Bis 2022 keine wesentliche Änderung für die "Wiener Zeitung", heißt es nun aus dem Kanzleramt.

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Aus dem Bundeskanzleramt kommen zumindest vorerst beruhigende Botschaften an die Redaktion der republikeigenen "Wiener Zeitung", deren Geschäftsführer ihr gerade das sichere Ende als Tageszeitung vorausgesagt hat: Bis Ende 2022 werde sich nichts tun.

Diese Botschaft aus dem BKA zitierte Ö1 im "Morgenjournal" – bis Ende 2022 passiere nichts. Auf Nachfrage des STANDARD heißt es vom Ballhausplatz: Bis Ende 2022 müsse das neue Geschäftsmodell für die "Wiener Zeitung" laut Regierungsprogramm aufgestellt sein. Bis dahin werde sich nichts Wesentliches ändern.

Das liegt aber wohl auch daran, dass die Kollektivverträge für Journalistinnen und Journalisten sehr lange Kündigungsfristen vorsehen. Ein wesentlicher Teil der Redaktion würde also jedenfalls bis weit ins kommende Jahr auf der Payroll stehen, selbst wenn die Wiener Zeitung GmbH sehr rasch Kündigungen aussprechen würde.

Logische Deadline für Pflichtinserate: 2022

Das Regierungsprogramm sieht vor: "Neues Geschäftsmodell der 'Wiener Zeitung' mit dem Ziel des Erhalts der Marke – Serviceplattformen des Bundes bündeln". Das klingt nicht nach einer journalistischen Aufgabe.

Es kündigt ausdrücklich auch die Abschaffung der Pflichtinserate etwa von Unternehmen im Amtsblatt der "Wiener Zeitung" an, die den größten Teil der Einnahmen der Zeitung von rund 18 Millionen Euro jährlich ausmachen. Der Zeitplan aus dem Kanzleramt für ein neues Geschäftsmodell mit Verweis auf das Regierungsprogramm setzt damit logisch auch den Pflichtveröffentlichungen eine Deadline.

Ein Teil dieser Pflichtveröffentlichungen – Jahresabschlüsse großer Aktiengesellschaften – sollte laut einem Entwurf des Justizministeriums mit der Umsetzung einer EU-Richtlinie über Unternehmensinformationen mit Sommer abgeschafft werden. Inzwischen wurde diese Passage zurückgenommen und eine juristische Hilfskonstruktion vorgelegt, die eine Abschaffung vertagte und damit Zeitdruck reduzierte.

Kündigungen vorbereitet

Wie berichtet wurden nach Infos aus der "Wiener Zeitung" aufgrund des ersten Gesetzesentwurfs 60 Kündigungen schon vorbereitet, inzwischen ist intern in Betriebsversammlungen auch von (drohenden) 100 Kündigungen die Rede. Eigentümervertreter der "Wiener Zeitung" ist das Bundeskanzeramt beziehungsweise von ihm entsandte Vertreter.

Am Donnerstag forderte die Journalistengewerkschaft die Abberufung von "Wiener Zeitung"-Geschäftsführer Martin Fleischhacker wegen seiner Mail zum Ende als Tageszeitung. Fleischhackers Vertrag als Geschäftsführer der Wiener Zeitung GmbH läuft bis Ende August, wie auch jener von Walter Hämmerle als Chefredakteur. Beide Verträge stehen damit zur Verlängerung/Ausschreibung an.

Jobs für Konzepte

Jobs ausgeschrieben hat am Freitag nach STANDARD-Infos aber erst einmal Geschäftsführer Fleischhacker: "Wie ihr alle wisst, beschäftigen wir uns intensiv mit der Zukunft der 'Wiener Zeitung'", schreibt der Manager, durchaus zur Überraschung der Belegschaft, der er vor wenigen Tagen per Mail sehr konkret mitteilte, dass die Zeitung keine Zukunft habe.

Er wolle ein Team zusammenstellen, um Konzepte für die Zeitung "in die nächste Phase" zu bringen, und lade alle Mitarbeiter dazu ein. Fleischhacker schreibt da von Vollzeit- und befristeten Jobs in diesem Team.

"Es ist sehr ernst"

Fleischhacker erklärte der APA zur Zukunft der Zeitung, dass "noch nichts vom Tisch" sei. "Ich muss mich den Rahmenbedingungen stellen und auch Alternativen erarbeiten", sagte Fleischhacker. Gute Ideen seien für den Erhalt als Tageszeitung, aber auch für alternative Modelle vorhanden. Wenn ihn noch weitere Konzepte erreichen, würden diese auch ausgearbeitet. Sein Ziel sei jedenfalls, das Beste für das Unternehmen und die Angestellten aus der Situation zu machen.

"Es ist sehr ernst", sagte Walter Hämmerle, Chefredakteur der "Wiener Zeitung", im Gespräch mit der APA. "Wenn der E-Mail des Geschäftsführers Glauben zu schenken ist, dann ist die Tageszeitung vom Tisch", erklärte er. Glauben wolle er das aber noch nicht. Ihm sei mitgeteilt worden, dass es im Aufsichtsrat einen Aufruf gab, erneut nachzudenken und Optionen zu prüfen. Die äußerst irritierte Redaktion wolle weiterkämpfen und erarbeite Konzepte.

Portisch und "Wiener Zeitung"

Bis Ende 2022 solle nichts mit der Redaktion passieren, hieß es laut Ö1-"Morgenjournal" von der ÖVP-Seite in der Bundesregierung. Der Kommunikationswissenschafter Josef Trappel von der Universität Salzburg hoffte im Gespräch mit dem Radiosender, dass es noch nicht zu Ende sei. "Wir haben gestern Hugo Portisch verloren, jetzt können wir unmöglich auch noch die 'Wiener Zeitung' verlieren", meinte er mit Verweis auf einen "nicht überbesetzten Qualitätszeitungsmarkt" in Österreich. "Die Zeitung einfach einzustellen, hielte ich für ein fatales Zeichen", so der Medienexperte. Man solle sich überlegen, welche Möglichkeiten noch offen stehen – etwa eine öffentlich-rechtliche Finanzierung.

Auch Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich setzte sich in einer Aussendung für den Erhalt der ältesten Tageszeitung der Welt ein. "Auf dem ohnehin sehr kleinen und nur 14 Titel umfassenden Tageszeitungsmarkt Österreichs darf ein besonderes Medium wie die 'Wiener Zeitung', die für qualitativ hochwertige und ausgewogene Berichterstattung steht, nicht einfach wegfallen", so RSF-Österreich-Präsidentin Rubina Möhring. Sie zeigte sich irritiert über die E-Mail Fleischhackers: "Damit lässt er die redaktionellen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Regen. Von einem Geschäftsführer muss man sich mehr Kampfbereitschaft erwarten dürfen."

"Muss das zwingend zum Tod der Zeitung führen?"

"Es läuft darauf hinaus, ob es einen politischen Willen gibt, die Zeitung zu erhalten oder nicht", betonte Hämmerle am Freitag erneut. Eine Digitalisierung des Amtsblatts erachtet er als richtig. "Die Frage ist nur, muss das zwingend zum Tod der Zeitung führen?", fragte der Chefredakteur. Dass der Eigentümer keine Freude an der Zeitung hat, liege aber mittlerweile auf der Hand, meinte er. (fid, APA, 2.4.2021)