Zielführender ist ein internationaler Klimaklub mit den wichtigsten Handelspartnern, sagt Gabriel Felbermayr, der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, im Gastkommentar.

Wie bekämpft man Erderwärmung und Klimawandel? Eine Fridays-for-Future-Demonstrantin in Wien tritt für das 1,5-Grad-Ziel nach dem Pariser Klimaabkommen ein.
Foto: EPA / Christian Bruna

Europa will mehr tun, um den Klimawandel abzubremsen. Bis 2050 will es die Netto-CO2-Emissionen auf null senken. Andere Länder, allen voran die USA unter dem neuen Präsidenten Joe Biden, haben ähnliche Ambitionen. Die Ziele sind nur mit riesigen Anstrengungen erreichbar. Das zentrale Steuerungsinstrument müssen höhere Preise für CO2-Emissionen sein. Nur so werden die richtigen Anreize für den Umbau der Volkswirtschaft gesetzt, und die gesamtwirtschaftlichen Kosten bleiben bewältigbar.

Höhere CO2-Preise, die auch nur in die Nähe der von der Klimaforschung geforderten 100 Euro pro Tonne reichen, haben unangenehme Nebenwirkungen. Sie können im Inland zu verteilungspolitischen Verwerfungen führen – daher braucht es eine geeignete sozialpolitische Absicherung. Und sie können Carbon-Leakage hervorrufen. Damit ist gemeint, dass die heimischen Einsparungen der Treibhausgasemissionen durch zusätzlichen Ausstoß im Ausland kompensiert werden. Dies geschieht beispielsweise, wenn die Produktion CO2-intensiver Güter durch Importe aus Ländern ersetzt wird, die keine CO2-Bepreisung haben. Dann würde sich die EU deindustrialisieren, ohne dass die globalen Emissionen entscheidend sänken.

Unilateraler Ansatz

Angeführt von Finanzminister Gernot Blümel, haben 20 Ministerinnen und Minister aus neun EU-Mitgliedsstaaten in einem Gastbeitrag für die Brüsseler Zeitung Politico die Einführung eines CO2-Grenzausgleichs vorgeschlagen. Ein solcher Mechanismus soll die Importe von CO2-intensiven Gütern mit einer Klimaabgabe belegen, um zu verhindern, dass die inländische Produktion von Importen verdrängt wird. Der Mechanismus soll "effektiv, rechtmäßig und fair" sein. Auch die EU-Kommission verfolgt ein solches Konzept.

Ein Grenzausgleich wird in der Tat ein wichtiger Teil der zukünftigen Klimapolitik sein müssen. Aber der unilaterale Ansatz, der den Vorschlag der Politikerinnen und Politiker leitet, kann das globale Klimaproblem nicht in den Griff kriegen.

Horrende Kosten

Zunächst ist ja die nach dem Brexit geschrumpfte EU nur für acht Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Selbst wenn die Einsparungen erreicht werden, drohen horrende Kosten durch einen ungebremsten Klimawandel, wenn das EU-Ausland, das 92 Prozent der Emissionen verursacht, seinen Ausstoß nicht auch drastisch reduziert. Daher ist die Frage zentral, wie die EU mit ihrer Politik die Bereitschaft des Auslands erhöhen kann, selbst eine CO2-Bepreisung einzuführen.

Baut die EU eine europäische Klimafestung, kann sie bestenfalls die Abwanderung von Produktion verhindern. Die Gefahr, dass trotzdem die Emissionen des Auslands steigen, ist aber groß: Unilaterale CO2-Preise in der EU vermindern hierzulande die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen. Das ist zunächst gut, hat aber zur Folge, dass die Weltmarktpreise für Kohle, Erdöl und Erdgas sinken. Damit steigen die Anreize im Ausland für die Verbrennung dieser Rohstoffe. Im schlimmsten Fall subventioniert dann die EU mit ihrer Politik ausländische Emissionen, und der globale Ausstoß sinkt nicht. Studien schätzen dieses als indirektes Leakage benannte Phänomen als deutlich wichtiger ein, als das direkte Leakage durch Verlagerung von Produktion, welches die Ministerinnen und Minister umtreibt. Damit ist klar: Ein Grenzausgleich kann bestenfalls industriepolitisch effektiv sein, klimapolitisch ist er es nicht.

Handelspolitische Konfliktgefahr

Es sei denn, er verstärkt, wie von den Ministerinnen und Ministern erhofft, wirklich die internationale Zusammenarbeit und Koordination in der Klimapolitik. Nur, wie soll das geschehen? Es ist plausibel, dass die EU genau das Gegenteil provoziert: Wenn sie versucht, den CO2-Gehalt der Importe zu besteuern, dann belastet sie damit ausländische Produzenten, was als Provokation wahrgenommen werden kann, auch wenn man immer wieder beschwört, der Grenzausgleich sei kein Protektionismus. Diese Behauptung ist ohnehin nicht glaubwürdig, wenn führende EU-Politiker wie der französische Kommissar Thierry Breton verbreiten, dass der Grenzausgleich zum EU-Budget beitragen soll, ohne die EU-Bürger finanziell zu belasten.

Der wissenschaftliche Beirat im deutschen Wirtschaftsministerium hat daher vorgeschlagen, dass die EU nicht unilateral vorgehen soll, sondern mit den wichtigsten Handelspartnern, allen voran mit den USA und Großbritannien sowie deren jeweils wichtigsten wirtschaftlichen Alliierten, einen Klimaklub gründet. Die Mitglieder verpflichten sich auf einen CO2-Mindestpreis, verzichten dann aber gegenseitig auf die Durchführung eines Grenzausgleichs. Gegenüber Nichtmitgliedern gäbe es aber einen Grenzausgleich, genauso wie Blümel und Co dies vorschlagen.

Starke Anreize

Ein Klimaklub spart Unternehmen auf wichtigen Handelsrouten den Bürokratieaufwand des Grenzausgleichs, und er mindert die handelspolitische Konfliktgefahr. Wichtiger aber noch: Andere Länder hätten starke Anreize, selbst einen CO2-Preis einzuführen, um so dem Klub beitreten zu können. Denn so können sie die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung behalten, die sonst an die EU fallen würden. Je größer der Klub wird, umso kleiner wird die Gefahr des indirekten Leakage, und umso stärker ist der Beitrag zum globalen Klimaschutz.

Ein Klimaklub erfordert eine massive außenpolitische Offensive in der EU-Klimapolitik. Sie müsste die USA von der Einführung eines nationalen CO2-Preises überzeugen. Und anstatt neue Einnahmequellen zu erschließen, müsste man gegenüber ärmeren Ländern weitere finanzielle Anreize für das Mitmachen setzen. Das ist aufwendiger, als unilateral eine Klimaabgabe auf Importe einzuführen. Alles andere ist aber klimapolitisch ziemlich sicher ineffektiv. (Gabriel Felbermayr, 2.4.2021)