicht zuletzt sich selbst irritiert. Marcel Sabitzer tauchte völlig unter, er hinterließ den Eindruck, als ginge ihn das alles gar nichts an.

Gernot Trauner ist gewiss ein ehrenwerter Innenverteidiger, er scheint aber eher doch zum LASK zu passen. Sein Vereinskollege Alexander Schlager mag ein passabler Tormann sein, in den drei Spielen (zuvor 2:2 gegen Schottland, 3:1 gegen Färöer) war er weder Stütze noch Halt. Er sagte: "Wir dürfen nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern müssen die richtigen Schlüsse ziehen und dann versuchen, einen positiven Flow in die Zukunft mitzunehmen."

Alaba wurde fast philosophisch: "Wir müssen an den Höhen anknüpfen und aus den Tiefen lernen." Verteidiger Aleksandar Dragovic hat den Gruppensieg, also die direkte Qualifikation für Katar, angesichts des Rückstands von fünf Zählern abgeschrieben. "Wer jetzt vom ersten Platz träumt, der hat die Realität verloren."

Die dänischen Medien bestätigten diese Einschätzung, wobei ihnen Dragovic wurscht ist. Jyllands-Posten schrieb: "Wir spielten zu schnell, gestand der österreichische Nationaltrainer nach dieser Ohrfeige." Ekstra Bladet titelte: "Meisterwerk von Teamchef Hjulmand. Die Österreicher wurden in der zweiten Hälfte an die Wand gespielt."

Foda steht mit dem Rücken zur Wand. Okay, Stützen wie Martin Hinteregger, Konrad Laimer, Julian Baumgartlinger und Marko Arnautovic wurden vermisst. "Ich bin kein Mensch, der nach Ausreden sucht, aber es haben einige gefehlt."

Franco Foda hat als Teamchef schon weit lustigere Abende erlebt. Er wird einige Dinge überdenken.
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Anderes Bild

Nun ist Pause. Ende Mai versammelt sich der Kader in Bad Tatzmannsdorf zu einem Lehrgang, um gegen England (2. Juni) und die Slowakei zu testen (6. Juni). Die EM beginnt für Österreich am 13. Juni in Bukarest gegen Nordmazedonien, weitere Gruppenpartner sind die Niederlande und die Ukraine. "Wir werden ein anderes Bild abgeben", verspricht Foda und lehnt sich nicht weit aus dem Fenster.

Ein Bild vom Mittwoch bleibt. Während der Hymne wurde ein Transparent entrollt, auf dem geschrieben stand: "Menschenrechte schützen". Es sollte die einzige sinnvolle Aktion gewesen sein. Ein WM-Boykott steht bei keiner Nation zur Diskussion. Österreich dürfte sich ohnehin aus der Affäre ziehen. (Christian Hackl, 1.4.2021)