Ein Protest 2020 in Mexiko gegen die zahllosen Morde an Frauen mit rot bemalten Schuhen, die für die Opfer stehen sollen.

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Morde an Frauen durch ihre Partner oder Ex-Partner passieren regelmäßig. Die Zahlen bewegen sich in Österreich seit einigen Jahren zwischen durchschnittlich 2,3 ermordeten Frauen pro Monat wie 2016 und 3,41 Frauenmorden 2018, einem Jahr mit einer besonders hohen Frauenmordrate. Mindestens so regelmäßig wie diese Morde werden Forderungen von Frauenvereinen und Gewaltschutzzentren laut, es brauche eine stärkere systematische Betrachtung von Femiziden. Schon durch den Gebrauch des Begriffs Femizid wird dies versucht: Er soll aufzeigen, dass Frauen aufgrund ihres Geschlechts getötet werden. Und das basiere wiederum auf der gesellschaftlichen Schlechterstellung von Frauen, die bis heute in einem noch immer stark verbreiteten Frauenhass gipfelt.

Welche Ansätze gibt es bereits, um Gewalt gegen Frauen systematischer zu begegnen? Und warum sind manche davon tatsächlich schwer umsetzbar? Die wohl bekannteste internationale Maßnahme für einen umfassenden Schutz von Frauen vor Gewalt ist die Istanbul-Konvention, das "Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt". Es wurde bisher von 13 Staaten, auch Österreich, unterzeichnet. Ein Komitee von internationalen Expertinnen und Experten (Group of Experts on action against violence against women and domestic violence, GREVIO) überprüft die Einhaltung der Konvention.

Politische Wirkung der Istanbul-Konvention

Die Türkei hat kürzlich den Austritt aus der Istanbul-Konvention verkündet, obwohl die Frauenmorde in der Türkei zunehmen. Die türkische Frauenministerin Zehra Zümrüt Selçuk argumentierte den Austritt damit, dass die türkischen Gesetze für den Schutz von Frauen ausreichten. Der strengreligiöse und der islamistische Flügel innerhalb und außerhalb der regierenden AKP üben schon seit Jahren Kritik an der Konvention: Diese führe zu steigenden Scheidungsraten und "untergrabe die Ordnung in der Familie". Wie wirkungsvoll ist diese Übereinkunft also angesichts dessen, dass man sie auch einfach aufkündigen kann, wenn sie einer Regierung nicht mehr passt?

"Von der Öffentlichkeitswirkung her ist es ein starkes Instrument", sagt Isabel Haider vom Institut für Strafrecht und Kriminologie der Uni Wien. Allerdings habe es wie auch andere völkerrechtliche Rechtsinstrumente keinen richtigen Durchsetzungsmechanismus. "Doch mit der Istanbul-Konvention haben wir ein Instrument, das Verfehlungen feststellen kann – und somit hat sie eine politische Wirkung", sagt Haider.

Im Zusammenhang mit der Istanbul-Konvention geht es also nicht nur um Ratifizieren oder Austreten, sondern die Länder sollen schließlich den Empfehlungen auch folgen. Österreich ist unter anderem bei der Datenlage zu Gewalt gegen Frauen säumig. Genau das ist aber eine konstante Forderung von Gewaltschutzeinrichtungen, aber auch von Forscher*innen. Weder die statistische Erfassung noch die Informationssammlung und -bewertung in den Ermittlungen entspricht den Vorgaben der Konvention, sagt Haider. Die Informationssammlung passiert wenig formalisiert, stark einzelfallbezogen und unter zu wenig Beachtung geschlechtsbezogener Aspekte der Gewalt. Statt auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren Einschätzungen stärker auf den Erfahrungswerten von Beamt*innen. Und das bedeutet letztlich große Qualitätsunterschiede bei dieser Beurteilung, gibt Haider zu bedenken.

Unbekannte Gewalt gegen Trans*-, Non-binary- oder Inter*-Menschen

Die Datenlage sei also "ausbaufähig". Zum Ausmaß geschlechtsbezogener Gewalt ist für einige ihrer Formen in Österreich so gut wie gar nichts bekannt. Dies betrifft etwa auch Gewalt gegen Trans*-, Non-binary- oder Inter*-Menschen. Die kriminalstatistische Nichtaufbereitung hat auch insofern Konsequenzen, als auf Basis dieser Statistik strategische und operative kriminalpolizeiliche Maßnahmen gesetzt werden. Sie ist Grundlage für organisatorische Planungen und Entscheidungen, Schwerpunktsetzungen und Budget.

In diesem Zusammenhang wird auch laufend die Forderung laut, die Ideologie hinter Frauenmorden müsse viel stärker in den Fokus gerückt werden, um das Problem stärker bei der Wurzel zu packen. Hierbei ergeben sich aber juristische Schwierigkeiten: Es gibt bei der Kontextualisierung von Hasskriminalität grob gesprochen zwei Formen, erklärt Haider. In der einen ist im Strafrecht Voraussetzung, dass tatsächlich Hass oder Feindseligkeit nachgewiesen wird. Die andere Form ist breiter angelegt und darauf abgestellt, dass das Opfer aufgrund eines bestimmten Gruppenmerkmals ausgewählt wurde.

Die Umsetzung in Österreich ließe eigentlich letztere Auslegung zu. Jedoch gibt es zu Hassverbrechen bisher kaum Rechtsprechung, insbesondere zu solchen gegen Frauen. Einem Täter nachzuweisen, dass er Frauen per se hasst oder deshalb einen Mord begangenen hat, ist wie auch bei anderen Vorurteilsmotiven schwierig. Hinzu kommt, dass es verschiedenste Motive für Morde gibt und Morde auch in anderen Bekanntschaftskonstellationen begangen werden, etwa wenn es Verwandtschaftsverhältnisse oder Freundschaft gab. "Man kann Frauenmorde und Hassverbrechen nicht gleichsetzen, sondern es braucht eine Prüfung im Einzelfall", so Haider. Ermittlungen hinsichtlich der Motive des Täters, auch in Richtung etwaiger frauenverachtender Einstellungen, erfolgten derzeit bei Frauenmorden jedoch kaum.

Entflechtung persönlicher Motive von Frauenhass

Laut Istanbul-Konvention liegt geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen dann vor, wenn das Geschlecht des Opfers das Hauptmotiv für die Gewalttat ist. "Gerade bei der häufigsten Form von Gewalt gegen Frauen, der häuslichen Gewalt, werden vermeintlich interpersonelle Motive oft nicht auf ihren Geschlechtsbezug hinterfragt", sagt Haider. So kommen bei Frauenmorden im Zusammenhang mit Beziehungen wie auch bei anderen Täter-Opfer-Konstellationen mögliche interpersonelle oder andere Motive ohne Geschlechtsbezug – beispielsweise eine Lebensversicherung – infrage. Motive mit Geschlechtsbezug wären etwa solche, die sich zwar vermeintlich nur auf die individuelle Frau und somit nicht alle Frauen per se beziehen, in Wahrheit jedoch durch geschlechtsbezogene Rollenzuschreibungen bedingt sind.

Bei Frauenmorden im Zusammenhang mit Intimbeziehungen gibt es häufig eine Gewaltvorgeschichte durch den Täter gegen dieselbe Frau oder Ex-Partnerinnen. "Die Gewalt wird beispielsweise durch ein Besitz- oder Anspruchsdenken aufgrund des Geschlechts legitimiert", sagt Haider. Auch andere Gewalttäter, etwa im Bereich der Sexualverbrechen, suchen sich gezielt Frauen als Opfer. Die Opferauswahl anhand des Geschlechts werde bei den häufigsten Formen von Gewalt gegen Frauen jedoch schlicht normalisiert und nicht als strukturelles Merkmal erkannt.

Bei Morden innerhalb von Intimbeziehungen ist zu entflechten, ob persönliche Motive oder Hass gegen Frauen vorlag. Deshalb schlägt die Expertin die Prüfung vor, ob die Straftat in gleicher Weise verübt worden wäre, wenn das Opfer keine Frau gewesen wäre. "Es geht also um die Frage, ob es bei der Opferauswahl darauf angekommen ist, ob es eine Frau ist oder nicht." So könne man von der schwierigen Frage wegkommen, wann Frauenhass vorliegt, die oft sehr schwer zu beantworten sei. (Beate Hausbichler, 2.4.2021)