Ein einsames Exemplar der Art Temnothorax nylanderi.

Foto: Susanne Foitzik / JGU

Menschen und andere soziale Säugetiere erleben Vereinzelung und Isolation von ihrer Gruppe als stressig, was sich auf das Allgemeinbefinden und die körperliche Verfassung auswirken kann. Ein internationales Forscherteam hat nun herausgefunden, dass sich bei Ameisen ähnliche Effekte zeigen: Ihr Sozial- und Hygieneverhalten ändert sich. Zudem konnte nachgewiesen werden, dass im Gehirn von isolierten Ameisen Immun- und Stressgene herunterreguliert werden. "Das heißt, das Immunsystem ist weniger leistungsfähig, was wir auch als Folge von sozialer Isolation beim Menschen sehen", sagte Studienleiterin Susanne Foitzik von der Universität Mainz. Die Studie ist im Fachblatt "Molecular Ecology" erschienen.

"Isolierte Menschen werden einsam, depressiv und ängstlich, entwickeln leichter Süchte und leiden unter einem geschwächten Immunsystem und einer beeinträchtigten Gesundheit im Allgemeinen", sagte Inon Scharf von der Universität Tel Aviv, Erstautor der Studie. Während jedoch Isolation bei sozialen Säugetieren wie Menschen oder Mäusen eingehend untersucht wurde, sei bisher wenig darüber bekannt, wie soziale Insekten in vergleichbaren Situationen reagieren. Dabei leben sie in hoch entwickelten Sozialsystemen: Ameisen etwa verbringen ihr gesamtes Leben als Teil ein und derselben Kolonie und sind von ihren Nestgenossinnen abhängig. Die Arbeiterinnen geben ihr eigenes Fortpflanzungspotenzial auf und kümmern sich um die Fütterung der Larven, die Reinigung und die Verteidigung des Nests und die Suche nach Nahrung, während die Königin fast ausschließlich Eier legt.

Geschwächtes Immunsystem

Für die aktuelle Studie untersuchten die Wissenschafter Ameisen der Art Temnothorax nylanderi. Diese Spezies kommt in europäischen Wäldern vor und bildet kleine Kolonien aus einigen Dutzend Arbeiterinnen. Die Forscher isolierten junge Arbeiterinnen, die sich um die Brutpflege kümmern, aus 14 unterschiedlichen Kolonien und hielten sie für Zeiträume zwischen einer Stunde und maximal 28 Tage getrennt. Das Ergebnis: Nach dem Ende der Isolation waren die Arbeiterinnen weniger an ihren erwachsenen Nestgenossinnen interessiert, erhöhten jedoch die Dauer des Brutkontakts. Zudem reduzierten sie die Zeit, die sie mit Körperpflege verbrachten. "Diese Veränderung im Hygieneverhalten könnte die Ameisen anfälliger für Parasiten machen, aber sie weist auch auf eine soziale Vereinsamung hin", sagte Foitzik.

Aber nicht nur Verhaltensänderungen der isolierten Tiere wurden festgestellt. Noch auffälliger war ein Blick auf ihre Genaktivität: Viele Gene, die mit der Funktion des Immunsystems und der Stressreaktion zusammenhängen, waren weniger aktiv. "Das Ergebnis passt zu Studien an anderen sozialen Tieren, die eine Schwächung des Immunsystems nach der Isolation zeigen", sagte Scharf. Die Ergebnisse würden zeigen, dass Ameisen ebenso von Isolation betroffen seien wie soziale Säugetiere, was wiederum auf einen allgemeinen Zusammenhang zwischen sozialem Wohlbefinden, Stresstoleranz und Immunkompetenz hindeute, schreiben die Forscher. (red, 2.4.2021)