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Die "Generation Geilomobil", die uns regiert, ist nicht besonders fromm. Auch nicht besonders christlich. Aber Sebastian Kurz und Co suchten doch von Anfang an den politischen Segen der Mutter Kirche, und deren Vertreter waren darüber nicht unfroh. Inzwischen ist aber auch an der Spitze der katholischen Kirche leise Desillusionierung mit Kurz eingetreten. Kardinal Christoph Schönborn ist nach Angaben von Mitarbeitern "verwundert" über die lausbübischen Chats zwischen dem Kurz-Vertrauten Thomas Schmid und dem Kanzler über das Gefügigmachen der Kirche.

Der Anlass war damals (Frühjahr 2019) die Kritik der Bischöfe an der von der türkis-blauen Koalition geplanten "Sicherungshaft" für Asylwerber. Das reichte, dass Schmid dem Sekretär der Bischofskonferenz mit dem Entzug von Steuerprivilegien drohte. Was jetzt Caritas-Präsident Michael Landau zu der Aussage bringt: "Es war jetzt viel von Mindestabstand die Rede, aber wir brauchen auch einen Mindestanstand."

Dabei hatte alles so harmonisch begonnen: Kardinal Schönborn nahm es wohlwollend zur Kenntnis, dass der junge Aufsteiger Kurz seinen Rat, ja sogar seinen Segen suchte. Er bewog Kurz sogar zum Besuch der Stadthalle mit dem Auftritt eines eher eigenartigen evangelikalen Predigers ("Europa missionieren!"). Ein Dauerkonflikt entstand aber mit der sturen Weigerung von Kurz, ein paar Dutzend Kinder aus dem Elendslager auf der griechischen Insel Lesbos zu übernehmen.

Nach Berichten von Mitarbeitern redete der Kardinal vor den letzten Weihnachten wegen Lesbos eine Stunde lang auf den Kanzler ein, er möge doch nicht als der "Kanzler ohne Barmherzigkeit" dastehen.

Die Situation auf Lesbos ist übrigens jetzt besser, was das Wetter betrifft. Sonst nicht. Dies berichtet eine Österreicherin, die mit der Aktion unserbruckhilft.at aus Spendengeldern Nahrungsmittel und Medikamente dorthin bringt. Helga Longin: "Die Zustände sind nach wie vor unerträglich und inakzeptabel. Den ganzen Winter gab es überflutete Zelte. Die Kinder haben Krätze, viele sind schwerst traumatisiert, wagen es nicht, zur Toilette zu gehen. Viele gehen seit Jahren nicht in die Schule. Selbstmordgedanken bei Kindern und Jugendlichen gehören hier fast schon zum Alltag. Ich kann’s nicht anders sagen, was hier geschieht, ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit!"

Aber es gibt doch die "Hilfe vor Ort", von der die Regierung immer berichtet? Longin lacht bitter: "Eine gute Frage." Die "winterfesten Zelte", die Innenminister Karl Nehammer in einer großen PR-Aktion vorigen Herbst gebracht hat, liegen großteils im Lager in Athen. 25 Zelte wurden in Lesbos für eine Corona-Quarantänestation verwendet. Die "Tagesheimstätte für 500 Kinder", von der Außenminister Alexander Schallenberg schwärmte, ist eine Fantasie geblieben. Aber obwohl SOS-Kinderdorf, das die Tagesheimstätte errichten sollte, sofort 50 bis 100 Kinder nach Österreich nehmen könnte, bleibt Kurz harthörig.

Ein Mitarbeiter von Kardinal Schönborn analysiert nüchtern: "Der Kanzler nimmt den Vorwurf ‚unchristlichen Verhaltens‘ in Kauf, um nicht sein strategisches Ziel – ehemalige FPÖ-Wähler behalten – zu verspielen." Und daran werde sich auch nichts ändern.

Die katholische Kirche ist pragmatisch genug, um mit dem Kanzler, den wir nun einmal haben, weiterzuleben. Kurz hat sich angeblich auch schon für die Chats entschuldigt – privat beim Kardinal, nicht öffentlich, wie Landau es forderte. Aber das Heil erwartet man sich von dem jungen Politiker immer weniger. (Hans Rauscher, 2.4.2021)