Auch Eva Blimlinger, für die Grünen im Parlament, ist der Begriff ein Dorn im Auge.

Urban

Wien – Wer inklusiv sprechen will, sagt Kulturschaffende. Das Wort ist genderneutral und folglich ideal als Sammelbezeichnung. Die Politik verwendet es, die Kunstszene und ihre Interessenvertretungen ebenso wie DER STANDARD. Es ist allerdings nicht nur eine grammatikalisch bequeme Konstruktion, sondern auch eine ideologische. Denn der Begriff ist nationalsozialistisch belastet.

Darauf macht die Kulturplattform Oberösterreich (Kupf) in ihrer aktuellen Zeitung aufmerksam. Das Wort wurde mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten ab 1933 geprägt und ist ein offizieller Begriff in deren Diktion. "Kulturschaffende" bezeichnete Künstler, die Mitglied der Reichskulturkammer waren. Wer kulturell tätig sein wollte, musste ihr angehören, was sonst einem Berufsverbot gleichkam. Doch stand die Mitgliedschaft nur Ariern offen. Wer drin war, war "völkisch" und "deutsch", wer nicht drin war: "artfremd", "unerwünscht", "entartet".

In Deutschland mehr Diskussion

"In der Redaktionspraxis war der Begriff in den letzten Jahren schon ein Problem, und wir haben unsere Beiträgerinnen gebeten, Alternativen dafür zu finden", sagt Katharina Serles von Kupf. "Es gibt nur einzelne, denen der Hintergrund bekannt ist. In Deutschland gibt es mehr Diskussion dazu." Das liegt auch daran, dass er sich dort über die DDR ins Heute gezogen hat, also doppelt belastet ist. Dabei fand er gleich nach dem Krieg in Wilhelm Süskinds Wörterbuch des Unmenschen kritische Aufnahme.

Auch Eva Blimlinger, für die Grünen im Parlament, ist der Begriff ein Dorn im Auge. Sie achte seit Jahren darauf, dass "Kulturschaffende" in Texten, an denen sie beteiligt ist, nicht verwendet wird. So komme der Begriff im von ihr mitverhandelten türkis-grünen Regierungsprogramm nicht vor. Im Zuge der Kupf-Diskussion hat Blimlinger einen Wettbewerb für alternative Begriffe ausgelobt. Welcher fiele ihr ein? "Kulturistinnen, wie Touristinnen."

Alternative gesucht

Existierende Varianten wie "Kulturarbeiter" findet sie nicht wahnsinnig passend. Auch Serles sieht diese nicht als Lösung. "Kulturschaffende inkludiert Künstlerinnen, Kulturarbeiterinnen und Vermittlerinnen, meint also viele Gruppen." Zudem sei "Kulturarbeiter" ja auch ideologisch aufgeladen.

Wie die Historikerin Isolde Vogel in der aktuellen Ausgabe der Kupf-Zeitung herausarbeitet, brachten die Nationalsozialisten "schaffend" als positives arisches Ideal in Abgrenzung zur "raffenden" jüdischen Bevölkerung in Stellung. An eine Möglichkeit, den Begriff positiv umzudeuten, glaubt sie nicht mehr. "Es braucht Alternativen."(Michael Wurmitzer, 3.4.2021)