An OMV, Verbund, Post, A1 und einigen anderen Unternehmen hält der Bund weiterhin Minderheitsanteile.

Foto: OMV

Das Reich des Thomas Schmid enthält viele klingende Namen. Mit OMV, Verbund, Post und A1 einige der umsatzstärksten Industriekonzerne des Landes, mit Casinos Austria den zuletzt schlagzeilenträchtigsten. Aber im Vergleich zu ihren Vorgängern ist die Österreichische Beteiligungs AG (Öbag) nur ein Abklatsch ehemaliger Größe.

Nach 1945 wurden fast die ganze Industrie des Landes und der Finanzsektor verstaatlicht; die "Kommandohöhen der Wirtschaft", wie es Lenin einst formulierte, waren in der Hand des Staates. 1970 war dieser Sektor für ein Viertel der Industriebeschäftigten und ein Fünftel der Exporte verantwortlich.

Bis in die frühen 1990er-Jahre dominierten die Unternehmen der Staatsholding ÖIAG die Wirtschaft, dazu kamen staatliche Großbanken wie Creditanstalt und Länderbank. Damals herrschte noch der strenge Proporz: In jedem Unternehmen saß ein schwarzer Generaldirektor mit einem roten Stellvertreter – oder umgekehrt.

Portfolio von elf Unternehmen

Davon ist heute nicht mehr viel übrig. Ein Portfolio von elf Unternehmen, mit einem Marktwert von 27 Milliarden Euro, ist dem Bund in der Öbag geblieben, dazu kommt die ÖBB, die dem Verkehrsministerium untersteht. Die Personalbestellungen sind inzwischen meist professionell und objektiv, politische Versorgungsjobs gibt es weniger.

Doch immer noch ist die Staatsholding so wichtig, dass ein ehrgeiziger ÖVP-Funktionär alles darangesetzt hat, sich den Chefposten zu sichern. Aber in der Aufregung über Schmids Karrieresprung geht eine andere Frage unter: Warum hält die Republik diese Beteiligungen?

Die Debatte über den Staat als Unternehmer tobt nicht nur in Österreich seit Jahrzehnten, und sie ist höchst ideologisch gefärbt und dem Zeitgeist unterworfen. War Staatseigentum in der Nachkriegszeit eine Selbstverständlichkeit, so wurde ab den 1990er-Jahren im Westen genauso wie in vielen Entwicklungsländern fleißig privatisiert. In den ehemaligen Ostblockstaaten war der Abverkauf der Staatsunternehmen Kernpunkt der marktwirtschaftlichen Reformen.

Privatisierungsmaschinerie

Auch in Österreich wurde die Privatisierungsmaschinerie nach dem Fiasko der Verstaatlichten in den 1980er-Jahren angeworfen. Den schrittweisen Privatisierungen unter der von Franz Vranitzky (SPÖ) geführten großen Koalition folgte ab dem Jahr 2000 eine rasante Beschleunigung durch die schwarz-blaue Regierung von Wolfgang Schüssel.

In rund 20 Jahren wurden Amag, Salinen Austria, AT&S, Voestalpine, Postsparkasse, Austria Tabak und das Dorotheum komplett privatisiert; von Verbund, OMV, Telekom Austria (heute A1) und Post große Aktienpakete über die Börse oder an Investoren verkauft.

Mit der Rückkehr der SPÖ ins Kanzleramt 2007 war es damit vorbei. Man dürfe das restliche Familiensilber nicht verscherbeln, dies seien ja profitable Unternehmen, tönte es aus SPÖ, ÖGB und Arbeiterkammer – als sei der Staat ein Hedgefonds, dessen Ziel es sei, gewinnbringend in Unternehmen zu investieren. Nur die AUA wurde 2009 an die Lufthansa verkauft, um eine drohende Insolvenz abzuwenden.

Auch international hat sich in dieser Zeit der Wind gedreht. Im Osten, vor allem in den ex-sowjetischen Staaten, waren Privatisierungen zu oft ein Weg für gut vernetzte Geschäftsleute zu unverdientem Reichtum. Und mit dem Eintritt der chinesischen Staatsunternehmen in den Weltmarkt, die dank hoher Subventionen die westliche Konkurrenz an die Wand spielen, wurde auch in der EU der Charme von Staatsbeteiligungen entdeckt – vor allem um den Ausverkauf von Zukunftstechnologien zu verhindern.

Entweder Staat oder Ausländer

Für Ewald Nowotny, den ehemaligen Gouverneur der Nationalbank, sind gerade für ein kleines Land staatliche Beteiligungen in der Industrie unverzichtbar, um den Wirtschaftsstandort zu sichern. "Die Alternative ist ausländisches Eigentum", sagt der SPÖ-nahe Ökonom. "Das ist nicht a priori schlecht, ist aber ein Risiko, weil man von Kriterien abhängig wird, die anderswo liegen."

Fallen alle Entscheidungen im Ausland, dann gingen allzu leicht Technologie, Wertschöpfung und Arbeitsplätze verloren, warnt Nowotny. Die vollprivatisierte Voestalpine sei nur deshalb ein Erfolg, weil es mit zwei Regionalbanken und einer Mitarbeiterbeteiligung sichere inländische Kernaktionäre gebe.

Noch dringender sei die Staatsrolle bei Versorgungsunternehmen etwa für Energie und Wasser. Das sei von "unmittelbarer strukturpolitischer Bedeutung", sagt Nowotny. In Österreich ist eine Mehrheitsbeteiligung im Stromsektor durch Bund oder Länder per Verfassungsgesetz vorgeschrieben.

In der EU werden Staatsbeteiligungen hingegen skeptisch gesehen, gerade weil sie ausländische Übernahmen erschweren und damit den freien Kapitalverkehr behindern. Dazu kommt der ständige Verdacht, dass der Staat seine eigenen Unternehmen bevorzugen und so den Wettbewerb verzerren könnte. In den vielen Beihilfenverfahren, die die EU-Kommission gegen Mitgliedsstaaten einbringt, sind übermäßig oft Konzerne mit Staatsbeteiligung betroffen.

Gemeint ist China

Allerdings wurden zuletzt in der EU neue Schutzmechanismen gegen unerwünschte ausländische Übernahmen eingeführt, womit vor allem China gemeint ist. "Auch in Brüssel hat man Angst vor dem Aussaugen von Know-how oder der Schwächung der Marktposition durch die Chinesen", sagt Nowotny.

Und selbst in Deutschland, wo sich zumindest auf Bundesebene der Staat kaum als Investor betätigt, wurde im Vorjahr schnell eine Beteiligung am Impfstoffentwickler Curevac beschlossen, als das Gerücht aufkam, dass die Trump-Regierung das Biotech-Unternehmen in die USA locken will. Der Covid-Impfstoff von Curevac ist übrigens trotz des mächtigen Miteigentümers noch nicht zugelassen.

Dennoch: Unter Ökonomen und in den multilateralen Institutionen gilt Staatseigentum in der Wirtschaft immer noch als Manko, Staatsbetriebe seien oft schlecht gemanagt, unprofitabel und anfällig für Korruption. Politische Anliegen wie der Erhalt von Arbeitsplätzen stünden oft im Widerspruch mit betriebswirtschaftlicher Logik und würden letztlich der gesamten Wirtschaft schaden.

Der sanfte Postenschacher in Österreich finde sich in weniger entwickelten Staaten als reiner Nepotismus wieder; dort dienten Staatsbetriebe vornehmlich der Versorgung von Freunden und Verwandten.

Regulierer und Eigentümer

Dazu kommt ein grundsätzliches Problem: Der Staat soll im öffentlichen Interesse die Unternehmen regulieren, selbst wenn das deren Gewinne schmälert. Ist er aber selbst Eigentümer, dann entsteht ein Interessenkonflikt. In Österreich ist das an zwei Öbag-Beteiligungen zu sehen: Bei der Casinos Austria ist es der Spielerschutz, der mit Unternehmenszielen kollidieren kann; bei der OMV die rasche Abkehr von der fossilen Energie.

Deutlich wurden diese Konflikte zuletzt bei der Kritik des Rechnungshofs am Tiroler Landesenergieversorger Tiwag, weil dieser auf Wunsch der Politik eine Sonderdividende ausgeschüttet, Konjunkturmaßnahmen des Landes mitfinanziert und den Strompreis stärker gesenkt als geplant hatte. All das war im öffentlichen Interesse, aber laut Aktiengesetz müssen Vorstand und Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft selbst bei vollem Staatseigentum dem wirtschaftlichen Interesse des Unternehmens dienen und nicht der Politik.

Grenzen der Privatisierung

Die Alternative zum Staatsbesitz sind starke Regulierungsbehörden, die privaten Gesellschaften gegenüberstehen. Doch das funktioniert nicht immer, sagt Nowotny. "Sitzt der Staat im Aufsichtsrat, hat er ungleich bessere Information, als wenn er von außen regulieren muss." Mit einer Staatsbeteiligung ließe sich etwa verhindern, dass ein Konzern mit fragwürdigen Modellen Steuern spart.

Auch Befürworter von Privatisierungen räumen ein, dass diese nichts bringen, wenn Monopole bestehen bleiben oder private Eigentümer sich Gesetze und Regulierungen kaufen können. Durch solches "regulatory capture" werden sehr korrupte Staaten am stärksten ausgeraubt.

Das Wechselbad der Ideen spiegelt sich in Österreich in den Namen der Holdinggesellschaften wider. Unter Schwarz-Blau wurde 2000 die ÖIAG von der Politik weitgehend abgeschottet, damit sie ungestört privatisieren kann. Das war der Politik dann doch zu viel Autonomie.

2015 wurde die ÖIAG durch die Öbib ersetzt, die direkt dem Finanzministerium untersteht. Doch als GmbH war ihr Einfluss in den Beteiligungen beschränkt. So kam 2019 die Öbag, die in den Konzernen leichter durchgreifen und auch neue Beteiligungen für den Staat erwerben kann. Von dieser Option hat Schmid noch nicht Gebrauch gemacht. (Eric Frey, 3.4.2021)